Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

sind solide, aus lauter übereinander gelagerten Schichten
zusammengesetzte Körper: die Zellen sind einfach, oder
mehrfach ineinander geschachtelte hohle Bläschen. Betrach-
tet man auch die Membranen dieser Bläschen als Schichten,
so bleibt doch noch immer der Unterschied von Krystallen,
dass diese Schichten einander nicht berühren, sondern Flüs-
sigkeit zwischen sich enthalten, was bei den Krystallen
nicht der Fall ist, dass dieser Schichten nur wenige, nur
1 bis 3 sind, und dass die Schichten der Zellen chemisch
von einander verschieden sind, während die Schichten der
Krystalle aus derselben chemischen Substanz bestehn. End-
lich ist auch ein grosser Unterschied in der Art des Wachs-
thums der Krystalle und Zellen. Die Krystalle wachsen
durch Appositio, die neuen Moleküle setzen sich nur auf
die Oberfläche der abgelagerten ab; die Zellen wachsen
auch durch Intussusception, d. h. die neuen Moleküle setzen
sich auch zwischen die schon abgelagerten ab.

Sind diese plastischen Erscheinungen der Zellen und
Krystalle schon sehr verschieden, so sind es noch mehr
die metabolischen, oder solche sind vielmehr den Zellen
ganz eigenthümlich. Wenn ein Krystall wachsen soll, so
muss er als solcher vorher in der Auflösung vorhanden
sein, und es muss eine äussere Ursache hinzukommen,
welche seine Auflöslichkeit vermindert. Die Zellen dage-
gen sind im Stande, in der umgebenden Flüssigkeit eine
chemischc Veränderung hervorzubringen, Stoffe zu erzeu-
gen, die vorher als solche nicht da waren, sondern von
denen nur die Elemente in einer andern Kombination da
waren. Eine äussere Ursache zur Veränderung der Auf-
löslichkeit ist daher bei den Zellen nicht nothwendig; denn
wenn die Zelle chemische Veränderungen in der umgeben-
den Flüssigkeit hervorbringen kann, so kann sie auch solche
Stoffe hervorbringen, die schon unter den vorhandenen
Umständen sich nicht aufgelöst erhalten können, und dess-
halb fällt die Nothwendigkeit einer äussern Ursache des
Wachsthums weg. Legt man einen Krystall in eine nicht
konzentrirte Auflösung sogar desselben Stoffes, so erfolgt

sind solide, aus lauter übereinander gelagerten Schichten
zusammengesetzte Körper: die Zellen sind einfach, oder
mehrfach ineinander geschachtelte hohle Bläschen. Betrach-
tet man auch die Membranen dieser Bläschen als Schichten,
so bleibt doch noch immer der Unterschied von Krystallen,
daſs diese Schichten einander nicht berühren, sondern Flüs-
sigkeit zwischen sich enthalten, was bei den Krystallen
nicht der Fall ist, daſs dieser Schichten nur wenige, nur
1 bis 3 sind, und daſs die Schichten der Zellen chemisch
von einander verschieden sind, während die Schichten der
Krystalle aus derselben chemischen Substanz bestehn. End-
lich ist auch ein groſser Unterschied in der Art des Wachs-
thums der Krystalle und Zellen. Die Krystalle wachsen
durch Appositio, die neuen Moleküle setzen sich nur auf
die Oberfläche der abgelagerten ab; die Zellen wachsen
auch durch Intussusception, d. h. die neuen Moleküle setzen
sich auch zwischen die schon abgelagerten ab.

Sind diese plastischen Erscheinungen der Zellen und
Krystalle schon sehr verschieden, so sind es noch mehr
die metabolischen, oder solche sind vielmehr den Zellen
ganz eigenthümlich. Wenn ein Krystall wachsen soll, so
muſs er als solcher vorher in der Auflösung vorhanden
sein, und es muſs eine äuſsere Ursache hinzukommen,
welche seine Auflöslichkeit vermindert. Die Zellen dage-
gen sind im Stande, in der umgebenden Flüssigkeit eine
chemischc Veränderung hervorzubringen, Stoffe zu erzeu-
gen, die vorher als solche nicht da waren, sondern von
denen nur die Elemente in einer andern Kombination da
waren. Eine äuſsere Ursache zur Veränderung der Auf-
löslichkeit ist daher bei den Zellen nicht nothwendig; denn
wenn die Zelle chemische Veränderungen in der umgeben-
den Flüssigkeit hervorbringen kann, so kann sie auch solche
Stoffe hervorbringen, die schon unter den vorhandenen
Umständen sich nicht aufgelöst erhalten können, und deſs-
halb fällt die Nothwendigkeit einer äuſsern Ursache des
Wachsthums weg. Legt man einen Krystall in eine nicht
konzentrirte Auflösung sogar desselben Stoffes, so erfolgt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0264" n="240"/>
sind solide, aus lauter übereinander gelagerten Schichten<lb/>
zusammengesetzte Körper: die Zellen sind einfach, oder<lb/>
mehrfach ineinander geschachtelte hohle Bläschen. Betrach-<lb/>
tet man auch die Membranen dieser Bläschen als Schichten,<lb/>
so bleibt doch noch immer der Unterschied von Krystallen,<lb/>
da&#x017F;s diese Schichten einander nicht berühren, sondern Flüs-<lb/>
sigkeit zwischen sich enthalten, was bei den Krystallen<lb/>
nicht der Fall ist, da&#x017F;s dieser Schichten nur wenige, nur<lb/>
1 bis 3 sind, und da&#x017F;s die Schichten der Zellen chemisch<lb/>
von einander verschieden sind, während die Schichten der<lb/>
Krystalle aus derselben chemischen Substanz bestehn. End-<lb/>
lich ist auch ein gro&#x017F;ser Unterschied in der Art des Wachs-<lb/>
thums der Krystalle und Zellen. Die Krystalle wachsen<lb/>
durch Appositio, die neuen Moleküle setzen sich nur auf<lb/>
die Oberfläche der abgelagerten ab; die Zellen wachsen<lb/>
auch durch Intussusception, d. h. die neuen Moleküle setzen<lb/>
sich auch zwischen die schon abgelagerten ab.</p><lb/>
          <p>Sind diese plastischen Erscheinungen der Zellen und<lb/>
Krystalle schon sehr verschieden, so sind es noch mehr<lb/>
die metabolischen, oder solche sind vielmehr den Zellen<lb/>
ganz eigenthümlich. Wenn ein Krystall wachsen soll, so<lb/>
mu&#x017F;s er als solcher vorher in der Auflösung vorhanden<lb/>
sein, und es mu&#x017F;s eine äu&#x017F;sere Ursache hinzukommen,<lb/>
welche seine Auflöslichkeit vermindert. Die Zellen dage-<lb/>
gen sind im Stande, in der umgebenden Flüssigkeit eine<lb/>
chemischc Veränderung hervorzubringen, Stoffe zu erzeu-<lb/>
gen, die vorher als solche nicht da waren, sondern von<lb/>
denen nur die Elemente in einer andern Kombination da<lb/>
waren. Eine äu&#x017F;sere Ursache zur Veränderung der Auf-<lb/>
löslichkeit ist daher bei den Zellen nicht nothwendig; denn<lb/>
wenn die Zelle chemische Veränderungen in der umgeben-<lb/>
den Flüssigkeit hervorbringen kann, so kann sie auch solche<lb/>
Stoffe hervorbringen, die schon unter den vorhandenen<lb/>
Umständen sich nicht aufgelöst erhalten können, und de&#x017F;s-<lb/>
halb fällt die Nothwendigkeit einer äu&#x017F;sern Ursache des<lb/>
Wachsthums weg. Legt man einen Krystall in eine nicht<lb/>
konzentrirte Auflösung sogar desselben Stoffes, so erfolgt<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[240/0264] sind solide, aus lauter übereinander gelagerten Schichten zusammengesetzte Körper: die Zellen sind einfach, oder mehrfach ineinander geschachtelte hohle Bläschen. Betrach- tet man auch die Membranen dieser Bläschen als Schichten, so bleibt doch noch immer der Unterschied von Krystallen, daſs diese Schichten einander nicht berühren, sondern Flüs- sigkeit zwischen sich enthalten, was bei den Krystallen nicht der Fall ist, daſs dieser Schichten nur wenige, nur 1 bis 3 sind, und daſs die Schichten der Zellen chemisch von einander verschieden sind, während die Schichten der Krystalle aus derselben chemischen Substanz bestehn. End- lich ist auch ein groſser Unterschied in der Art des Wachs- thums der Krystalle und Zellen. Die Krystalle wachsen durch Appositio, die neuen Moleküle setzen sich nur auf die Oberfläche der abgelagerten ab; die Zellen wachsen auch durch Intussusception, d. h. die neuen Moleküle setzen sich auch zwischen die schon abgelagerten ab. Sind diese plastischen Erscheinungen der Zellen und Krystalle schon sehr verschieden, so sind es noch mehr die metabolischen, oder solche sind vielmehr den Zellen ganz eigenthümlich. Wenn ein Krystall wachsen soll, so muſs er als solcher vorher in der Auflösung vorhanden sein, und es muſs eine äuſsere Ursache hinzukommen, welche seine Auflöslichkeit vermindert. Die Zellen dage- gen sind im Stande, in der umgebenden Flüssigkeit eine chemischc Veränderung hervorzubringen, Stoffe zu erzeu- gen, die vorher als solche nicht da waren, sondern von denen nur die Elemente in einer andern Kombination da waren. Eine äuſsere Ursache zur Veränderung der Auf- löslichkeit ist daher bei den Zellen nicht nothwendig; denn wenn die Zelle chemische Veränderungen in der umgeben- den Flüssigkeit hervorbringen kann, so kann sie auch solche Stoffe hervorbringen, die schon unter den vorhandenen Umständen sich nicht aufgelöst erhalten können, und deſs- halb fällt die Nothwendigkeit einer äuſsern Ursache des Wachsthums weg. Legt man einen Krystall in eine nicht konzentrirte Auflösung sogar desselben Stoffes, so erfolgt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schwann_mikroskopische_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schwann_mikroskopische_1839/264
Zitationshilfe: Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwann_mikroskopische_1839/264>, abgerufen am 18.05.2024.