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Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839.

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für sich lange Zeit unverändert. Sobald man aber etwas
Hefe hinzusetzt, welche theils aus ganzen Pilzen, theils

aus der Entwicklung anderer einfacher und ausser Zusammenhang
mit einem andern Organismus sich entwickelnder Zellen, nament-
lich der Sporen niederer Pflanzen ziehen lässt. Dass übrigens
die Fermentkügelchen Pilze sind, dafür sind auch alle denkbaren
Beweise geliefert. Ihre Form ist die der Pilze, ihre Struktur
ist, wie die der Pilze, da sie aus Zellen bestehn, von denen viele
wieder junge Zellen enthalten, sie wachsen wie Pilze durch Her-
vortreibung neuer Zellen an ihren Enden, sie pflanzen sich fort
wie Pilze, theils durch Lostrennung der einzelnen Zellen, theils
durch Erzeugung neuer Zellen in den vorhandenen Zellen und
Zerplatzen dieser Mutterzellen. Dass nun diese Pilze die Ursache
der Gährung sind, geht erstens daraus hervor, weil sie konstant
bei der Gährung vorkommen, zweitens, weil die Gährung aufhört
durch alle Einwirkungen, wodurch nachweisbar die Pilze getödtet
werden, namentlich Siedhitze, arsenichtsaures Kali u. s. w., drit-
tens weil das, den Prozess der Gahrung erregende Prinzip ein
Stoff sein muss, der durch diesen Prozess selbst wieder erzeugt
und vermehrt wird, eine Erscheinung, die nur bei lebenden Or-
ganismen Statt hat. Ausser der chemischen Analyse sehe ich
auch hier die Möglichkeit eines weitern Beweises nicht ein, es
sei denn, dass man nachweisen könnte, dass Kohlensäure und
Alkohol sich nur an der Oberfläche der Pilze bilden. Ich habe
eine Reihe von Versuchen angestellt, um diess nachzuweisen, die
aber bis jetzt ihrem Zweck noch nicht vollständig entsprochen
haben. Ein langes Reagenziengläschen wurde mit einer schwa-
chen, durch Lackmus schwach blau gefärbten Zuckerauflösung
gefüllt, und sehr wenig Hefe zugesetzt, so dass die Gährung erst
nach mehreren Stunden beginnen, und die Pilze vorher sich auf
den Boden absetzen konnten, so dass die Flüssigkeit klar wurde.
Hier begann nun die Röthung der blauen Flüssigkeit (durch die
sich bildende, aber aufgelöst bleibende Kohlensäure) wirklich
vom Boden des Gläschens. Wurde Anfangs ein Steg in der Mitte
des Gläschens angebracht, so dass auch darauf Pilze sich abla-
gern konnten, so begann sie vom Boden und von diesem Steg.
Hieraus folgt wenigstens, dass ein unaufgelöster Stoff, der schwe-
rer ist als Wasser, die Gährung veranlasst; es wurde nun der
Versuch im Kleinen unter dem Mikroskop wiederholt, um zu
sehen, ob grade von den Pilzen die Röthung ausgeht; allein hier
war die Farbe wegen ihrer Blässe nicht mehr zu unterscheiden,
und wurde die Flüssigkeit intensiver gefärbt, so trat keine Gäh-
rung ein. Es ist indessen wahrscheinlich, dass sich ein Reagenz

für sich lange Zeit unverändert. Sobald man aber etwas
Hefe hinzusetzt, welche theils aus ganzen Pilzen, theils

aus der Entwicklung anderer einfacher und auſser Zusammenhang
mit einem andern Organismus sich entwickelnder Zellen, nament-
lich der Sporen niederer Pflanzen ziehen läſst. Daſs übrigens
die Fermentkügelchen Pilze sind, dafür sind auch alle denkbaren
Beweise geliefert. Ihre Form ist die der Pilze, ihre Struktur
ist, wie die der Pilze, da sie aus Zellen bestehn, von denen viele
wieder junge Zellen enthalten, sie wachsen wie Pilze durch Her-
vortreibung neuer Zellen an ihren Enden, sie pflanzen sich fort
wie Pilze, theils durch Lostrennung der einzelnen Zellen, theils
durch Erzeugung neuer Zellen in den vorhandenen Zellen und
Zerplatzen dieser Mutterzellen. Daſs nun diese Pilze die Ursache
der Gährung sind, geht erstens daraus hervor, weil sie konstant
bei der Gährung vorkommen, zweitens, weil die Gährung aufhört
durch alle Einwirkungen, wodurch nachweisbar die Pilze getödtet
werden, namentlich Siedhitze, arsenichtsaures Kali u. s. w., drit-
tens weil das, den Prozeſs der Gahrung erregende Prinzip ein
Stoff sein muſs, der durch diesen Prozeſs selbst wieder erzeugt
und vermehrt wird, eine Erscheinung, die nur bei lebenden Or-
ganismen Statt hat. Auſser der chemischen Analyse sehe ich
auch hier die Möglichkeit eines weitern Beweises nicht ein, es
sei denn, daſs man nachweisen könnte, daſs Kohlensäure und
Alkohol sich nur an der Oberfläche der Pilze bilden. Ich habe
eine Reihe von Versuchen angestellt, um dieſs nachzuweisen, die
aber bis jetzt ihrem Zweck noch nicht vollständig entsprochen
haben. Ein langes Reagenziengläschen wurde mit einer schwa-
chen, durch Lackmus schwach blau gefärbten Zuckerauflösung
gefüllt, und sehr wenig Hefe zugesetzt, so daſs die Gährung erst
nach mehreren Stunden beginnen, und die Pilze vorher sich auf
den Boden absetzen konnten, so daſs die Flüssigkeit klar wurde.
Hier begann nun die Röthung der blauen Flüssigkeit (durch die
sich bildende, aber aufgelöst bleibende Kohlensäure) wirklich
vom Boden des Gläschens. Wurde Anfangs ein Steg in der Mitte
des Gläschens angebracht, so daſs auch darauf Pilze sich abla-
gern konnten, so begann sie vom Boden und von diesem Steg.
Hieraus folgt wenigstens, daſs ein unaufgelöster Stoff, der schwe-
rer ist als Wasser, die Gährung veranlaſst; es wurde nun der
Versuch im Kleinen unter dem Mikroskop wiederholt, um zu
sehen, ob grade von den Pilzen die Röthung ausgeht; allein hier
war die Farbe wegen ihrer Blässe nicht mehr zu unterscheiden,
und wurde die Flüssigkeit intensiver gefärbt, so trat keine Gäh-
rung ein. Es ist indessen wahrscheinlich, daſs sich ein Reagenz
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[235/0259] für sich lange Zeit unverändert. Sobald man aber etwas Hefe hinzusetzt, welche theils aus ganzen Pilzen, theils *) *) aus der Entwicklung anderer einfacher und auſser Zusammenhang mit einem andern Organismus sich entwickelnder Zellen, nament- lich der Sporen niederer Pflanzen ziehen läſst. Daſs übrigens die Fermentkügelchen Pilze sind, dafür sind auch alle denkbaren Beweise geliefert. Ihre Form ist die der Pilze, ihre Struktur ist, wie die der Pilze, da sie aus Zellen bestehn, von denen viele wieder junge Zellen enthalten, sie wachsen wie Pilze durch Her- vortreibung neuer Zellen an ihren Enden, sie pflanzen sich fort wie Pilze, theils durch Lostrennung der einzelnen Zellen, theils durch Erzeugung neuer Zellen in den vorhandenen Zellen und Zerplatzen dieser Mutterzellen. Daſs nun diese Pilze die Ursache der Gährung sind, geht erstens daraus hervor, weil sie konstant bei der Gährung vorkommen, zweitens, weil die Gährung aufhört durch alle Einwirkungen, wodurch nachweisbar die Pilze getödtet werden, namentlich Siedhitze, arsenichtsaures Kali u. s. w., drit- tens weil das, den Prozeſs der Gahrung erregende Prinzip ein Stoff sein muſs, der durch diesen Prozeſs selbst wieder erzeugt und vermehrt wird, eine Erscheinung, die nur bei lebenden Or- ganismen Statt hat. Auſser der chemischen Analyse sehe ich auch hier die Möglichkeit eines weitern Beweises nicht ein, es sei denn, daſs man nachweisen könnte, daſs Kohlensäure und Alkohol sich nur an der Oberfläche der Pilze bilden. Ich habe eine Reihe von Versuchen angestellt, um dieſs nachzuweisen, die aber bis jetzt ihrem Zweck noch nicht vollständig entsprochen haben. Ein langes Reagenziengläschen wurde mit einer schwa- chen, durch Lackmus schwach blau gefärbten Zuckerauflösung gefüllt, und sehr wenig Hefe zugesetzt, so daſs die Gährung erst nach mehreren Stunden beginnen, und die Pilze vorher sich auf den Boden absetzen konnten, so daſs die Flüssigkeit klar wurde. Hier begann nun die Röthung der blauen Flüssigkeit (durch die sich bildende, aber aufgelöst bleibende Kohlensäure) wirklich vom Boden des Gläschens. Wurde Anfangs ein Steg in der Mitte des Gläschens angebracht, so daſs auch darauf Pilze sich abla- gern konnten, so begann sie vom Boden und von diesem Steg. Hieraus folgt wenigstens, daſs ein unaufgelöster Stoff, der schwe- rer ist als Wasser, die Gährung veranlaſst; es wurde nun der Versuch im Kleinen unter dem Mikroskop wiederholt, um zu sehen, ob grade von den Pilzen die Röthung ausgeht; allein hier war die Farbe wegen ihrer Blässe nicht mehr zu unterscheiden, und wurde die Flüssigkeit intensiver gefärbt, so trat keine Gäh- rung ein. Es ist indessen wahrscheinlich, daſs sich ein Reagenz

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Zitationshilfe: Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwann_mikroskopische_1839/259>, abgerufen am 21.05.2024.