trennen und selbstständig weiter wachsen können, so können wir daraus schliessen, dass auch jeder der übri- gen Elementartheile, jede Zelle für sich schon die Kraft besitzt, neue Moleküle anzuziehn und zu wachsen, dass also jeder Elementartheil eine eigenthümliche Kraft, ein selbstständiges Leben besitzt, vermöge dessen er selbststän- dig sich zu entwickeln im Stande wäre, wenn ihm bloss die äussern Bedingungen dargeboten würden, unter welchen er im Organismus steht. Solche selbstständig, getrennt vom Organismus wachsende Zellen sind z. B. die Eier der Thiere. Bei den Eiern höherer Thiere kann man zwar sagen, nach der Befruchtung sei das Ei wesentlich ver- schieden von den übrigen Zellen des Organismus; durch die Befruchtung werde dem Ei etwas zugeführt, was mehr als eine äussere Lebensbedingung, mehr als ein Nahrungs- stoff für dasselbe sei, und vielleicht erhielten die Eier erst dadurch ihr eigenthümliches Leben, so dass man dar- aus nicht auf die übrigen Zellen schliessen könne. Allein bei den Gattungen, welche bloss weibliche Individuen zäh- len, fällt diess weg und ebenso bei den Sporen niederer Pflanzen. Ausserdem kann sich bei niederen Pflanzen jede beliebige Zelle von der Pflanze lostrennen und dann selbst- ständig weiter wachsen. Hier bestehn also ganze Pflanzen aus Zellen, deren selbstständiges Leben sich unmittelbar nachweisen lässt. Da nun alle Zellen nach denselben Ge- setzen wachsen, also nicht in einem Falle der Grund des Wachsthums in der Zelle selbst, im andern Falle im gan- zen Organismus liegen kann, da sich ferner nachweisen lässt, dass einzelne von den übrigen in der Art des Wachs- thums nicht verschiedene Zellen selbstständig sich entwik- keln, so müssen wir überhaupt den Zellen ein selbststän- diges Leben zuschreiben, d. h. die Kombinationen der Moleküle, wie sie in einer einzelnen Zelle vorhanden sind, reichen hin, die Kraft frei zu machen, durch welche die Zelle im Stande ist, neue Moleküle anzuziehen. Der Grund der Ernährung und des Wachsthums liegt nicht in dem Organismus als Ganzem, sondern in den einzelnen Elemen-
trennen und selbstständig weiter wachsen können, so können wir daraus schlieſsen, daſs auch jeder der übri- gen Elementartheile, jede Zelle für sich schon die Kraft besitzt, neue Moleküle anzuziehn und zu wachsen, daſs also jeder Elementartheil eine eigenthümliche Kraft, ein selbstständiges Leben besitzt, vermöge dessen er selbststän- dig sich zu entwickeln im Stande wäre, wenn ihm bloſs die äuſsern Bedingungen dargeboten würden, unter welchen er im Organismus steht. Solche selbstständig, getrennt vom Organismus wachsende Zellen sind z. B. die Eier der Thiere. Bei den Eiern höherer Thiere kann man zwar sagen, nach der Befruchtung sei das Ei wesentlich ver- schieden von den übrigen Zellen des Organismus; durch die Befruchtung werde dem Ei etwas zugeführt, was mehr als eine äuſsere Lebensbedingung, mehr als ein Nahrungs- stoff für dasselbe sei, und vielleicht erhielten die Eier erst dadurch ihr eigenthümliches Leben, so daſs man dar- aus nicht auf die übrigen Zellen schlieſsen könne. Allein bei den Gattungen, welche bloſs weibliche Individuen zäh- len, fällt dieſs weg und ebenso bei den Sporen niederer Pflanzen. Auſserdem kann sich bei niederen Pflanzen jede beliebige Zelle von der Pflanze lostrennen und dann selbst- ständig weiter wachsen. Hier bestehn also ganze Pflanzen aus Zellen, deren selbstständiges Leben sich unmittelbar nachweisen läſst. Da nun alle Zellen nach denselben Ge- setzen wachsen, also nicht in einem Falle der Grund des Wachsthums in der Zelle selbst, im andern Falle im gan- zen Organismus liegen kann, da sich ferner nachweisen läſst, daſs einzelne von den übrigen in der Art des Wachs- thums nicht verschiedene Zellen selbstständig sich entwik- keln, so müssen wir überhaupt den Zellen ein selbststän- diges Leben zuschreiben, d. h. die Kombinationen der Moleküle, wie sie in einer einzelnen Zelle vorhanden sind, reichen hin, die Kraft frei zu machen, durch welche die Zelle im Stande ist, neue Moleküle anzuziehen. Der Grund der Ernährung und des Wachsthums liegt nicht in dem Organismus als Ganzem, sondern in den einzelnen Elemen-
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trennen und selbstständig weiter wachsen können, so
können wir daraus schlieſsen, daſs auch jeder der übri-
gen Elementartheile, jede Zelle für sich schon die Kraft
besitzt, neue Moleküle anzuziehn und zu wachsen, daſs
also jeder Elementartheil eine eigenthümliche Kraft, ein
selbstständiges Leben besitzt, vermöge dessen er selbststän-
dig sich zu entwickeln im Stande wäre, wenn ihm bloſs
die äuſsern Bedingungen dargeboten würden, unter welchen
er im Organismus steht. Solche selbstständig, getrennt
vom Organismus wachsende Zellen sind z. B. die Eier der
Thiere. Bei den Eiern höherer Thiere kann man zwar
sagen, nach der Befruchtung sei das Ei wesentlich ver-
schieden von den übrigen Zellen des Organismus; durch
die Befruchtung werde dem Ei etwas zugeführt, was mehr
als eine äuſsere Lebensbedingung, mehr als ein Nahrungs-
stoff für dasselbe sei, und vielleicht erhielten die Eier
erst dadurch ihr eigenthümliches Leben, so daſs man dar-
aus nicht auf die übrigen Zellen schlieſsen könne. Allein
bei den Gattungen, welche bloſs weibliche Individuen zäh-
len, fällt dieſs weg und ebenso bei den Sporen niederer
Pflanzen. Auſserdem kann sich bei niederen Pflanzen jede
beliebige Zelle von der Pflanze lostrennen und dann selbst-
ständig weiter wachsen. Hier bestehn also ganze Pflanzen
aus Zellen, deren selbstständiges Leben sich unmittelbar
nachweisen läſst. Da nun alle Zellen nach denselben Ge-
setzen wachsen, also nicht in einem Falle der Grund des
Wachsthums in der Zelle selbst, im andern Falle im gan-
zen Organismus liegen kann, da sich ferner nachweisen
läſst, daſs einzelne von den übrigen in der Art des Wachs-
thums nicht verschiedene Zellen selbstständig sich entwik-
keln, so müssen wir überhaupt den Zellen ein selbststän-
diges Leben zuschreiben, d. h. die Kombinationen der
Moleküle, wie sie in einer einzelnen Zelle vorhanden sind,
reichen hin, die Kraft frei zu machen, durch welche die
Zelle im Stande ist, neue Moleküle anzuziehen. Der Grund
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Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwann_mikroskopische_1839/252>, abgerufen am 24.11.2024.
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