Ihre Beantwortung ist in beiden Fällen für den Beweis der Entstehung der Nerven und Muskeln aus Zellen nicht wesent- lich, aber um so wichtiger für die Deutung der Struktur eines ausgebildeten Nerven. So viel die wenigen Beobachtun- gen, die ich darüber angestellt habe, einen Schluss erlau- ben, scheint mir die letzte Ansicht, nämlich dass die weisse Substanz eine sekundäre Ablagerung auf der innern Fläche der Zellenmembran ist, die wahrscheinlichste. Die weisse Substanz jedes Nerven ist nämlich aussen mit einer struk- turlosen, fein granulirt aussehenden, eigenthümlichen Haut umgeben. Diese erscheint als ein schmaler, heller Saum, welcher sich deutlich von den dunkeln Konturen der wei- ssen Substanz unterscheidet. Es scheint, dass man diese Membran mit zum Neurilem oder zu dem Zellgewebe ge- rechnet hat, womit die Nervenfaser umgeben ist, und, ob- gleich diese Membran bei Froschnerven meist sehr scharf nach aussen begrenzt ist, so würde man bei Säugethieren an ganzen Nervenfasern schwerlich zu einer andern Ueber- zeugung kommen, wenn man nicht Gelegenheit hätte, die Membran isolirt zu sehen. Tab. IV. Fig. 9 a stellt ein sol- ches Präparat dar vom N. vagus in der Schädelhöhle ei- nes Kalbes. Hier ist durch die Präparation die Kontinui- tät der weissen Substanz des Nerven an einer Stelle ge- trennt. Man unterscheidet aber da, wo sie noch vorhan- den ist, deutlich die doppelten Konturen, also die Dicke der weissen Substanz. Der Nerv ist aber auch da, wo die weisse Substanz entfernt ist, scharf nach aussen begrenzt, obgleich nur mit blassen Konturen, und diese blasse Kon- tur geht nicht in die äussere dunkle Kontur der weissen Substanz über, sondern setzt sich als ein schmaler Saum aussen, parallel den beiden Konturen der weissen Substanz fort. Also ist die weisse Substanz der Nerven aussen mit einer dünnen, blassen Membran umgeben, die nach aussen scharf begrenzt ist. Wenn die Membran sehr dünn ist, so lässt sie sich nicht als blasser Saum um die Nervenfaser erkennen; man sieht sie aber doch deut- lich an Stellen, wo die weisse Substanz zerstört ist: siehe
Ihre Beantwortung ist in beiden Fällen für den Beweis der Entstehung der Nerven und Muskeln aus Zellen nicht wesent- lich, aber um so wichtiger für die Deutung der Struktur eines ausgebildeten Nerven. So viel die wenigen Beobachtun- gen, die ich darüber angestellt habe, einen Schluſs erlau- ben, scheint mir die letzte Ansicht, nämlich daſs die weiſse Substanz eine sekundäre Ablagerung auf der innern Fläche der Zellenmembran ist, die wahrscheinlichste. Die weiſse Substanz jedes Nerven ist nämlich auſsen mit einer struk- turlosen, fein granulirt aussehenden, eigenthümlichen Haut umgeben. Diese erscheint als ein schmaler, heller Saum, welcher sich deutlich von den dunkeln Konturen der wei- ſsen Substanz unterscheidet. Es scheint, daſs man diese Membran mit zum Neurilem oder zu dem Zellgewebe ge- rechnet hat, womit die Nervenfaser umgeben ist, und, ob- gleich diese Membran bei Froschnerven meist sehr scharf nach auſsen begrenzt ist, so würde man bei Säugethieren an ganzen Nervenfasern schwerlich zu einer andern Ueber- zeugung kommen, wenn man nicht Gelegenheit hätte, die Membran isolirt zu sehen. Tab. IV. Fig. 9 a stellt ein sol- ches Präparat dar vom N. vagus in der Schädelhöhle ei- nes Kalbes. Hier ist durch die Präparation die Kontinui- tät der weiſsen Substanz des Nerven an einer Stelle ge- trennt. Man unterscheidet aber da, wo sie noch vorhan- den ist, deutlich die doppelten Konturen, also die Dicke der weiſsen Substanz. Der Nerv ist aber auch da, wo die weiſse Substanz entfernt ist, scharf nach auſsen begrenzt, obgleich nur mit blassen Konturen, und diese blasse Kon- tur geht nicht in die äuſsere dunkle Kontur der weiſsen Substanz über, sondern setzt sich als ein schmaler Saum auſsen, parallel den beiden Konturen der weiſsen Substanz fort. Also ist die weiſse Substanz der Nerven auſsen mit einer dünnen, blassen Membran umgeben, die nach auſsen scharf begrenzt ist. Wenn die Membran sehr dünn ist, so läſst sie sich nicht als blasser Saum um die Nervenfaser erkennen; man sieht sie aber doch deut- lich an Stellen, wo die weiſse Substanz zerstört ist: siehe
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Ihre Beantwortung ist in beiden Fällen für den Beweis der
Entstehung der Nerven und Muskeln aus Zellen nicht wesent-
lich, aber um so wichtiger für die Deutung der Struktur eines
ausgebildeten Nerven. So viel die wenigen Beobachtun-
gen, die ich darüber angestellt habe, einen Schluſs erlau-
ben, scheint mir die letzte Ansicht, nämlich daſs die weiſse
Substanz eine sekundäre Ablagerung auf der innern Fläche
der Zellenmembran ist, die wahrscheinlichste. Die weiſse
Substanz jedes Nerven ist nämlich auſsen mit einer struk-
turlosen, fein granulirt aussehenden, eigenthümlichen Haut
umgeben. Diese erscheint als ein schmaler, heller Saum,
welcher sich deutlich von den dunkeln Konturen der wei-
ſsen Substanz unterscheidet. Es scheint, daſs man diese
Membran mit zum Neurilem oder zu dem Zellgewebe ge-
rechnet hat, womit die Nervenfaser umgeben ist, und, ob-
gleich diese Membran bei Froschnerven meist sehr scharf nach
auſsen begrenzt ist, so würde man bei Säugethieren an
ganzen Nervenfasern schwerlich zu einer andern Ueber-
zeugung kommen, wenn man nicht Gelegenheit hätte, die
Membran isolirt zu sehen. Tab. IV. Fig. 9 a stellt ein sol-
ches Präparat dar vom N. vagus in der Schädelhöhle ei-
nes Kalbes. Hier ist durch die Präparation die Kontinui-
tät der weiſsen Substanz des Nerven an einer Stelle ge-
trennt. Man unterscheidet aber da, wo sie noch vorhan-
den ist, deutlich die doppelten Konturen, also die Dicke
der weiſsen Substanz. Der Nerv ist aber auch da, wo die
weiſse Substanz entfernt ist, scharf nach auſsen begrenzt,
obgleich nur mit blassen Konturen, und diese blasse Kon-
tur geht nicht in die äuſsere dunkle Kontur der weiſsen
Substanz über, sondern setzt sich als ein schmaler Saum
auſsen, parallel den beiden Konturen der weiſsen Substanz
fort. Also ist die weiſse Substanz der Nerven auſsen mit
einer dünnen, blassen Membran umgeben, die nach auſsen
scharf begrenzt ist. Wenn die Membran sehr dünn
ist, so läſst sie sich nicht als blasser Saum um die
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Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwann_mikroskopische_1839/198>, abgerufen am 22.11.2024.
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