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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840.

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Königin ist durch eigene Hand gefallen, nur Messapus
und Atinas halten das Treffen noch an den Thoren auf."
Turnus hielt die Rosse wieder an und starrte, zwischen
Schaam, Kummer, und rasende Liebe getheilt, in die
Weite mit den irren Blicken hinaus. Endlich rollten
seine Augen wieder in ihren Kreisen und seine Blicke fielen
auf die Latinerstadt. Siehe, dort wallte von Stockwerk zu
Stockwerk des höchsten hölzernen Mauerthurmes die Feuer¬
säule des Brandes empor, jenes Thurmes, den er selbst
aus riesigen Balken gezimmert, auf Räder gesetzt
und durch mächtige Zugbrücken mit der Stadt verbunden
hatte. "Jetzt, Schwester," rief er, "jetzt besiegt uns das
Glück; halte mich nicht länger auf; laß uns folgen,
wohin das strenge Geschick mich ruft! Ich bin ent¬
schlossen mit Aeneas zu kämpfen; mag kommen, was da
will, ruhmlos sollst du mich nicht sehen!"

So sprach er, sprang vom Wagen auf die Erde,
stürzte durch die Lanzen der Feinde dahin und durch¬
brach, die trauernde Schwester zurücklassend, die
Schaaren der Trojaner. Wie ein Felsblock, vom Gipfel
des Gebirges losgerissen, in die Tiefe hinabrollt, vom
Boden emporhüpft, Wälder, Heerden und Männer im
Sturze mit sich fortreißt: so stürmte Turnus durch die
zersprengten Reitergeschwader heran zu den Stadtmauern,
wo der Kampf am dichtesten war, winkte mit der Hand
und begann laut zu rufen: "Hört auf zu kämpfen, Ru¬
tuler! Hemmt eure Geschoße, ihr Latiner! Mir allein
gebührt sich, mit den Waffen über das Bündniß zu ent¬
scheiden!" Als die Streitenden dieses hörten, entstand
eine Gasse, und Aeneas, der den Ruf des Turnus ver¬
nommen hatte, verließ die Höhen, brach jedes andere

Schwab, das klass. Alterthum. III. 28

Königin iſt durch eigene Hand gefallen, nur Meſſapus
und Atinas halten das Treffen noch an den Thoren auf.“
Turnus hielt die Roſſe wieder an und ſtarrte, zwiſchen
Schaam, Kummer, und raſende Liebe getheilt, in die
Weite mit den irren Blicken hinaus. Endlich rollten
ſeine Augen wieder in ihren Kreiſen und ſeine Blicke fielen
auf die Latinerſtadt. Siehe, dort wallte von Stockwerk zu
Stockwerk des höchſten hölzernen Mauerthurmes die Feuer¬
ſäule des Brandes empor, jenes Thurmes, den er ſelbſt
aus rieſigen Balken gezimmert, auf Räder geſetzt
und durch mächtige Zugbrücken mit der Stadt verbunden
hatte. „Jetzt, Schweſter,“ rief er, „jetzt beſiegt uns das
Glück; halte mich nicht länger auf; laß uns folgen,
wohin das ſtrenge Geſchick mich ruft! Ich bin ent¬
ſchloſſen mit Aeneas zu kämpfen; mag kommen, was da
will, ruhmlos ſollſt du mich nicht ſehen!“

So ſprach er, ſprang vom Wagen auf die Erde,
ſtürzte durch die Lanzen der Feinde dahin und durch¬
brach, die trauernde Schweſter zurücklaſſend, die
Schaaren der Trojaner. Wie ein Felsblock, vom Gipfel
des Gebirges losgeriſſen, in die Tiefe hinabrollt, vom
Boden emporhüpft, Wälder, Heerden und Männer im
Sturze mit ſich fortreißt: ſo ſtürmte Turnus durch die
zerſprengten Reitergeſchwader heran zu den Stadtmauern,
wo der Kampf am dichteſten war, winkte mit der Hand
und begann laut zu rufen: „Hört auf zu kämpfen, Ru¬
tuler! Hemmt eure Geſchoße, ihr Latiner! Mir allein
gebührt ſich, mit den Waffen über das Bündniß zu ent¬
ſcheiden!“ Als die Streitenden dieſes hörten, entſtand
eine Gaſſe, und Aeneas, der den Ruf des Turnus ver¬
nommen hatte, verließ die Höhen, brach jedes andere

Schwab, das klaſſ. Alterthum. III. 28
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[433/0455] Königin iſt durch eigene Hand gefallen, nur Meſſapus und Atinas halten das Treffen noch an den Thoren auf.“ Turnus hielt die Roſſe wieder an und ſtarrte, zwiſchen Schaam, Kummer, und raſende Liebe getheilt, in die Weite mit den irren Blicken hinaus. Endlich rollten ſeine Augen wieder in ihren Kreiſen und ſeine Blicke fielen auf die Latinerſtadt. Siehe, dort wallte von Stockwerk zu Stockwerk des höchſten hölzernen Mauerthurmes die Feuer¬ ſäule des Brandes empor, jenes Thurmes, den er ſelbſt aus rieſigen Balken gezimmert, auf Räder geſetzt und durch mächtige Zugbrücken mit der Stadt verbunden hatte. „Jetzt, Schweſter,“ rief er, „jetzt beſiegt uns das Glück; halte mich nicht länger auf; laß uns folgen, wohin das ſtrenge Geſchick mich ruft! Ich bin ent¬ ſchloſſen mit Aeneas zu kämpfen; mag kommen, was da will, ruhmlos ſollſt du mich nicht ſehen!“ So ſprach er, ſprang vom Wagen auf die Erde, ſtürzte durch die Lanzen der Feinde dahin und durch¬ brach, die trauernde Schweſter zurücklaſſend, die Schaaren der Trojaner. Wie ein Felsblock, vom Gipfel des Gebirges losgeriſſen, in die Tiefe hinabrollt, vom Boden emporhüpft, Wälder, Heerden und Männer im Sturze mit ſich fortreißt: ſo ſtürmte Turnus durch die zerſprengten Reitergeſchwader heran zu den Stadtmauern, wo der Kampf am dichteſten war, winkte mit der Hand und begann laut zu rufen: „Hört auf zu kämpfen, Ru¬ tuler! Hemmt eure Geſchoße, ihr Latiner! Mir allein gebührt ſich, mit den Waffen über das Bündniß zu ent¬ ſcheiden!“ Als die Streitenden dieſes hörten, entſtand eine Gaſſe, und Aeneas, der den Ruf des Turnus ver¬ nommen hatte, verließ die Höhen, brach jedes andere Schwab, das klaſſ. Alterthum. III. 28

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/455>, abgerufen am 22.11.2024.