Aber auch auf der Gegenseite erhob sich ein gewal¬ tiger Held, der Etruskerkönig Tarcho. Dieser trieb bald zu Rosse weichende Schaaren vor sich her, belobte die Seinigen mit ermunterndem Zurufe, nannte jeden mit Namen, frischte die Zurückgedrängten zu neuem Kampfe auf, und trieb unbekümmert um den Tod sein Roß mitten in die Schlacht hinein. Hier stieß er auf den Venulus, dem er sich stürmisch entgegenwarf, ihn vom Pferde riß und mit der rechten Hand umschlingend auf seinem eigenen Rosse im Flug davon trug.
Mit Blicken und Geschrei folgten die staunenden Latiner dem Eilenden, der im Laufe seinem Feind mit dem abgebrochenen Schafte seiner eigenen Lanze zwischen die Fugen der Rüstung eine Todeswunde zn versetzen strebte. Venulus aber erwehrte sich des Streichs und hielt die Hand vor die Kehle. So war das Paar an¬ zuschauen wie ein Adler, der eine geraubte Schlange durch die Luft entführt; das blutende Thier ringelt sich, bäumt sich immer höher und zischt mit dem Munde; der Vogel aber läßt es nicht aus dem krummen Schnabel fahren und peitscht die Lüfte mit seinen Flügeln. Dem Glück und Beispiel ihres Führers folgten die Etrusker, und stürmten wieder muthiger voran.
Auch Kamilla fand einen kühnen Gegner in den Reihen der Etrusker. Der Held Arruns schwärmte mit seinem Speer um die rasche Amazone her, und wich ihr nicht von der Seite, nach welcher Stelle des Treffens die Wuth sie auch führen mochte. Nun verfolgte Kamil¬ la gerade den phrygischen Cypele'spriester Chloreus, dessen schuppiger Erzpanzer mit goldenem Geflechte wie ein ge¬ fiedertes Gewand sich um seinen Leib legte, und den ein
Schwab, das klass. Alterthum. III. 27
Aber auch auf der Gegenſeite erhob ſich ein gewal¬ tiger Held, der Etruskerkönig Tarcho. Dieſer trieb bald zu Roſſe weichende Schaaren vor ſich her, belobte die Seinigen mit ermunterndem Zurufe, nannte jeden mit Namen, friſchte die Zurückgedrängten zu neuem Kampfe auf, und trieb unbekümmert um den Tod ſein Roß mitten in die Schlacht hinein. Hier ſtieß er auf den Venulus, dem er ſich ſtürmiſch entgegenwarf, ihn vom Pferde riß und mit der rechten Hand umſchlingend auf ſeinem eigenen Roſſe im Flug davon trug.
Mit Blicken und Geſchrei folgten die ſtaunenden Latiner dem Eilenden, der im Laufe ſeinem Feind mit dem abgebrochenen Schafte ſeiner eigenen Lanze zwiſchen die Fugen der Rüſtung eine Todeswunde zn verſetzen ſtrebte. Venulus aber erwehrte ſich des Streichs und hielt die Hand vor die Kehle. So war das Paar an¬ zuſchauen wie ein Adler, der eine geraubte Schlange durch die Luft entführt; das blutende Thier ringelt ſich, bäumt ſich immer höher und ziſcht mit dem Munde; der Vogel aber läßt es nicht aus dem krummen Schnabel fahren und peitſcht die Lüfte mit ſeinen Flügeln. Dem Glück und Beiſpiel ihres Führers folgten die Etrusker, und ſtürmten wieder muthiger voran.
Auch Kamilla fand einen kühnen Gegner in den Reihen der Etrusker. Der Held Arruns ſchwärmte mit ſeinem Speer um die raſche Amazone her, und wich ihr nicht von der Seite, nach welcher Stelle des Treffens die Wuth ſie auch führen mochte. Nun verfolgte Kamil¬ la gerade den phrygiſchen Cypele'sprieſter Chloreus, deſſen ſchuppiger Erzpanzer mit goldenem Geflechte wie ein ge¬ fiedertes Gewand ſich um ſeinen Leib legte, und den ein
Schwab, das klaſſ. Alterthum. III. 27
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0439"n="417"/><p>Aber auch auf der Gegenſeite erhob ſich ein gewal¬<lb/>
tiger Held, der Etruskerkönig Tarcho. Dieſer trieb<lb/>
bald zu Roſſe weichende Schaaren vor ſich her, belobte<lb/>
die Seinigen mit ermunterndem Zurufe, nannte jeden<lb/>
mit Namen, friſchte die Zurückgedrängten zu neuem<lb/>
Kampfe auf, und trieb unbekümmert um den Tod ſein<lb/>
Roß mitten in die Schlacht hinein. Hier ſtieß er auf<lb/>
den Venulus, dem er ſich ſtürmiſch entgegenwarf, ihn<lb/>
vom Pferde riß und mit der rechten Hand umſchlingend<lb/>
auf ſeinem eigenen Roſſe im Flug davon trug.</p><lb/><p>Mit Blicken und Geſchrei folgten die ſtaunenden<lb/>
Latiner dem Eilenden, der im Laufe ſeinem Feind mit<lb/>
dem abgebrochenen Schafte ſeiner eigenen Lanze zwiſchen<lb/>
die Fugen der Rüſtung eine Todeswunde zn verſetzen<lb/>ſtrebte. Venulus aber erwehrte ſich des Streichs und<lb/>
hielt die Hand vor die Kehle. So war das Paar an¬<lb/>
zuſchauen wie ein Adler, der eine geraubte Schlange<lb/>
durch die Luft entführt; das blutende Thier ringelt ſich,<lb/>
bäumt ſich immer höher und ziſcht mit dem Munde; der<lb/>
Vogel aber läßt es nicht aus dem krummen Schnabel<lb/>
fahren und peitſcht die Lüfte mit ſeinen Flügeln. Dem<lb/>
Glück und Beiſpiel ihres Führers folgten die Etrusker,<lb/>
und ſtürmten wieder muthiger voran.</p><lb/><p>Auch Kamilla fand einen kühnen Gegner in den<lb/>
Reihen der Etrusker. Der Held Arruns ſchwärmte<lb/>
mit ſeinem Speer um die raſche Amazone her, und wich<lb/>
ihr nicht von der Seite, nach welcher Stelle des Treffens<lb/>
die Wuth ſie auch führen mochte. Nun verfolgte Kamil¬<lb/>
la gerade den phrygiſchen Cypele'sprieſter Chloreus, deſſen<lb/>ſchuppiger Erzpanzer mit goldenem Geflechte wie ein ge¬<lb/>
fiedertes Gewand ſich um ſeinen Leib legte, und den ein<lb/><fwtype="sig"place="bottom">Schwab, das klaſſ. Alterthum. <hirendition="#aq">III</hi>. 27<lb/></fw></p></div></div></div></body></text></TEI>
[417/0439]
Aber auch auf der Gegenſeite erhob ſich ein gewal¬
tiger Held, der Etruskerkönig Tarcho. Dieſer trieb
bald zu Roſſe weichende Schaaren vor ſich her, belobte
die Seinigen mit ermunterndem Zurufe, nannte jeden
mit Namen, friſchte die Zurückgedrängten zu neuem
Kampfe auf, und trieb unbekümmert um den Tod ſein
Roß mitten in die Schlacht hinein. Hier ſtieß er auf
den Venulus, dem er ſich ſtürmiſch entgegenwarf, ihn
vom Pferde riß und mit der rechten Hand umſchlingend
auf ſeinem eigenen Roſſe im Flug davon trug.
Mit Blicken und Geſchrei folgten die ſtaunenden
Latiner dem Eilenden, der im Laufe ſeinem Feind mit
dem abgebrochenen Schafte ſeiner eigenen Lanze zwiſchen
die Fugen der Rüſtung eine Todeswunde zn verſetzen
ſtrebte. Venulus aber erwehrte ſich des Streichs und
hielt die Hand vor die Kehle. So war das Paar an¬
zuſchauen wie ein Adler, der eine geraubte Schlange
durch die Luft entführt; das blutende Thier ringelt ſich,
bäumt ſich immer höher und ziſcht mit dem Munde; der
Vogel aber läßt es nicht aus dem krummen Schnabel
fahren und peitſcht die Lüfte mit ſeinen Flügeln. Dem
Glück und Beiſpiel ihres Führers folgten die Etrusker,
und ſtürmten wieder muthiger voran.
Auch Kamilla fand einen kühnen Gegner in den
Reihen der Etrusker. Der Held Arruns ſchwärmte
mit ſeinem Speer um die raſche Amazone her, und wich
ihr nicht von der Seite, nach welcher Stelle des Treffens
die Wuth ſie auch führen mochte. Nun verfolgte Kamil¬
la gerade den phrygiſchen Cypele'sprieſter Chloreus, deſſen
ſchuppiger Erzpanzer mit goldenem Geflechte wie ein ge¬
fiedertes Gewand ſich um ſeinen Leib legte, und den ein
Schwab, das klaſſ. Alterthum. III. 27
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/439>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.