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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840.

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Ahorn, über dem ein zottiges Löwenfell gebreitet war.
Der Priester des Altares und auserlesene Jünglinge
brachten geröstete Stücke der Stiere herbei, häuften das
Brod in Körben auf, und reichten in die Wette Wein
herum.

Den reichlichen Schmaus würzte der König Evan¬
der mit einer schönen Erzählung von der Veranlassung
dieses Opfers, indem er mit den Fingern seinen Gästen
eine Felsenkluft wies, in welcher der gräßliche Halb¬
mensch Kakus, der Sohn des Vulkanus, gehaust, der
dem Herkules die erbeutete Rinderheerde des Riesen Ge¬
riones stahl, und von Herkules bezwungen wurde.
Für den Sieg über dieses Unthier brachten die dankba¬
ren Arkadier noch immer dem Herkules, als Schutzgotte
der Gegend, ein Jahresopfer dar.

Ueber dieser Erzählung war der Abend herange¬
rückt, und nach vollendetem Opfer begaben sich Alle in
die Stadt. Diese war nur klein, wer hätte ahnen
können, daß einst die Weltstadt Rom an ihrer Stelle
stehen sollte? die Arkadier waren ein ländliches Hirten¬
volk, und hatten aus ihrer Heimath keine Schätze mit¬
gebracht. Aber Muth und nervige Arme konnten sie den
Trojanern zum Beistand anbieten. Deßwegen gefiel es
dem Aeneas doch in dem Hause Evanders, das mehr
einer Hütte denn einem Palaste glich, und er sank auf
einem weichen Blätterlager, über welche das zottige Fell
eines Bären gebreitet war, in sanften Schlummer.


Ahorn, über dem ein zottiges Löwenfell gebreitet war.
Der Prieſter des Altares und auserleſene Jünglinge
brachten geröſtete Stücke der Stiere herbei, häuften das
Brod in Körben auf, und reichten in die Wette Wein
herum.

Den reichlichen Schmaus würzte der König Evan¬
der mit einer ſchönen Erzählung von der Veranlaſſung
dieſes Opfers, indem er mit den Fingern ſeinen Gäſten
eine Felſenkluft wies, in welcher der gräßliche Halb¬
menſch Kakus, der Sohn des Vulkanus, gehaust, der
dem Herkules die erbeutete Rinderheerde des Rieſen Ge¬
riones ſtahl, und von Herkules bezwungen wurde.
Für den Sieg über dieſes Unthier brachten die dankba¬
ren Arkadier noch immer dem Herkules, als Schutzgotte
der Gegend, ein Jahresopfer dar.

Ueber dieſer Erzählung war der Abend herange¬
rückt, und nach vollendetem Opfer begaben ſich Alle in
die Stadt. Dieſe war nur klein, wer hätte ahnen
können, daß einſt die Weltſtadt Rom an ihrer Stelle
ſtehen ſollte? die Arkadier waren ein ländliches Hirten¬
volk, und hatten aus ihrer Heimath keine Schätze mit¬
gebracht. Aber Muth und nervige Arme konnten ſie den
Trojanern zum Beiſtand anbieten. Deßwegen gefiel es
dem Aeneas doch in dem Hauſe Evanders, das mehr
einer Hütte denn einem Palaſte glich, und er ſank auf
einem weichen Blätterlager, über welche das zottige Fell
eines Bären gebreitet war, in ſanften Schlummer.


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[366/0388] Ahorn, über dem ein zottiges Löwenfell gebreitet war. Der Prieſter des Altares und auserleſene Jünglinge brachten geröſtete Stücke der Stiere herbei, häuften das Brod in Körben auf, und reichten in die Wette Wein herum. Den reichlichen Schmaus würzte der König Evan¬ der mit einer ſchönen Erzählung von der Veranlaſſung dieſes Opfers, indem er mit den Fingern ſeinen Gäſten eine Felſenkluft wies, in welcher der gräßliche Halb¬ menſch Kakus, der Sohn des Vulkanus, gehaust, der dem Herkules die erbeutete Rinderheerde des Rieſen Ge¬ riones ſtahl, und von Herkules bezwungen wurde. Für den Sieg über dieſes Unthier brachten die dankba¬ ren Arkadier noch immer dem Herkules, als Schutzgotte der Gegend, ein Jahresopfer dar. Ueber dieſer Erzählung war der Abend herange¬ rückt, und nach vollendetem Opfer begaben ſich Alle in die Stadt. Dieſe war nur klein, wer hätte ahnen können, daß einſt die Weltſtadt Rom an ihrer Stelle ſtehen ſollte? die Arkadier waren ein ländliches Hirten¬ volk, und hatten aus ihrer Heimath keine Schätze mit¬ gebracht. Aber Muth und nervige Arme konnten ſie den Trojanern zum Beiſtand anbieten. Deßwegen gefiel es dem Aeneas doch in dem Hauſe Evanders, das mehr einer Hütte denn einem Palaſte glich, und er ſank auf einem weichen Blätterlager, über welche das zottige Fell eines Bären gebreitet war, in ſanften Schlummer.

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/388>, abgerufen am 22.11.2024.