gewaltsam in die Seele zurückdrängen. Indessen schlach¬ teten und brieten die Genossen das Wildpret, und lab¬ ten sich an Schmaus und Wein, über die verlorenen Genossen zwischen Furcht und Hoffnung getheilt sich unterhaltend.
Venus von Jupiter mit Rom getröstet. Sie erscheint ihrem Sohne.
Auf der Zinne des Olymp stand Jupiter der Göt¬ tervater und heftete die Blicke, die über Meer und Land und Völker geflogen waren, endlich auf die afrikanische Küste, in das libysche Reich der Königin Dido, wo eben Aeneas gelandet hatte. Zu dem Sinnenden trat seine Tochter Venus, in ihren glänzenden Augen schwam¬ men Thränen, und sie sprach traurig: "Was hat dir mein Aeneas gethan, allmächtiger Beherscher der Men¬ schen und der Götter, daß ihm, nachdem er schon so viel Unheil erduldet hat, der ganze Erdkreis um Italiens willen verschlossen wird? Hast du nicht selbst mir ver¬ heißen, daß dorther aus dem erneuerten Blute des trojanischen Stammvaters im Laufe der Jahre dereinst das Römervolk kommen und die Herrschaft über Land und Meer erhalten sollte? Nur diese Verheißung söhnte mich mit dem Falle Troja's aus; was hat deinen Sinn so auf einmal verwandelt?"
Der Vater lächelte die Göttin huldvoll an, herzte sie mit einem Kuß, und sprach mit dem Blicke, mit welchem er die Wolken vom Himmel verscheucht: "Sey getrost,
gewaltſam in die Seele zurückdrängen. Indeſſen ſchlach¬ teten und brieten die Genoſſen das Wildpret, und lab¬ ten ſich an Schmaus und Wein, über die verlorenen Genoſſen zwiſchen Furcht und Hoffnung getheilt ſich unterhaltend.
Venus von Jupiter mit Rom getröſtet. Sie erſcheint ihrem Sohne.
Auf der Zinne des Olymp ſtand Jupiter der Göt¬ tervater und heftete die Blicke, die über Meer und Land und Völker geflogen waren, endlich auf die afrikaniſche Küſte, in das libyſche Reich der Königin Dido, wo eben Aeneas gelandet hatte. Zu dem Sinnenden trat ſeine Tochter Venus, in ihren glänzenden Augen ſchwam¬ men Thränen, und ſie ſprach traurig: „Was hat dir mein Aeneas gethan, allmächtiger Beherſcher der Men¬ ſchen und der Götter, daß ihm, nachdem er ſchon ſo viel Unheil erduldet hat, der ganze Erdkreis um Italiens willen verſchloſſen wird? Haſt du nicht ſelbſt mir ver¬ heißen, daß dorther aus dem erneuerten Blute des trojaniſchen Stammvaters im Laufe der Jahre dereinſt das Römervolk kommen und die Herrſchaft über Land und Meer erhalten ſollte? Nur dieſe Verheißung ſöhnte mich mit dem Falle Troja's aus; was hat deinen Sinn ſo auf einmal verwandelt?“
Der Vater lächelte die Göttin huldvoll an, herzte ſie mit einem Kuß, und ſprach mit dem Blicke, mit welchem er die Wolken vom Himmel verſcheucht: „Sey getroſt,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0338"n="316"/>
gewaltſam in die Seele zurückdrängen. Indeſſen ſchlach¬<lb/>
teten und brieten die Genoſſen das Wildpret, und lab¬<lb/>
ten ſich an Schmaus und Wein, über die verlorenen<lb/>
Genoſſen zwiſchen Furcht und Hoffnung getheilt ſich<lb/>
unterhaltend.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div><divn="3"><head><hirendition="#b">Venus von Jupiter mit Rom getröſtet. Sie erſcheint<lb/>
ihrem Sohne.</hi><lb/></head><p>Auf der Zinne des Olymp ſtand Jupiter der Göt¬<lb/>
tervater und heftete die Blicke, die über Meer und Land<lb/>
und Völker geflogen waren, endlich auf die afrikaniſche<lb/>
Küſte, in das libyſche Reich der Königin Dido, wo<lb/>
eben Aeneas gelandet hatte. Zu dem Sinnenden trat<lb/>ſeine Tochter Venus, in ihren glänzenden Augen ſchwam¬<lb/>
men Thränen, und ſie ſprach traurig: „Was hat dir<lb/>
mein Aeneas gethan, allmächtiger Beherſcher der Men¬<lb/>ſchen und der Götter, daß ihm, nachdem er ſchon ſo<lb/>
viel Unheil erduldet hat, der ganze Erdkreis um Italiens<lb/>
willen verſchloſſen wird? Haſt du nicht ſelbſt mir ver¬<lb/>
heißen, daß dorther aus dem erneuerten Blute des<lb/>
trojaniſchen Stammvaters im Laufe der Jahre dereinſt<lb/>
das Römervolk kommen und die Herrſchaft über Land<lb/>
und Meer erhalten ſollte? Nur dieſe Verheißung ſöhnte<lb/>
mich mit dem Falle Troja's aus; was hat deinen Sinn<lb/>ſo auf einmal verwandelt?“</p><lb/><p>Der Vater lächelte die Göttin huldvoll an, herzte ſie<lb/>
mit einem Kuß, und ſprach mit dem Blicke, mit welchem<lb/>
er die Wolken vom Himmel verſcheucht: „Sey getroſt,<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[316/0338]
gewaltſam in die Seele zurückdrängen. Indeſſen ſchlach¬
teten und brieten die Genoſſen das Wildpret, und lab¬
ten ſich an Schmaus und Wein, über die verlorenen
Genoſſen zwiſchen Furcht und Hoffnung getheilt ſich
unterhaltend.
Venus von Jupiter mit Rom getröſtet. Sie erſcheint
ihrem Sohne.
Auf der Zinne des Olymp ſtand Jupiter der Göt¬
tervater und heftete die Blicke, die über Meer und Land
und Völker geflogen waren, endlich auf die afrikaniſche
Küſte, in das libyſche Reich der Königin Dido, wo
eben Aeneas gelandet hatte. Zu dem Sinnenden trat
ſeine Tochter Venus, in ihren glänzenden Augen ſchwam¬
men Thränen, und ſie ſprach traurig: „Was hat dir
mein Aeneas gethan, allmächtiger Beherſcher der Men¬
ſchen und der Götter, daß ihm, nachdem er ſchon ſo
viel Unheil erduldet hat, der ganze Erdkreis um Italiens
willen verſchloſſen wird? Haſt du nicht ſelbſt mir ver¬
heißen, daß dorther aus dem erneuerten Blute des
trojaniſchen Stammvaters im Laufe der Jahre dereinſt
das Römervolk kommen und die Herrſchaft über Land
und Meer erhalten ſollte? Nur dieſe Verheißung ſöhnte
mich mit dem Falle Troja's aus; was hat deinen Sinn
ſo auf einmal verwandelt?“
Der Vater lächelte die Göttin huldvoll an, herzte ſie
mit einem Kuß, und ſprach mit dem Blicke, mit welchem
er die Wolken vom Himmel verſcheucht: „Sey getroſt,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/338>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.