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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840.

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werden. Und dieß geschah auch: der Morgen dämmerte
kaum, als ich Scylla's spitzen Säulenfels gewahr wurde
und die gräßliche aus- und einsprudelnde Charybdis ge¬
genüber erblickte. Diese verschlang, als ich bei ihr an¬
gekommen war, augenblicklich mit ihrem Strudel den Mast;
ich selbst ergriff die Aeste eines von ihrem Fels überhan¬
genden Feigenbaums, schmiegte mich daran und hing da
in der freien Luft, wie eine Fledermaus. So schwebte
ich über der Charybdis bodenlos, bis Mast und Kiel
aus ihrem Schlunde wieder hervorsprudelten. Diesen
Augenblick ersah ich, war mit einem Sprung wieder auf
meinem alten Sitz und ruderte nun auf dem schmalen
Kiele mit den Händen auf dem Wirbel fort. Dennoch
wäre ich verloren gewesen, wenn Jupiters Gnade meine
Balken nicht von dem Fels der Scylla abgelenkt, und glück¬
lich aus dem durchwogten Felsenschlunde herausgeleitet hätte.
Neun Tage trieb ich nun noch auf der See umher;
in der zehnten Nacht brachten mich gnädige Götter end¬
lich auf Kalypso's Insel, Ogygia. Diese hehre Göttin
pflegte und erquickte mich . . . . doch warum will ich euch
davon erzählen? Habe ich doch schon gestern, dir, edler König,
und deiner Gemahlin dieß mein letztes Abenteuer berichtet!"


Odysseus verabschiedet sich von den Phäaken.

Odysseus schwieg und ruhte von seiner langen Er¬
zählung aus. Die Phäaken, die mit Entzücken zugehört,
waren Alle noch in seine Rede versunken und schwiegen
auch. Endlich brach Alcinous das Stillschweigen und
sprach: "Heil dir, edelster der Gäste, den mein Königs¬
haus jemals aufgenommen hat! da du in meiner

werden. Und dieß geſchah auch: der Morgen dämmerte
kaum, als ich Scylla's ſpitzen Säulenfels gewahr wurde
und die gräßliche aus- und einſprudelnde Charybdis ge¬
genüber erblickte. Dieſe verſchlang, als ich bei ihr an¬
gekommen war, augenblicklich mit ihrem Strudel den Maſt;
ich ſelbſt ergriff die Aeſte eines von ihrem Fels überhan¬
genden Feigenbaums, ſchmiegte mich daran und hing da
in der freien Luft, wie eine Fledermaus. So ſchwebte
ich über der Charybdis bodenlos, bis Maſt und Kiel
aus ihrem Schlunde wieder hervorſprudelten. Dieſen
Augenblick erſah ich, war mit einem Sprung wieder auf
meinem alten Sitz und ruderte nun auf dem ſchmalen
Kiele mit den Händen auf dem Wirbel fort. Dennoch
wäre ich verloren geweſen, wenn Jupiters Gnade meine
Balken nicht von dem Fels der Scylla abgelenkt, und glück¬
lich aus dem durchwogten Felſenſchlunde herausgeleitet hätte.
Neun Tage trieb ich nun noch auf der See umher;
in der zehnten Nacht brachten mich gnädige Götter end¬
lich auf Kalypſo's Inſel, Ogygia. Dieſe hehre Göttin
pflegte und erquickte mich . . . . doch warum will ich euch
davon erzählen? Habe ich doch ſchon geſtern, dir, edler König,
und deiner Gemahlin dieß mein letztes Abenteuer berichtet!“


Odyſſeus verabſchiedet ſich von den Phäaken.

Odyſſeus ſchwieg und ruhte von ſeiner langen Er¬
zählung aus. Die Phäaken, die mit Entzücken zugehört,
waren Alle noch in ſeine Rede verſunken und ſchwiegen
auch. Endlich brach Alcinous das Stillſchweigen und
ſprach: „Heil dir, edelſter der Gäſte, den mein Königs¬
haus jemals aufgenommen hat! da du in meiner

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[170/0192] werden. Und dieß geſchah auch: der Morgen dämmerte kaum, als ich Scylla's ſpitzen Säulenfels gewahr wurde und die gräßliche aus- und einſprudelnde Charybdis ge¬ genüber erblickte. Dieſe verſchlang, als ich bei ihr an¬ gekommen war, augenblicklich mit ihrem Strudel den Maſt; ich ſelbſt ergriff die Aeſte eines von ihrem Fels überhan¬ genden Feigenbaums, ſchmiegte mich daran und hing da in der freien Luft, wie eine Fledermaus. So ſchwebte ich über der Charybdis bodenlos, bis Maſt und Kiel aus ihrem Schlunde wieder hervorſprudelten. Dieſen Augenblick erſah ich, war mit einem Sprung wieder auf meinem alten Sitz und ruderte nun auf dem ſchmalen Kiele mit den Händen auf dem Wirbel fort. Dennoch wäre ich verloren geweſen, wenn Jupiters Gnade meine Balken nicht von dem Fels der Scylla abgelenkt, und glück¬ lich aus dem durchwogten Felſenſchlunde herausgeleitet hätte. Neun Tage trieb ich nun noch auf der See umher; in der zehnten Nacht brachten mich gnädige Götter end¬ lich auf Kalypſo's Inſel, Ogygia. Dieſe hehre Göttin pflegte und erquickte mich . . . . doch warum will ich euch davon erzählen? Habe ich doch ſchon geſtern, dir, edler König, und deiner Gemahlin dieß mein letztes Abenteuer berichtet!“ Odyſſeus verabſchiedet ſich von den Phäaken. Odyſſeus ſchwieg und ruhte von ſeiner langen Er¬ zählung aus. Die Phäaken, die mit Entzücken zugehört, waren Alle noch in ſeine Rede verſunken und ſchwiegen auch. Endlich brach Alcinous das Stillſchweigen und ſprach: „Heil dir, edelſter der Gäſte, den mein Königs¬ haus jemals aufgenommen hat! da du in meiner

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/192>, abgerufen am 22.11.2024.