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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840.

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zu verkündigen. Als er aber bei uns ankam, konnte
er anfangs kein einziges Wort hervorbringen, weil
ihm die entsetzliche Angst noch immer die Sprache
raubte; aus seinen Augen stürzten Thränen und seine
Seele war ganz in Jammer versenkt. Wie wir nun alle
voll Verwunderung in ihn drangen zu sprechen, fand er
endlich Worte und erzählte das jämmerliche Schicksal der
andern Freunde. Auf diese Schreckensbotschaft warf ich
augenblicks mir das Schwert um die Schultern und den
Bogen darüber, dann befahl ich ihm, mich auf der
Stelle den Weg nach dem Palaste zu führen. Er aber
umschlang mir mit beiden Armen die Knie und flehte
mich an, zurück bleiben zu dürfen, und selbst zurück zu
bleiben. "Glaube mir," schluchzte er, "du kehrest weder
selbst um, noch bringst du Einen der verlorenen Freunde
zurück. O laß uns von diesem verwünschten Strande
fliehen!" Ihm nun erlaubte ich zu bleiben; ich selbst
aber gehorchte der Nothwendigkeit und ging. Auf dem
Wege begegnete mir ein blühender Jüngling, mit dem
holdesten Reiz der Jugend geschmückt und streckte mir
den goldenen Stab entgegen, an welchem ich Hermes,
den Boten der Himmlischen, erkannte. Er faßte mich
freundlich bei der Hand und sprach: "Armer, was rennest
du so, aller Gegend unkundig, durch das Waldgebirg?
Deine Freunde sind bei der Zauberin Circe in Schweine¬
ställe gesperrt. Willst du gehen, sie zu erlösen? Eher
wirst auch du zu den Andern gesteckt werden! Nun wohl,
ich will dir ein Mittel an die Hand geben, dich zu be¬
wahren. Wenn du dieses Heilkraut bei dir trägst,"
(und mit diesen Worten grub er eine schwarze Wurzel
mit milchweißer Blüthe aus dem Boden, und nannte sie

Schwab, das klass. Alterthum. III. 10

zu verkündigen. Als er aber bei uns ankam, konnte
er anfangs kein einziges Wort hervorbringen, weil
ihm die entſetzliche Angſt noch immer die Sprache
raubte; aus ſeinen Augen ſtürzten Thränen und ſeine
Seele war ganz in Jammer verſenkt. Wie wir nun alle
voll Verwunderung in ihn drangen zu ſprechen, fand er
endlich Worte und erzählte das jämmerliche Schickſal der
andern Freunde. Auf dieſe Schreckensbotſchaft warf ich
augenblicks mir das Schwert um die Schultern und den
Bogen darüber, dann befahl ich ihm, mich auf der
Stelle den Weg nach dem Palaſte zu führen. Er aber
umſchlang mir mit beiden Armen die Knie und flehte
mich an, zurück bleiben zu dürfen, und ſelbſt zurück zu
bleiben. „Glaube mir,“ ſchluchzte er, „du kehreſt weder
ſelbſt um, noch bringſt du Einen der verlorenen Freunde
zurück. O laß uns von dieſem verwünſchten Strande
fliehen!“ Ihm nun erlaubte ich zu bleiben; ich ſelbſt
aber gehorchte der Nothwendigkeit und ging. Auf dem
Wege begegnete mir ein blühender Jüngling, mit dem
holdeſten Reiz der Jugend geſchmückt und ſtreckte mir
den goldenen Stab entgegen, an welchem ich Hermes,
den Boten der Himmliſchen, erkannte. Er faßte mich
freundlich bei der Hand und ſprach: „Armer, was renneſt
du ſo, aller Gegend unkundig, durch das Waldgebirg?
Deine Freunde ſind bei der Zauberin Circe in Schweine¬
ſtälle geſperrt. Willſt du gehen, ſie zu erlöſen? Eher
wirſt auch du zu den Andern geſteckt werden! Nun wohl,
ich will dir ein Mittel an die Hand geben, dich zu be¬
wahren. Wenn du dieſes Heilkraut bei dir trägſt,“
(und mit dieſen Worten grub er eine ſchwarze Wurzel
mit milchweißer Blüthe aus dem Boden, und nannte ſie

Schwab, das klaſſ. Alterthum. III. 10
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[145/0167] zu verkündigen. Als er aber bei uns ankam, konnte er anfangs kein einziges Wort hervorbringen, weil ihm die entſetzliche Angſt noch immer die Sprache raubte; aus ſeinen Augen ſtürzten Thränen und ſeine Seele war ganz in Jammer verſenkt. Wie wir nun alle voll Verwunderung in ihn drangen zu ſprechen, fand er endlich Worte und erzählte das jämmerliche Schickſal der andern Freunde. Auf dieſe Schreckensbotſchaft warf ich augenblicks mir das Schwert um die Schultern und den Bogen darüber, dann befahl ich ihm, mich auf der Stelle den Weg nach dem Palaſte zu führen. Er aber umſchlang mir mit beiden Armen die Knie und flehte mich an, zurück bleiben zu dürfen, und ſelbſt zurück zu bleiben. „Glaube mir,“ ſchluchzte er, „du kehreſt weder ſelbſt um, noch bringſt du Einen der verlorenen Freunde zurück. O laß uns von dieſem verwünſchten Strande fliehen!“ Ihm nun erlaubte ich zu bleiben; ich ſelbſt aber gehorchte der Nothwendigkeit und ging. Auf dem Wege begegnete mir ein blühender Jüngling, mit dem holdeſten Reiz der Jugend geſchmückt und ſtreckte mir den goldenen Stab entgegen, an welchem ich Hermes, den Boten der Himmliſchen, erkannte. Er faßte mich freundlich bei der Hand und ſprach: „Armer, was renneſt du ſo, aller Gegend unkundig, durch das Waldgebirg? Deine Freunde ſind bei der Zauberin Circe in Schweine¬ ſtälle geſperrt. Willſt du gehen, ſie zu erlöſen? Eher wirſt auch du zu den Andern geſteckt werden! Nun wohl, ich will dir ein Mittel an die Hand geben, dich zu be¬ wahren. Wenn du dieſes Heilkraut bei dir trägſt,“ (und mit dieſen Worten grub er eine ſchwarze Wurzel mit milchweißer Blüthe aus dem Boden, und nannte ſie Schwab, das klaſſ. Alterthum. III. 10

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/167>, abgerufen am 22.11.2024.