Mutter Andromache's, führte er mit sich fort in die Skla¬ verei, doch gab er sie später gegen ein reiches Lösegeld frei, und sie kehrte nach der Heimath zurück, wo ein Pfeil der Göttin Diana sie am Webestuhl traf und töd¬ tete. Aus dem Stalle des Königes führte Achilles sein treffliches Pferd, Pedasus genannt, mit sich fort, das, obwohl sterblich gezeugt, es doch an Kraft und Schnellig¬ keit seinen eigenen unsterblichen Rossen gleich that und mit ihnen in die Wette am Wagen einherlief; aus der Rüst¬ kammer des Königes Eetion aber nahm er viel andere Herrlichkeiten mit, unter andern auch eine ungeheure eiserne Wurfscheibe, so groß, daß sie einem Bauer fünf Jahre lang Eisen zu seinem Ackergeräthe würde gege¬ ben haben.
Nächst Achilles war der tapferste und riesigste Held unter den Griechen der Telamonssohn Ajax. Auch er feierte nicht. Er führte seinen Schiffszug nach der thraci¬ schen Halbinsel, wo die Königsburg Polymnestors prangte. Diesem hatte der König Priamus von Troja seinen jüng¬ sten Sohn Polydorus, den er mit der Laothoe, einem Kebsweibe, gezeugt hatte, zur Pflege übersandt und dadurch, weil er sein Liebling war, dem Waffendienst entzogen, auch dem thracischen Könige zur Beköstigung des Kindes Gold und Kostbarkeiten genug übergeben. Dieser Schätze und des ihm anvertrauten Unterpfandes bediente sich nun der treulose Barbar, als sein Land von dem Helden Ajax überfallen und seine Burg belagert wurde, den Frieden zu erkaufen; er verläugnete seine Freundschaft mit dem Könige Priamus, verfluchte ihn, theilte Geld und Ge¬ treide, das er zur Nahrung des Knaben von ihm empfan¬ gen, unter die griechischen Streiter aus; dem Ajax selbst
Mutter Andromache's, führte er mit ſich fort in die Skla¬ verei, doch gab er ſie ſpäter gegen ein reiches Löſegeld frei, und ſie kehrte nach der Heimath zurück, wo ein Pfeil der Göttin Diana ſie am Webeſtuhl traf und töd¬ tete. Aus dem Stalle des Königes führte Achilles ſein treffliches Pferd, Pedaſus genannt, mit ſich fort, das, obwohl ſterblich gezeugt, es doch an Kraft und Schnellig¬ keit ſeinen eigenen unſterblichen Roſſen gleich that und mit ihnen in die Wette am Wagen einherlief; aus der Rüſt¬ kammer des Königes Eëtion aber nahm er viel andere Herrlichkeiten mit, unter andern auch eine ungeheure eiſerne Wurfſcheibe, ſo groß, daß ſie einem Bauer fünf Jahre lang Eiſen zu ſeinem Ackergeräthe würde gege¬ ben haben.
Nächſt Achilles war der tapferſte und rieſigſte Held unter den Griechen der Telamonsſohn Ajax. Auch er feierte nicht. Er führte ſeinen Schiffszug nach der thraci¬ ſchen Halbinſel, wo die Königsburg Polymneſtors prangte. Dieſem hatte der König Priamus von Troja ſeinen jüng¬ ſten Sohn Polydorus, den er mit der Laothoe, einem Kebsweibe, gezeugt hatte, zur Pflege überſandt und dadurch, weil er ſein Liebling war, dem Waffendienſt entzogen, auch dem thraciſchen Könige zur Beköſtigung des Kindes Gold und Koſtbarkeiten genug übergeben. Dieſer Schätze und des ihm anvertrauten Unterpfandes bediente ſich nun der treuloſe Barbar, als ſein Land von dem Helden Ajax überfallen und ſeine Burg belagert wurde, den Frieden zu erkaufen; er verläugnete ſeine Freundſchaft mit dem Könige Priamus, verfluchte ihn, theilte Geld und Ge¬ treide, das er zur Nahrung des Knaben von ihm empfan¬ gen, unter die griechiſchen Streiter aus; dem Ajax ſelbſt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0097"n="75"/>
Mutter Andromache's, führte er mit ſich fort in die Skla¬<lb/>
verei, doch gab er ſie ſpäter gegen ein reiches Löſegeld<lb/>
frei, und ſie kehrte nach der Heimath zurück, wo ein<lb/>
Pfeil der Göttin Diana ſie am Webeſtuhl traf und töd¬<lb/>
tete. Aus dem Stalle des Königes führte Achilles ſein<lb/>
treffliches Pferd, Pedaſus genannt, mit ſich fort, das,<lb/>
obwohl ſterblich gezeugt, es doch an Kraft und Schnellig¬<lb/>
keit ſeinen eigenen unſterblichen Roſſen gleich that und mit<lb/>
ihnen in die Wette am Wagen einherlief; aus der Rüſt¬<lb/>
kammer des Königes Eëtion aber nahm er viel andere<lb/>
Herrlichkeiten mit, unter andern auch eine ungeheure<lb/>
eiſerne Wurfſcheibe, ſo groß, daß ſie einem Bauer fünf<lb/>
Jahre lang Eiſen zu ſeinem Ackergeräthe würde gege¬<lb/>
ben haben.</p><lb/><p>Nächſt Achilles war der tapferſte und rieſigſte Held<lb/>
unter den Griechen der Telamonsſohn Ajax. Auch er<lb/>
feierte nicht. Er führte ſeinen Schiffszug nach der thraci¬<lb/>ſchen Halbinſel, wo die Königsburg Polymneſtors prangte.<lb/>
Dieſem hatte der König Priamus von Troja ſeinen jüng¬<lb/>ſten Sohn Polydorus, den er mit der Laothoe, einem<lb/>
Kebsweibe, gezeugt hatte, zur Pflege überſandt und dadurch,<lb/>
weil er ſein Liebling war, dem Waffendienſt entzogen,<lb/>
auch dem thraciſchen Könige zur Beköſtigung des Kindes<lb/>
Gold und Koſtbarkeiten genug übergeben. Dieſer Schätze<lb/>
und des ihm anvertrauten Unterpfandes bediente ſich nun<lb/>
der treuloſe Barbar, als ſein Land von dem Helden Ajax<lb/>
überfallen und ſeine Burg belagert wurde, den Frieden<lb/>
zu erkaufen; er verläugnete ſeine Freundſchaft mit dem<lb/>
Könige Priamus, verfluchte ihn, theilte Geld und Ge¬<lb/>
treide, das er zur Nahrung des Knaben von ihm empfan¬<lb/>
gen, unter die griechiſchen Streiter aus; dem Ajax ſelbſt<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[75/0097]
Mutter Andromache's, führte er mit ſich fort in die Skla¬
verei, doch gab er ſie ſpäter gegen ein reiches Löſegeld
frei, und ſie kehrte nach der Heimath zurück, wo ein
Pfeil der Göttin Diana ſie am Webeſtuhl traf und töd¬
tete. Aus dem Stalle des Königes führte Achilles ſein
treffliches Pferd, Pedaſus genannt, mit ſich fort, das,
obwohl ſterblich gezeugt, es doch an Kraft und Schnellig¬
keit ſeinen eigenen unſterblichen Roſſen gleich that und mit
ihnen in die Wette am Wagen einherlief; aus der Rüſt¬
kammer des Königes Eëtion aber nahm er viel andere
Herrlichkeiten mit, unter andern auch eine ungeheure
eiſerne Wurfſcheibe, ſo groß, daß ſie einem Bauer fünf
Jahre lang Eiſen zu ſeinem Ackergeräthe würde gege¬
ben haben.
Nächſt Achilles war der tapferſte und rieſigſte Held
unter den Griechen der Telamonsſohn Ajax. Auch er
feierte nicht. Er führte ſeinen Schiffszug nach der thraci¬
ſchen Halbinſel, wo die Königsburg Polymneſtors prangte.
Dieſem hatte der König Priamus von Troja ſeinen jüng¬
ſten Sohn Polydorus, den er mit der Laothoe, einem
Kebsweibe, gezeugt hatte, zur Pflege überſandt und dadurch,
weil er ſein Liebling war, dem Waffendienſt entzogen,
auch dem thraciſchen Könige zur Beköſtigung des Kindes
Gold und Koſtbarkeiten genug übergeben. Dieſer Schätze
und des ihm anvertrauten Unterpfandes bediente ſich nun
der treuloſe Barbar, als ſein Land von dem Helden Ajax
überfallen und ſeine Burg belagert wurde, den Frieden
zu erkaufen; er verläugnete ſeine Freundſchaft mit dem
Könige Priamus, verfluchte ihn, theilte Geld und Ge¬
treide, das er zur Nahrung des Knaben von ihm empfan¬
gen, unter die griechiſchen Streiter aus; dem Ajax ſelbſt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/97>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.