ihre Kräfte schonten und selten Ausfälle machten, so wand¬ ten die Danaer ihre Macht gegen die Umgegend. Achilles zerstörte und plünderte allmählig zwölf Städte mit seiner Flotte, eilf nahm er zu Lande ein. Dem Priester Chryses führte er auf einem Streifzuge nach Mysien seine schöne Tochter Astynome oder Chryseis, gefangen fort. Bei der Einnahme von Lyrnessus überfiel er den Pallast des Kö¬ niges oder Priesters Brises, der in der Verzweiflung den Strick um den Hals schlang und sich den Tod gab. Sein holdseliges Kind Briseis oder Hippodamia wurde dem Sie¬ ger zu Theil, und er führte sie als eine Lieblingsbeute ins griechische Lager mit sich davon. Auch die Insel Lesbos und die Stadt Thebe in Cilicien, am Fuße des Berges Placius gegründet, unterlagen seinen Angriffen. In der letztern Stadt herrschte der Eidam des Königes Priamus, der König Eetion, dessen Tochter Andromache mit dem tapfersten Helden Troja's, mit Hektor, vermählt war. Sieben blühende Söhne wuchsen noch in seinem Königs¬ hause. Da kam Achilles, stürmte die hochragenden Thore der Stadt und erschlug den König mit den sieben Söhnen. Als der Leichnam des hohen Fürsten, der von herrlicher, Ehrfurcht gebietender Gestalt war, vor dem jungen Hel¬ den ausgestreckt lag, bemächtigte sich desselben ein Grauen und eine Scheu, und er wagte es nicht, den Liegenden der Waffen zu berauben, und sich dieselben als rühmliche Siegesbeute anzueignen. Er verbrannte daher den Leich¬ nam zur ehrlichen Bestattung im vollen kunstreich gearbei¬ teten Waffengeschmeide und thürmte ihm ein mächtiges Denk¬ mal auf, das noch lange, von hohen Ulmen umschattet, die Gegend schmückte. Die Gemahlin des Königes, die
ihre Kräfte ſchonten und ſelten Ausfälle machten, ſo wand¬ ten die Danaer ihre Macht gegen die Umgegend. Achilles zerſtörte und plünderte allmählig zwölf Städte mit ſeiner Flotte, eilf nahm er zu Lande ein. Dem Prieſter Chryſes führte er auf einem Streifzuge nach Myſien ſeine ſchöne Tochter Aſtynome oder Chryſeis, gefangen fort. Bei der Einnahme von Lyrneſſus überfiel er den Pallaſt des Kö¬ niges oder Prieſters Briſes, der in der Verzweiflung den Strick um den Hals ſchlang und ſich den Tod gab. Sein holdſeliges Kind Briſeis oder Hippodamia wurde dem Sie¬ ger zu Theil, und er führte ſie als eine Lieblingsbeute ins griechiſche Lager mit ſich davon. Auch die Inſel Lesbos und die Stadt Thebe in Cilicien, am Fuße des Berges Placius gegründet, unterlagen ſeinen Angriffen. In der letztern Stadt herrſchte der Eidam des Königes Priamus, der König Eëtion, deſſen Tochter Andromache mit dem tapferſten Helden Troja's, mit Hektor, vermählt war. Sieben blühende Söhne wuchſen noch in ſeinem Königs¬ hauſe. Da kam Achilles, ſtürmte die hochragenden Thore der Stadt und erſchlug den König mit den ſieben Söhnen. Als der Leichnam des hohen Fürſten, der von herrlicher, Ehrfurcht gebietender Geſtalt war, vor dem jungen Hel¬ den ausgeſtreckt lag, bemächtigte ſich deſſelben ein Grauen und eine Scheu, und er wagte es nicht, den Liegenden der Waffen zu berauben, und ſich dieſelben als rühmliche Siegesbeute anzueignen. Er verbrannte daher den Leich¬ nam zur ehrlichen Beſtattung im vollen kunſtreich gearbei¬ teten Waffengeſchmeide und thürmte ihm ein mächtiges Denk¬ mal auf, das noch lange, von hohen Ulmen umſchattet, die Gegend ſchmückte. Die Gemahlin des Königes, die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0096"n="74"/>
ihre Kräfte ſchonten und ſelten Ausfälle machten, ſo wand¬<lb/>
ten die Danaer ihre Macht gegen die Umgegend. Achilles<lb/>
zerſtörte und plünderte allmählig zwölf Städte mit ſeiner<lb/>
Flotte, eilf nahm er zu Lande ein. Dem Prieſter Chryſes<lb/>
führte er auf einem Streifzuge nach Myſien ſeine ſchöne<lb/>
Tochter Aſtynome oder Chryſeis, gefangen fort. Bei der<lb/>
Einnahme von Lyrneſſus überfiel er den Pallaſt des Kö¬<lb/>
niges oder Prieſters Briſes, der in der Verzweiflung den<lb/>
Strick um den Hals ſchlang und ſich den Tod gab. Sein<lb/>
holdſeliges Kind Briſeis oder Hippodamia wurde dem Sie¬<lb/>
ger zu Theil, und er führte ſie als eine Lieblingsbeute<lb/>
ins griechiſche Lager mit ſich davon. Auch die Inſel Lesbos<lb/>
und die Stadt Thebe in Cilicien, am Fuße des Berges<lb/>
Placius gegründet, unterlagen ſeinen Angriffen. In der<lb/>
letztern Stadt herrſchte der Eidam des Königes Priamus,<lb/>
der König E<hirendition="#aq">ë</hi>tion, deſſen Tochter Andromache mit dem<lb/>
tapferſten Helden Troja's, mit Hektor, vermählt war.<lb/>
Sieben blühende Söhne wuchſen noch in ſeinem Königs¬<lb/>
hauſe. Da kam Achilles, ſtürmte die hochragenden Thore<lb/>
der Stadt und erſchlug den König mit den ſieben Söhnen.<lb/>
Als der Leichnam des hohen Fürſten, der von herrlicher,<lb/>
Ehrfurcht gebietender Geſtalt war, vor dem jungen Hel¬<lb/>
den ausgeſtreckt lag, bemächtigte ſich deſſelben ein Grauen<lb/>
und eine Scheu, und er wagte es nicht, den Liegenden<lb/>
der Waffen zu berauben, und ſich dieſelben als rühmliche<lb/>
Siegesbeute anzueignen. Er verbrannte daher den Leich¬<lb/>
nam zur ehrlichen Beſtattung im vollen kunſtreich gearbei¬<lb/>
teten Waffengeſchmeide und thürmte ihm ein mächtiges Denk¬<lb/>
mal auf, das noch lange, von hohen Ulmen umſchattet,<lb/>
die Gegend ſchmückte. Die Gemahlin des Königes, die<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[74/0096]
ihre Kräfte ſchonten und ſelten Ausfälle machten, ſo wand¬
ten die Danaer ihre Macht gegen die Umgegend. Achilles
zerſtörte und plünderte allmählig zwölf Städte mit ſeiner
Flotte, eilf nahm er zu Lande ein. Dem Prieſter Chryſes
führte er auf einem Streifzuge nach Myſien ſeine ſchöne
Tochter Aſtynome oder Chryſeis, gefangen fort. Bei der
Einnahme von Lyrneſſus überfiel er den Pallaſt des Kö¬
niges oder Prieſters Briſes, der in der Verzweiflung den
Strick um den Hals ſchlang und ſich den Tod gab. Sein
holdſeliges Kind Briſeis oder Hippodamia wurde dem Sie¬
ger zu Theil, und er führte ſie als eine Lieblingsbeute
ins griechiſche Lager mit ſich davon. Auch die Inſel Lesbos
und die Stadt Thebe in Cilicien, am Fuße des Berges
Placius gegründet, unterlagen ſeinen Angriffen. In der
letztern Stadt herrſchte der Eidam des Königes Priamus,
der König Eëtion, deſſen Tochter Andromache mit dem
tapferſten Helden Troja's, mit Hektor, vermählt war.
Sieben blühende Söhne wuchſen noch in ſeinem Königs¬
hauſe. Da kam Achilles, ſtürmte die hochragenden Thore
der Stadt und erſchlug den König mit den ſieben Söhnen.
Als der Leichnam des hohen Fürſten, der von herrlicher,
Ehrfurcht gebietender Geſtalt war, vor dem jungen Hel¬
den ausgeſtreckt lag, bemächtigte ſich deſſelben ein Grauen
und eine Scheu, und er wagte es nicht, den Liegenden
der Waffen zu berauben, und ſich dieſelben als rühmliche
Siegesbeute anzueignen. Er verbrannte daher den Leich¬
nam zur ehrlichen Beſtattung im vollen kunſtreich gearbei¬
teten Waffengeſchmeide und thürmte ihm ein mächtiges Denk¬
mal auf, das noch lange, von hohen Ulmen umſchattet,
die Gegend ſchmückte. Die Gemahlin des Königes, die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/96>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.