in Wuth und es entspann sich ein grimmiger Zweikampf zwischen dem Enkel des Oedipus und dem Sohne des Herkules. Der Heraklide siegte und Thersander sank, von einem Lanzenstiche durchbohrt, in den Staub. Laut seufzte sein Freund Diomedes auf, als er dieß aus der Ferne sah, und ehe der König Telephus sich auf den Leichnam werfen und ihm die Rüstung abziehen konnte, war er herzugesprungen, hatte sich den Leichnam des Freundes über die Schultern gelegt, und eilte mit Riesenschritten, ihn aus dem Kampfgewühle zu tragen. Als der Held mit seiner Last fliehend an Ajax und Achilles vorüberkam, durchfuhr auch diese Helden ein schmerzlicher Zorn, sie sammelten ihre wankenden Schaaren, theilten sie in zwei Haufen und gaben durch eine geschickte Schwenkung dem Treffen eine andere Gestalt. Die Griechen waren jetzt bald wieder im Vortheil und als Teuthrantius, der Halb¬ bruder des Telephus, von einem Geschosse des Ajax gefallen war und Telephus selbst, in der Verfolgung des Odysseus begriffen, dem sinkenden Bruder zu Hülfe kom¬ men wollte, strauchelte er über einen Weinstock; denn durch die Geschicklichkeit der Griechen waren die kämpfen¬ den Schaaren der Feinde in eine Weinpflanzung gelockt worden, in der die Stellung der Danaer die günstigere war. Diesen Augenblick ersah sich Achilles, und während Telephus vom Falle sich aufrichtete, durchbohrte sein Wurfspieß die linke Weiche des Mysiers. Dieser richtete sich dennoch auf, zog das Geschoß aus der Seite, und durch den Zusammenlauf der Seinigen beschirmt, entging er weiterer Gefahr. Und noch lange hätte das Treffen mit abwechselndem Glücke fortgedauert, wenn nicht die Nacht eingebrochen wäre und beide Theile, der Ruhe
Schwab, das klass. Alterthum. II. 4
in Wuth und es entſpann ſich ein grimmiger Zweikampf zwiſchen dem Enkel des Oedipus und dem Sohne des Herkules. Der Heraklide ſiegte und Therſander ſank, von einem Lanzenſtiche durchbohrt, in den Staub. Laut ſeufzte ſein Freund Diomedes auf, als er dieß aus der Ferne ſah, und ehe der König Telephus ſich auf den Leichnam werfen und ihm die Rüſtung abziehen konnte, war er herzugeſprungen, hatte ſich den Leichnam des Freundes über die Schultern gelegt, und eilte mit Rieſenſchritten, ihn aus dem Kampfgewühle zu tragen. Als der Held mit ſeiner Laſt fliehend an Ajax und Achilles vorüberkam, durchfuhr auch dieſe Helden ein ſchmerzlicher Zorn, ſie ſammelten ihre wankenden Schaaren, theilten ſie in zwei Haufen und gaben durch eine geſchickte Schwenkung dem Treffen eine andere Geſtalt. Die Griechen waren jetzt bald wieder im Vortheil und als Teuthrantius, der Halb¬ bruder des Telephus, von einem Geſchoſſe des Ajax gefallen war und Telephus ſelbſt, in der Verfolgung des Odyſſeus begriffen, dem ſinkenden Bruder zu Hülfe kom¬ men wollte, ſtrauchelte er über einen Weinſtock; denn durch die Geſchicklichkeit der Griechen waren die kämpfen¬ den Schaaren der Feinde in eine Weinpflanzung gelockt worden, in der die Stellung der Danaer die günſtigere war. Dieſen Augenblick erſah ſich Achilles, und während Telephus vom Falle ſich aufrichtete, durchbohrte ſein Wurfſpieß die linke Weiche des Myſiers. Dieſer richtete ſich dennoch auf, zog das Geſchoß aus der Seite, und durch den Zuſammenlauf der Seinigen beſchirmt, entging er weiterer Gefahr. Und noch lange hätte das Treffen mit abwechſelndem Glücke fortgedauert, wenn nicht die Nacht eingebrochen wäre und beide Theile, der Ruhe
Schwab, das klaſſ. Alterthum. II. 4
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in Wuth und es entſpann ſich ein grimmiger Zweikampf
zwiſchen dem Enkel des Oedipus und dem Sohne des
Herkules. Der Heraklide ſiegte und Therſander ſank, von
einem Lanzenſtiche durchbohrt, in den Staub. Laut ſeufzte
ſein Freund Diomedes auf, als er dieß aus der Ferne
ſah, und ehe der König Telephus ſich auf den Leichnam
werfen und ihm die Rüſtung abziehen konnte, war er
herzugeſprungen, hatte ſich den Leichnam des Freundes
über die Schultern gelegt, und eilte mit Rieſenſchritten,
ihn aus dem Kampfgewühle zu tragen. Als der Held
mit ſeiner Laſt fliehend an Ajax und Achilles vorüberkam,
durchfuhr auch dieſe Helden ein ſchmerzlicher Zorn, ſie
ſammelten ihre wankenden Schaaren, theilten ſie in zwei
Haufen und gaben durch eine geſchickte Schwenkung dem
Treffen eine andere Geſtalt. Die Griechen waren jetzt
bald wieder im Vortheil und als Teuthrantius, der Halb¬
bruder des Telephus, von einem Geſchoſſe des Ajax
gefallen war und Telephus ſelbſt, in der Verfolgung des
Odyſſeus begriffen, dem ſinkenden Bruder zu Hülfe kom¬
men wollte, ſtrauchelte er über einen Weinſtock; denn
durch die Geſchicklichkeit der Griechen waren die kämpfen¬
den Schaaren der Feinde in eine Weinpflanzung gelockt
worden, in der die Stellung der Danaer die günſtigere
war. Dieſen Augenblick erſah ſich Achilles, und während
Telephus vom Falle ſich aufrichtete, durchbohrte ſein
Wurfſpieß die linke Weiche des Myſiers. Dieſer richtete
ſich dennoch auf, zog das Geſchoß aus der Seite, und
durch den Zuſammenlauf der Seinigen beſchirmt, entging
er weiterer Gefahr. Und noch lange hätte das Treffen
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/71>, abgerufen am 24.11.2024.
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