gut machen, und es ist schon die zweite Gesandtschaft, die dießmal unter meinem Sohne Paris nach eurem Lande abgegangen ist, meine freventlich geraubte Schwester zurück¬ zuverlangen, damit ich wenigstens noch in meinem Greisen¬ alter mich ihrer erfreuen könne. Wie mein Sohn Paris diesen meinen königlichen Auftrag ausgerichtet, was er gethan hat, und wo er weilt, weiß ich nicht. In meinem Pallaste und in unserer Stadt befindet sich kein griechisches Weib, dieß weiß ich gewiß. Ich kann euch also die ver¬ langte Genugthuung nicht geben, auch wenn ich wollte. Kommt mein Sohn Paris, wie mein väterlicher Wunsch ist, glücklich nach Troja zurück, und bringt er eine entführte Griechin mit sich, so soll euch diese ausgeliefert werden, wenn sie anders nicht als Flüchtlingin unsern Schutz an¬ fleht. Aber auch dann werdet ihr sie unter keiner andern Bedingung und nicht eher zurückerhalten, als bis ihr meine Schwester Hesione aus Salamis wieder in meine Arme zurückgeführt habt!"
Der Rath der Trojaner stimmte zu diesen Worten des Königs; aber Palamedes sprach trotzig: "Die Erfül¬ lung unserer Forderung, o König, läßt sich von keiner Bedingung abhängig machen. Wir glauben deinem ehr¬ würdigen Antlitz und der Rede deines Mundes, die uns versichert, daß die Gemahlin des Menelaus noch nicht in deinen Mauern angekommen ist. Sie wird aber kommen, zweifle nicht; ihre Entführung durch deinen unwürdigen Sohn ist nur allzu gewiß. Was zu unserer Väter Zeiten von Herkules geschehen ist, dafür sind wir nicht mehr ver¬ antwortlich. Aber was einer deiner Söhne uns jetzt eben von empörender Kränkung zugefügt hat, dafür verlangen wir Rechenschaft von dir. Hesione ist willig mit Telamon
gut machen, und es iſt ſchon die zweite Geſandtſchaft, die dießmal unter meinem Sohne Paris nach eurem Lande abgegangen iſt, meine freventlich geraubte Schweſter zurück¬ zuverlangen, damit ich wenigſtens noch in meinem Greiſen¬ alter mich ihrer erfreuen könne. Wie mein Sohn Paris dieſen meinen königlichen Auftrag ausgerichtet, was er gethan hat, und wo er weilt, weiß ich nicht. In meinem Pallaſte und in unſerer Stadt befindet ſich kein griechiſches Weib, dieß weiß ich gewiß. Ich kann euch alſo die ver¬ langte Genugthuung nicht geben, auch wenn ich wollte. Kommt mein Sohn Paris, wie mein väterlicher Wunſch iſt, glücklich nach Troja zurück, und bringt er eine entführte Griechin mit ſich, ſo ſoll euch dieſe ausgeliefert werden, wenn ſie anders nicht als Flüchtlingin unſern Schutz an¬ fleht. Aber auch dann werdet ihr ſie unter keiner andern Bedingung und nicht eher zurückerhalten, als bis ihr meine Schweſter Heſione aus Salamis wieder in meine Arme zurückgeführt habt!“
Der Rath der Trojaner ſtimmte zu dieſen Worten des Königs; aber Palamedes ſprach trotzig: „Die Erfül¬ lung unſerer Forderung, o König, läßt ſich von keiner Bedingung abhängig machen. Wir glauben deinem ehr¬ würdigen Antlitz und der Rede deines Mundes, die uns verſichert, daß die Gemahlin des Menelaus noch nicht in deinen Mauern angekommen iſt. Sie wird aber kommen, zweifle nicht; ihre Entführung durch deinen unwürdigen Sohn iſt nur allzu gewiß. Was zu unſerer Väter Zeiten von Herkules geſchehen iſt, dafür ſind wir nicht mehr ver¬ antwortlich. Aber was einer deiner Söhne uns jetzt eben von empörender Kränkung zugefügt hat, dafür verlangen wir Rechenſchaft von dir. Heſione iſt willig mit Telamon
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[28/0050]
gut machen, und es iſt ſchon die zweite Geſandtſchaft,
die dießmal unter meinem Sohne Paris nach eurem Lande
abgegangen iſt, meine freventlich geraubte Schweſter zurück¬
zuverlangen, damit ich wenigſtens noch in meinem Greiſen¬
alter mich ihrer erfreuen könne. Wie mein Sohn Paris
dieſen meinen königlichen Auftrag ausgerichtet, was er
gethan hat, und wo er weilt, weiß ich nicht. In meinem
Pallaſte und in unſerer Stadt befindet ſich kein griechiſches
Weib, dieß weiß ich gewiß. Ich kann euch alſo die ver¬
langte Genugthuung nicht geben, auch wenn ich wollte.
Kommt mein Sohn Paris, wie mein väterlicher Wunſch
iſt, glücklich nach Troja zurück, und bringt er eine entführte
Griechin mit ſich, ſo ſoll euch dieſe ausgeliefert werden,
wenn ſie anders nicht als Flüchtlingin unſern Schutz an¬
fleht. Aber auch dann werdet ihr ſie unter keiner andern
Bedingung und nicht eher zurückerhalten, als bis ihr meine
Schweſter Heſione aus Salamis wieder in meine Arme
zurückgeführt habt!“
Der Rath der Trojaner ſtimmte zu dieſen Worten
des Königs; aber Palamedes ſprach trotzig: „Die Erfül¬
lung unſerer Forderung, o König, läßt ſich von keiner
Bedingung abhängig machen. Wir glauben deinem ehr¬
würdigen Antlitz und der Rede deines Mundes, die uns
verſichert, daß die Gemahlin des Menelaus noch nicht in
deinen Mauern angekommen iſt. Sie wird aber kommen,
zweifle nicht; ihre Entführung durch deinen unwürdigen
Sohn iſt nur allzu gewiß. Was zu unſerer Väter Zeiten
von Herkules geſchehen iſt, dafür ſind wir nicht mehr ver¬
antwortlich. Aber was einer deiner Söhne uns jetzt eben
von empörender Kränkung zugefügt hat, dafür verlangen
wir Rechenſchaft von dir. Heſione iſt willig mit Telamon
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/50>, abgerufen am 23.11.2024.
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