ihrer Herzen und kehrten zurück aus dem Kampfe, die einen zum Olymp, die andern in die Tiefe des Meers.
Das Pferd im griechischen Lager war indessen in vollkommene Bereitschaft gesetzt und Odysseus erhub sich in der Versammlung der Helden. "Jetzt gilt es," sprach er, "ihr Führer des Danaervolks! jetzt beweise es, wer wirklich durch Kraft und Muth hervorragt. Denn jetzt ist's Zeit, in dem Bauche des Rosses, der uns beherbergen wird, der dunkeln Zukunft entgegen zu gehen! Glaubet mir, es gehört mehr Muth dazu, in diesen Schlupfwinkel zu kriechen, als dem Tode in offener Feldschlacht zu tro¬ tzen! Darum, wer sich am tapfersten fühlt, der entschließe sich zu diesem Wagestück. Die Andern mögen vorerst nach Tenedos schiffen! Ein wackerer Jüngling aber bleibe in der Nähe des Pferdes und thue, wie ich gerathen habe. Wer will sich diesem Auftrag unterziehen?
Die Helden zögerten. Da trat ein tapferer Grieche, Namens Sinon, auf und sprach: "Sehet mich bereit, das verlangte Werk zu thun! Mögen mich die Trojaner mi߬ handeln, mögen sie mich lebendig ins Feuer werfen: mein Entschluß steht fest!" Die Völker jubelten ihm Beifall zu, und mancher alte Held sprach bei sich im Herzen: "Wer ist doch dieser junge Mensch? Wir haben seinen Namen nie gehört; noch keine tapfre That hat ihn ausgezeichnet. Ihn treibt gewiß ein Dämon, entweder den Trojanern oder uns selbst Verderben zu bringen!" Nestor aber erhub sich und sprach ermunternd zu den Danaern: "Jetzt, liebe Kinder, bedarf es wackern Muthes, denn jetzt legen die Götter das Ziel zehenjähriger Mühseligkeiten in unsre Hände: darum rasch hinein in den Bauch des Pferdes. Ich selbst fühle noch die jugendliche Kraft in meinen
ihrer Herzen und kehrten zurück aus dem Kampfe, die einen zum Olymp, die andern in die Tiefe des Meers.
Das Pferd im griechiſchen Lager war indeſſen in vollkommene Bereitſchaft geſetzt und Odyſſeus erhub ſich in der Verſammlung der Helden. „Jetzt gilt es,“ ſprach er, „ihr Führer des Danaervolks! jetzt beweiſe es, wer wirklich durch Kraft und Muth hervorragt. Denn jetzt iſt's Zeit, in dem Bauche des Roſſes, der uns beherbergen wird, der dunkeln Zukunft entgegen zu gehen! Glaubet mir, es gehört mehr Muth dazu, in dieſen Schlupfwinkel zu kriechen, als dem Tode in offener Feldſchlacht zu tro¬ tzen! Darum, wer ſich am tapferſten fühlt, der entſchließe ſich zu dieſem Wageſtück. Die Andern mögen vorerſt nach Tenedos ſchiffen! Ein wackerer Jüngling aber bleibe in der Nähe des Pferdes und thue, wie ich gerathen habe. Wer will ſich dieſem Auftrag unterziehen?
Die Helden zögerten. Da trat ein tapferer Grieche, Namens Sinon, auf und ſprach: „Sehet mich bereit, das verlangte Werk zu thun! Mögen mich die Trojaner mi߬ handeln, mögen ſie mich lebendig ins Feuer werfen: mein Entſchluß ſteht feſt!“ Die Völker jubelten ihm Beifall zu, und mancher alte Held ſprach bei ſich im Herzen: „Wer iſt doch dieſer junge Menſch? Wir haben ſeinen Namen nie gehört; noch keine tapfre That hat ihn ausgezeichnet. Ihn treibt gewiß ein Dämon, entweder den Trojanern oder uns ſelbſt Verderben zu bringen!“ Neſtor aber erhub ſich und ſprach ermunternd zu den Danaern: „Jetzt, liebe Kinder, bedarf es wackern Muthes, denn jetzt legen die Götter das Ziel zehenjähriger Mühſeligkeiten in unſre Hände: darum raſch hinein in den Bauch des Pferdes. Ich ſelbſt fühle noch die jugendliche Kraft in meinen
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ihrer Herzen und kehrten zurück aus dem Kampfe, die
einen zum Olymp, die andern in die Tiefe des Meers.
Das Pferd im griechiſchen Lager war indeſſen in
vollkommene Bereitſchaft geſetzt und Odyſſeus erhub ſich
in der Verſammlung der Helden. „Jetzt gilt es,“ ſprach
er, „ihr Führer des Danaervolks! jetzt beweiſe es, wer
wirklich durch Kraft und Muth hervorragt. Denn jetzt
iſt's Zeit, in dem Bauche des Roſſes, der uns beherbergen
wird, der dunkeln Zukunft entgegen zu gehen! Glaubet
mir, es gehört mehr Muth dazu, in dieſen Schlupfwinkel
zu kriechen, als dem Tode in offener Feldſchlacht zu tro¬
tzen! Darum, wer ſich am tapferſten fühlt, der entſchließe
ſich zu dieſem Wageſtück. Die Andern mögen vorerſt nach
Tenedos ſchiffen! Ein wackerer Jüngling aber bleibe in
der Nähe des Pferdes und thue, wie ich gerathen habe.
Wer will ſich dieſem Auftrag unterziehen?
Die Helden zögerten. Da trat ein tapferer Grieche,
Namens Sinon, auf und ſprach: „Sehet mich bereit, das
verlangte Werk zu thun! Mögen mich die Trojaner mi߬
handeln, mögen ſie mich lebendig ins Feuer werfen: mein
Entſchluß ſteht feſt!“ Die Völker jubelten ihm Beifall zu,
und mancher alte Held ſprach bei ſich im Herzen: „Wer
iſt doch dieſer junge Menſch? Wir haben ſeinen Namen
nie gehört; noch keine tapfre That hat ihn ausgezeichnet.
Ihn treibt gewiß ein Dämon, entweder den Trojanern
oder uns ſelbſt Verderben zu bringen!“ Neſtor aber
erhub ſich und ſprach ermunternd zu den Danaern: „Jetzt,
liebe Kinder, bedarf es wackern Muthes, denn jetzt legen
die Götter das Ziel zehenjähriger Mühſeligkeiten in unſre
Hände: darum raſch hinein in den Bauch des Pferdes.
Ich ſelbſt fühle noch die jugendliche Kraft in meinen
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/430>, abgerufen am 22.11.2024.
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