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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839.

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den Mann thöricht, der, über den Tod seines Sohnes
ergrimmt, zu kämpfen kommt, und den grausamen Mörder
von seinem Leichnam vertreiben will! O hättest du mich
als jung gekannt! Jetzt gleiche ich freilich nur einem
alten Löwen, den jeder Hund von der Schafhürde abhal¬
ten kann! Doch nein, noch besiege ich viele Streiter, und
nur Wenigen weicht mein Alter!" So sprach Nestor und
wich ein wenig rückwärts, indem er den Sohn im Staube
liegen ließ. Zugleich zogen sich auch Thrasymedes und
Pheres zurück; und nun wüthete Memnon mit seinen
Aethiopiern ungehindert in der Schlacht fort, und die
Argiver vermieden seinen Speer mit Schrecken.

Nun wandte sich Nestor an Achilles. "Du Beschir¬
mer der Griechen," sprach er, "siehe dort liegt mein Sohn
todt; Memnon hat ihm die Waffen geraubt; bald wird
er eine Speise der Hunde seyn! Eile zu Hülfe, denn
nur der ist ein wahrer Freund, der des erschlagenen Freun¬
des sich annimmt!" Achilles horchte auf und tiefer Kum¬
mer bemächtigte sich seiner, als er sah, wie der Aethiopier
die Danaer schaarenweise in den Staub streckte. Bisher
hatte sich nämlich der Pelide unter den Trojanern herum¬
getummelt, und hier viele getödtet. Jetzt aber ließ er
von ihnen ab, und wandte sich plötzlich Memnon entgegen.
Als dieser ihn kommen sah, raffte er einen Markstein vom
Boden auf und schleuderte ihn nach dem Schilde des Fein¬
des. Aber der Stein prallte ab, und Achilles, der seinen
Streitwagen hinter der Schlachtreihe gelassen hatte, drang
zu Fuße auf Memnon ein und traf ihn mit dem Speere
rechts an der Schulter. Der Aethiopier achtete auf die¬
sen Stoß nicht, eilte vorwärts, und stieß dem Achilles
seine mächtige Lanze in den Arm, daß das Blut des Helden

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den Mann thöricht, der, über den Tod ſeines Sohnes
ergrimmt, zu kämpfen kommt, und den grauſamen Mörder
von ſeinem Leichnam vertreiben will! O hätteſt du mich
als jung gekannt! Jetzt gleiche ich freilich nur einem
alten Löwen, den jeder Hund von der Schafhürde abhal¬
ten kann! Doch nein, noch beſiege ich viele Streiter, und
nur Wenigen weicht mein Alter!“ So ſprach Neſtor und
wich ein wenig rückwärts, indem er den Sohn im Staube
liegen ließ. Zugleich zogen ſich auch Thraſymedes und
Pheres zurück; und nun wüthete Memnon mit ſeinen
Aethiopiern ungehindert in der Schlacht fort, und die
Argiver vermieden ſeinen Speer mit Schrecken.

Nun wandte ſich Neſtor an Achilles. „Du Beſchir¬
mer der Griechen,“ ſprach er, „ſiehe dort liegt mein Sohn
todt; Memnon hat ihm die Waffen geraubt; bald wird
er eine Speiſe der Hunde ſeyn! Eile zu Hülfe, denn
nur der iſt ein wahrer Freund, der des erſchlagenen Freun¬
des ſich annimmt!“ Achilles horchte auf und tiefer Kum¬
mer bemächtigte ſich ſeiner, als er ſah, wie der Aethiopier
die Danaer ſchaarenweiſe in den Staub ſtreckte. Bisher
hatte ſich nämlich der Pelide unter den Trojanern herum¬
getummelt, und hier viele getödtet. Jetzt aber ließ er
von ihnen ab, und wandte ſich plötzlich Memnon entgegen.
Als dieſer ihn kommen ſah, raffte er einen Markſtein vom
Boden auf und ſchleuderte ihn nach dem Schilde des Fein¬
des. Aber der Stein prallte ab, und Achilles, der ſeinen
Streitwagen hinter der Schlachtreihe gelaſſen hatte, drang
zu Fuße auf Memnon ein und traf ihn mit dem Speere
rechts an der Schulter. Der Aethiopier achtete auf die¬
ſen Stoß nicht, eilte vorwärts, und ſtieß dem Achilles
ſeine mächtige Lanze in den Arm, daß das Blut des Helden

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[339/0361] den Mann thöricht, der, über den Tod ſeines Sohnes ergrimmt, zu kämpfen kommt, und den grauſamen Mörder von ſeinem Leichnam vertreiben will! O hätteſt du mich als jung gekannt! Jetzt gleiche ich freilich nur einem alten Löwen, den jeder Hund von der Schafhürde abhal¬ ten kann! Doch nein, noch beſiege ich viele Streiter, und nur Wenigen weicht mein Alter!“ So ſprach Neſtor und wich ein wenig rückwärts, indem er den Sohn im Staube liegen ließ. Zugleich zogen ſich auch Thraſymedes und Pheres zurück; und nun wüthete Memnon mit ſeinen Aethiopiern ungehindert in der Schlacht fort, und die Argiver vermieden ſeinen Speer mit Schrecken. Nun wandte ſich Neſtor an Achilles. „Du Beſchir¬ mer der Griechen,“ ſprach er, „ſiehe dort liegt mein Sohn todt; Memnon hat ihm die Waffen geraubt; bald wird er eine Speiſe der Hunde ſeyn! Eile zu Hülfe, denn nur der iſt ein wahrer Freund, der des erſchlagenen Freun¬ des ſich annimmt!“ Achilles horchte auf und tiefer Kum¬ mer bemächtigte ſich ſeiner, als er ſah, wie der Aethiopier die Danaer ſchaarenweiſe in den Staub ſtreckte. Bisher hatte ſich nämlich der Pelide unter den Trojanern herum¬ getummelt, und hier viele getödtet. Jetzt aber ließ er von ihnen ab, und wandte ſich plötzlich Memnon entgegen. Als dieſer ihn kommen ſah, raffte er einen Markſtein vom Boden auf und ſchleuderte ihn nach dem Schilde des Fein¬ des. Aber der Stein prallte ab, und Achilles, der ſeinen Streitwagen hinter der Schlachtreihe gelaſſen hatte, drang zu Fuße auf Memnon ein und traf ihn mit dem Speere rechts an der Schulter. Der Aethiopier achtete auf die¬ ſen Stoß nicht, eilte vorwärts, und ſtieß dem Achilles ſeine mächtige Lanze in den Arm, daß das Blut des Helden 22*

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/361>, abgerufen am 22.11.2024.