durften, noch ohne Arbeit mit Ambrosia gespeist wurden, so bedingten sie sich einen Lohn aus, der ihnen auch ver¬ sprochen ward, und fingen nun an zu fröhnen. Neptu¬ nus half unmittelbar bei dem Bau; unter seiner Leitung stieg die Ringmauer breit und schön, eine undurchdringliche Schutzwehre der Stadt, in die Höhe. Phöbus Apollo weidete inzwischen das Hornvieh des Königes in den ge¬ wundenen Schluchten und Thälern des waldreichen Gebir¬ ges Ida. Die Götter hatten versprochen, auf diese Weise dem Könige ein Jahr lang zu fröhnen. Als nun diese Frist abgelaufen war, auch die herrliche Stadtmauer fertig stand, entzog der trügerische Laomedon den Göttern gewalt¬ sam ihren gesammten Lohn, und als sie mit ihm rechteten und der beredte Apollo ihm bittere Vorwürfe machte, so jagte er beide fort, mit der Androhung, dem Phöbus Hände und Füße fesseln zu lassen, beiden aber die Ohren abzu¬ schneiden. Mit großer Erbitterung schieden die Götter, und wurden Todfeinde des Königs und des Volkes der Trojaner, auch Athene kehrte sich von der Stadt, die bis¬ her ihre Schützlingin gewesen war, ab, und schon jetzt war, einer stillschweigenden Einwilligung Jupiters zu Folge, die eben erst mit stattlichen Mauern versehene Hauptstadt mit ihrem Königsgeschlecht und Volke diesen Göttern, zu welchen sich mit dem glühendsten Hasse in kurzer Zeit auch Juno gesellte, zum Verderben überlassen.
durften, noch ohne Arbeit mit Ambroſia geſpeist wurden, ſo bedingten ſie ſich einen Lohn aus, der ihnen auch ver¬ ſprochen ward, und fingen nun an zu fröhnen. Neptu¬ nus half unmittelbar bei dem Bau; unter ſeiner Leitung ſtieg die Ringmauer breit und ſchön, eine undurchdringliche Schutzwehre der Stadt, in die Höhe. Phöbus Apollo weidete inzwiſchen das Hornvieh des Königes in den ge¬ wundenen Schluchten und Thälern des waldreichen Gebir¬ ges Ida. Die Götter hatten verſprochen, auf dieſe Weiſe dem Könige ein Jahr lang zu fröhnen. Als nun dieſe Friſt abgelaufen war, auch die herrliche Stadtmauer fertig ſtand, entzog der trügeriſche Laomedon den Göttern gewalt¬ ſam ihren geſammten Lohn, und als ſie mit ihm rechteten und der beredte Apollo ihm bittere Vorwürfe machte, ſo jagte er beide fort, mit der Androhung, dem Phöbus Hände und Füße feſſeln zu laſſen, beiden aber die Ohren abzu¬ ſchneiden. Mit großer Erbitterung ſchieden die Götter, und wurden Todfeinde des Königs und des Volkes der Trojaner, auch Athene kehrte ſich von der Stadt, die bis¬ her ihre Schützlingin geweſen war, ab, und ſchon jetzt war, einer ſtillſchweigenden Einwilligung Jupiters zu Folge, die eben erſt mit ſtattlichen Mauern verſehene Hauptſtadt mit ihrem Königsgeſchlecht und Volke dieſen Göttern, zu welchen ſich mit dem glühendſten Haſſe in kurzer Zeit auch Juno geſellte, zum Verderben überlaſſen.
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durften, noch ohne Arbeit mit Ambroſia geſpeist wurden,
ſo bedingten ſie ſich einen Lohn aus, der ihnen auch ver¬
ſprochen ward, und fingen nun an zu fröhnen. Neptu¬
nus half unmittelbar bei dem Bau; unter ſeiner Leitung
ſtieg die Ringmauer breit und ſchön, eine undurchdringliche
Schutzwehre der Stadt, in die Höhe. Phöbus Apollo
weidete inzwiſchen das Hornvieh des Königes in den ge¬
wundenen Schluchten und Thälern des waldreichen Gebir¬
ges Ida. Die Götter hatten verſprochen, auf dieſe Weiſe
dem Könige ein Jahr lang zu fröhnen. Als nun dieſe
Friſt abgelaufen war, auch die herrliche Stadtmauer fertig
ſtand, entzog der trügeriſche Laomedon den Göttern gewalt¬
ſam ihren geſammten Lohn, und als ſie mit ihm rechteten
und der beredte Apollo ihm bittere Vorwürfe machte, ſo
jagte er beide fort, mit der Androhung, dem Phöbus Hände
und Füße feſſeln zu laſſen, beiden aber die Ohren abzu¬
ſchneiden. Mit großer Erbitterung ſchieden die Götter,
und wurden Todfeinde des Königs und des Volkes der
Trojaner, auch Athene kehrte ſich von der Stadt, die bis¬
her ihre Schützlingin geweſen war, ab, und ſchon jetzt
war, einer ſtillſchweigenden Einwilligung Jupiters zu Folge,
die eben erſt mit ſtattlichen Mauern verſehene Hauptſtadt
mit ihrem Königsgeſchlecht und Volke dieſen Göttern, zu
welchen ſich mit dem glühendſten Haſſe in kurzer Zeit auch
Juno geſellte, zum Verderben überlaſſen.
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/28>, abgerufen am 24.11.2024.
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