hemmte den Tod. Die Freunde führten den Bebenden aus dem Kampfe, so hastig, daß Keiner bemerkte, wie er die aus dem Schenkel hervorragende Lanze noch nach¬ schleppte. Auch die Leiche des Tlepolemus trugen die Griechen aus dem Kampfe zurück.
Während Odysseus in der führerlosen Schaar der Lycier wüthete, und schon ganz nahe an dem flüchtenden Sarpedon war, erfreute diesen der Anblick des heranna¬ hen Hektors, und er rief ihm mit schwacher Stimme zu: "Priamus Sohn, laß mich nicht den Achivern zum Raube daliegen, vertheidige mich, daß ich mein Leben ruhig in dieser Stadt aushauchen mag, wenn ich doch das Land der Väter, mein Weib und mein Söhnlein nicht mehr sehen soll!" Ohne ein Wort zu erwiedern, drängte Hektor die verfolgenden Griechen unwiderstehlich zurück, so daß selbst Odysseus nicht wagte, weiter vorzudringen. Nun legten den Sarpedon seine Freunde unweit vom skäischen Thore unter der hohen Buche nieder, die seinem Vater Jupiter heilig war, und sein Jugendgenosse Pelagon zog ihm den Speer aus dem Schenkel. Einen Augenblick ver¬ ließ den Verwundeten die Besinnung, doch athmete er bald wieder auf, und ein kühler Nordwind wehte seinen matten Lebensgeistern Erfrischung zu.
Mars und Hektor bedrängten jetzt die Griechen, daß sie allmählig rückwärts wichen zu ihren Schiffen. Sechs herrliche Helden fielen allein von Hektors Hand. Mit Schrecken überblickte vom Olymp herab Juno, die Göt¬ termutter, das Gemetzel, das die Trojaner unter dem Beistande des Mars anrichteten. Auf ihren Antrieb ward Athene's Wagen mit den ehernen, goldumfaßten Rädern, der silbernen Deichsel und dem goldenen Joche gerüstet,
Schwab, das klass. Alterthum. II. 9
hemmte den Tod. Die Freunde führten den Bebenden aus dem Kampfe, ſo haſtig, daß Keiner bemerkte, wie er die aus dem Schenkel hervorragende Lanze noch nach¬ ſchleppte. Auch die Leiche des Tlepolemus trugen die Griechen aus dem Kampfe zurück.
Während Odyſſeus in der führerloſen Schaar der Lycier wüthete, und ſchon ganz nahe an dem flüchtenden Sarpedon war, erfreute dieſen der Anblick des heranna¬ hen Hektors, und er rief ihm mit ſchwacher Stimme zu: „Priamus Sohn, laß mich nicht den Achivern zum Raube daliegen, vertheidige mich, daß ich mein Leben ruhig in dieſer Stadt aushauchen mag, wenn ich doch das Land der Väter, mein Weib und mein Söhnlein nicht mehr ſehen ſoll!” Ohne ein Wort zu erwiedern, drängte Hektor die verfolgenden Griechen unwiderſtehlich zurück, ſo daß ſelbſt Odyſſeus nicht wagte, weiter vorzudringen. Nun legten den Sarpedon ſeine Freunde unweit vom ſkäiſchen Thore unter der hohen Buche nieder, die ſeinem Vater Jupiter heilig war, und ſein Jugendgenoſſe Pelagon zog ihm den Speer aus dem Schenkel. Einen Augenblick ver¬ ließ den Verwundeten die Beſinnung, doch athmete er bald wieder auf, und ein kühler Nordwind wehte ſeinen matten Lebensgeiſtern Erfriſchung zu.
Mars und Hektor bedrängten jetzt die Griechen, daß ſie allmählig rückwärts wichen zu ihren Schiffen. Sechs herrliche Helden fielen allein von Hektors Hand. Mit Schrecken überblickte vom Olymp herab Juno, die Göt¬ termutter, das Gemetzel, das die Trojaner unter dem Beiſtande des Mars anrichteten. Auf ihren Antrieb ward Athene's Wagen mit den ehernen, goldumfaßten Rädern, der ſilbernen Deichſel und dem goldenen Joche gerüſtet,
Schwab, das klaſſ. Alterthum. II. 9
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hemmte den Tod. Die Freunde führten den Bebenden
aus dem Kampfe, ſo haſtig, daß Keiner bemerkte, wie er
die aus dem Schenkel hervorragende Lanze noch nach¬
ſchleppte. Auch die Leiche des Tlepolemus trugen die
Griechen aus dem Kampfe zurück.
Während Odyſſeus in der führerloſen Schaar der
Lycier wüthete, und ſchon ganz nahe an dem flüchtenden
Sarpedon war, erfreute dieſen der Anblick des heranna¬
hen Hektors, und er rief ihm mit ſchwacher Stimme zu:
„Priamus Sohn, laß mich nicht den Achivern zum Raube
daliegen, vertheidige mich, daß ich mein Leben ruhig in
dieſer Stadt aushauchen mag, wenn ich doch das Land
der Väter, mein Weib und mein Söhnlein nicht mehr
ſehen ſoll!” Ohne ein Wort zu erwiedern, drängte
Hektor die verfolgenden Griechen unwiderſtehlich zurück, ſo
daß ſelbſt Odyſſeus nicht wagte, weiter vorzudringen. Nun
legten den Sarpedon ſeine Freunde unweit vom ſkäiſchen
Thore unter der hohen Buche nieder, die ſeinem Vater
Jupiter heilig war, und ſein Jugendgenoſſe Pelagon zog
ihm den Speer aus dem Schenkel. Einen Augenblick ver¬
ließ den Verwundeten die Beſinnung, doch athmete er
bald wieder auf, und ein kühler Nordwind wehte ſeinen
matten Lebensgeiſtern Erfriſchung zu.
Mars und Hektor bedrängten jetzt die Griechen, daß
ſie allmählig rückwärts wichen zu ihren Schiffen. Sechs
herrliche Helden fielen allein von Hektors Hand. Mit
Schrecken überblickte vom Olymp herab Juno, die Göt¬
termutter, das Gemetzel, das die Trojaner unter dem
Beiſtande des Mars anrichteten. Auf ihren Antrieb ward
Athene's Wagen mit den ehernen, goldumfaßten Rädern,
der ſilbernen Deichſel und dem goldenen Joche gerüſtet,
Schwab, das klaſſ. Alterthum. II. 9
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/151>, abgerufen am 23.11.2024.
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