Odysseus an der Spitze, erwarteten ruhig die Heranstür¬ menden, wie ein unbewegliches Gewölk; und Agamemnon durcheilte die Heerschaar und rief: "Jetzt seyd Männer, o ihr Freunde, und ehret euch selbst in der Schlacht, denn wo ein Volk sich selbst ehrt, da stehen mehr Männer, als fallen: aber für den Fliehenden gibt es keinen Ruhm und keine Rettung!" So rief er, schickte selbst zuerst den Speer gegen die heranrückenden Trojaner ab, und streckte den Freund des Aeneas, den hochgeehrten Dikoon, der immer im Vorderkampfe stritt, nieder. Aber auch die gewaltige Hand des Aeneas tödtete zwei der tapfersten Danaer, Krethon und Orsilochus, Söhne des Diokles, die zu Pherä im Peloponnes wie zwei freudige Berg¬ löwen zusammen aufgewachsen waren. Um die Gefallenen trauerte Menelaus, schwenkte den Speer und warf sich rasch in das vorderste Gewühl. Mars selbst spornte sein Herz, denn er hoffte, daß ihn Aeneas fällen werde. Aber Antilochus, Nestors Sohn, um den Völkerhirten besorgt, stürzte gleichfalls hervor an seine Seite, während jene beiden schon voll Kampfgier ihre Lanzen gegeneinander gezückt hatten. Als Aeneas zwei Helden sich gegenüber sah, wich er zurück; Menelaus und Antilochus retteten die beiden Leichen aus den Händen der Feinde und übergaben sie den Freunden; sie selbst wandten sich dem Vorkampfe wieder zu. Menelaus durchstach den Pylämenes, Anti¬ lochus hieb seinem Wagenlenker Mydon das Schwert in die Schläfe, daß er auf den Scheitel gestellt in den Staub stürzte, bis ihn seine eigenen Rosse umwarfen, die Anti¬ lochus mit der Geißel den Griechen zutrieb.
Jetzt aber jagte Hektor mit den tapfersten Heer¬ schaaren der Trojaner voran, und der Kriegsgott selbst
Odyſſeus an der Spitze, erwarteten ruhig die Heranſtür¬ menden, wie ein unbewegliches Gewölk; und Agamemnon durcheilte die Heerſchaar und rief: „Jetzt ſeyd Männer, o ihr Freunde, und ehret euch ſelbſt in der Schlacht, denn wo ein Volk ſich ſelbſt ehrt, da ſtehen mehr Männer, als fallen: aber für den Fliehenden gibt es keinen Ruhm und keine Rettung!“ So rief er, ſchickte ſelbſt zuerſt den Speer gegen die heranrückenden Trojaner ab, und ſtreckte den Freund des Aeneas, den hochgeehrten Dikoon, der immer im Vorderkampfe ſtritt, nieder. Aber auch die gewaltige Hand des Aeneas tödtete zwei der tapferſten Danaer, Krethon und Orſilochus, Söhne des Diokles, die zu Pherä im Peloponnes wie zwei freudige Berg¬ löwen zuſammen aufgewachſen waren. Um die Gefallenen trauerte Menelaus, ſchwenkte den Speer und warf ſich raſch in das vorderſte Gewühl. Mars ſelbſt ſpornte ſein Herz, denn er hoffte, daß ihn Aeneas fällen werde. Aber Antilochus, Neſtors Sohn, um den Völkerhirten beſorgt, ſtürzte gleichfalls hervor an ſeine Seite, während jene beiden ſchon voll Kampfgier ihre Lanzen gegeneinander gezückt hatten. Als Aeneas zwei Helden ſich gegenüber ſah, wich er zurück; Menelaus und Antilochus retteten die beiden Leichen aus den Händen der Feinde und übergaben ſie den Freunden; ſie ſelbſt wandten ſich dem Vorkampfe wieder zu. Menelaus durchſtach den Pylämenes, Anti¬ lochus hieb ſeinem Wagenlenker Mydon das Schwert in die Schläfe, daß er auf den Scheitel geſtellt in den Staub ſtürzte, bis ihn ſeine eigenen Roſſe umwarfen, die Anti¬ lochus mit der Geißel den Griechen zutrieb.
Jetzt aber jagte Hektor mit den tapferſten Heer¬ ſchaaren der Trojaner voran, und der Kriegsgott ſelbſt
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Odyſſeus an der Spitze, erwarteten ruhig die Heranſtür¬
menden, wie ein unbewegliches Gewölk; und Agamemnon
durcheilte die Heerſchaar und rief: „Jetzt ſeyd Männer,
o ihr Freunde, und ehret euch ſelbſt in der Schlacht, denn
wo ein Volk ſich ſelbſt ehrt, da ſtehen mehr Männer, als
fallen: aber für den Fliehenden gibt es keinen Ruhm und
keine Rettung!“ So rief er, ſchickte ſelbſt zuerſt den
Speer gegen die heranrückenden Trojaner ab, und ſtreckte
den Freund des Aeneas, den hochgeehrten Dikoon, der
immer im Vorderkampfe ſtritt, nieder. Aber auch die
gewaltige Hand des Aeneas tödtete zwei der tapferſten
Danaer, Krethon und Orſilochus, Söhne des Diokles,
die zu Pherä im Peloponnes wie zwei freudige Berg¬
löwen zuſammen aufgewachſen waren. Um die Gefallenen
trauerte Menelaus, ſchwenkte den Speer und warf ſich
raſch in das vorderſte Gewühl. Mars ſelbſt ſpornte ſein
Herz, denn er hoffte, daß ihn Aeneas fällen werde. Aber
Antilochus, Neſtors Sohn, um den Völkerhirten beſorgt,
ſtürzte gleichfalls hervor an ſeine Seite, während jene
beiden ſchon voll Kampfgier ihre Lanzen gegeneinander
gezückt hatten. Als Aeneas zwei Helden ſich gegenüber
ſah, wich er zurück; Menelaus und Antilochus retteten die
beiden Leichen aus den Händen der Feinde und übergaben
ſie den Freunden; ſie ſelbſt wandten ſich dem Vorkampfe
wieder zu. Menelaus durchſtach den Pylämenes, Anti¬
lochus hieb ſeinem Wagenlenker Mydon das Schwert in
die Schläfe, daß er auf den Scheitel geſtellt in den Staub
ſtürzte, bis ihn ſeine eigenen Roſſe umwarfen, die Anti¬
lochus mit der Geißel den Griechen zutrieb.
Jetzt aber jagte Hektor mit den tapferſten Heer¬
ſchaaren der Trojaner voran, und der Kriegsgott ſelbſt
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/149>, abgerufen am 23.11.2024.
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