verwundeten Menelaus beschäftigt waren, rückten die Schlachtreihen der Trojaner schon heran; auch die Griechen hüllten sich wieder in ihre Wehren, und Agamemnon über¬ gab dem Eurymedon Rosse und Wagen mit der Weisung, ihm sie zu bringen, wenn er ihn vom Durcheilen der Schlachtordnung ermattet sehe. Dann flog er zu Fuß unter die Schaaren der Streiter und ermunterte sie zur Abwehr, die Muthigen belobend, die Saumseligen tadelnd. So gelangte er auf seinem Gange zu den Kretern, die gewappnet ihren Heerführer Idomeneus umringten. Die¬ ser stand an ihrer Spitze, kampflustig wie ein Eber. Die hinteren Reihen munterte sein Freund Meriones auf. Als Agamemnon diese Schaaren sah, wurde sein Herz fröhlich: "Du bist mir doch der Besten Einer, Idomeneus," rief er ihnen zu, "bei jedem Geschäfte, im Kriege wie beim Mahle, wenn man den funkelnden Ehrenwein in den mächtigen Krügen mischt. Wenn da die Andern ihr beschei¬ denes Maaß trinken, so steht dein Becher immer voll wie der meinige. Jetzt aber stürme mit mir in die Schlacht, wie du dich so oft gegen mich gerühmt." "Wohl bleibe ich dein treuer Genosse, König," erwiederte jener, "geh nur Andere anzuspornen, bei mir bedarf es dessen nicht. Möge Tod und Verderben die bundbrüchigen Trojaner treffen!"
Jetzt erreichte Agamemnon die beiden Ajax, hinter denen ein ganzes Gewühl von Fußvolk einherzog: "Wenn doch," rief ihnen der König im Vorübereilen zu, "ein Muth wie der eurige den Busen aller Danaer beseelte, dann sollte die Burg des Priamus bald unter unsern Händen in Trümmer fallen." Nun traf er weiterschrei¬ tend auf Nestor. Dieser ordnete gerade seinen Heerhaufen:
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verwundeten Menelaus beſchäftigt waren, rückten die Schlachtreihen der Trojaner ſchon heran; auch die Griechen hüllten ſich wieder in ihre Wehren, und Agamemnon über¬ gab dem Eurymedon Roſſe und Wagen mit der Weiſung, ihm ſie zu bringen, wenn er ihn vom Durcheilen der Schlachtordnung ermattet ſehe. Dann flog er zu Fuß unter die Schaaren der Streiter und ermunterte ſie zur Abwehr, die Muthigen belobend, die Saumſeligen tadelnd. So gelangte er auf ſeinem Gange zu den Kretern, die gewappnet ihren Heerführer Idomeneus umringten. Die¬ ſer ſtand an ihrer Spitze, kampfluſtig wie ein Eber. Die hinteren Reihen munterte ſein Freund Meriones auf. Als Agamemnon dieſe Schaaren ſah, wurde ſein Herz fröhlich: „Du biſt mir doch der Beſten Einer, Idomeneus,“ rief er ihnen zu, „bei jedem Geſchäfte, im Kriege wie beim Mahle, wenn man den funkelnden Ehrenwein in den mächtigen Krügen miſcht. Wenn da die Andern ihr beſchei¬ denes Maaß trinken, ſo ſteht dein Becher immer voll wie der meinige. Jetzt aber ſtürme mit mir in die Schlacht, wie du dich ſo oft gegen mich gerühmt.“ „Wohl bleibe ich dein treuer Genoſſe, König,“ erwiederte jener, „geh nur Andere anzuſpornen, bei mir bedarf es deſſen nicht. Möge Tod und Verderben die bundbrüchigen Trojaner treffen!“
Jetzt erreichte Agamemnon die beiden Ajax, hinter denen ein ganzes Gewühl von Fußvolk einherzog: „Wenn doch,“ rief ihnen der König im Vorübereilen zu, „ein Muth wie der eurige den Buſen aller Danaer beſeelte, dann ſollte die Burg des Priamus bald unter unſern Händen in Trümmer fallen.“ Nun traf er weiterſchrei¬ tend auf Neſtor. Dieſer ordnete gerade ſeinen Heerhaufen:
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verwundeten Menelaus beſchäftigt waren, rückten die
Schlachtreihen der Trojaner ſchon heran; auch die Griechen
hüllten ſich wieder in ihre Wehren, und Agamemnon über¬
gab dem Eurymedon Roſſe und Wagen mit der Weiſung,
ihm ſie zu bringen, wenn er ihn vom Durcheilen der
Schlachtordnung ermattet ſehe. Dann flog er zu Fuß
unter die Schaaren der Streiter und ermunterte ſie zur
Abwehr, die Muthigen belobend, die Saumſeligen tadelnd.
So gelangte er auf ſeinem Gange zu den Kretern, die
gewappnet ihren Heerführer Idomeneus umringten. Die¬
ſer ſtand an ihrer Spitze, kampfluſtig wie ein Eber. Die
hinteren Reihen munterte ſein Freund Meriones auf. Als
Agamemnon dieſe Schaaren ſah, wurde ſein Herz fröhlich:
„Du biſt mir doch der Beſten Einer, Idomeneus,“ rief
er ihnen zu, „bei jedem Geſchäfte, im Kriege wie beim
Mahle, wenn man den funkelnden Ehrenwein in den
mächtigen Krügen miſcht. Wenn da die Andern ihr beſchei¬
denes Maaß trinken, ſo ſteht dein Becher immer voll wie
der meinige. Jetzt aber ſtürme mit mir in die Schlacht,
wie du dich ſo oft gegen mich gerühmt.“ „Wohl bleibe
ich dein treuer Genoſſe, König,“ erwiederte jener, „geh
nur Andere anzuſpornen, bei mir bedarf es deſſen nicht.
Möge Tod und Verderben die bundbrüchigen Trojaner
treffen!“
Jetzt erreichte Agamemnon die beiden Ajax, hinter
denen ein ganzes Gewühl von Fußvolk einherzog: „Wenn
doch,“ rief ihnen der König im Vorübereilen zu, „ein
Muth wie der eurige den Buſen aller Danaer beſeelte,
dann ſollte die Burg des Priamus bald unter unſern
Händen in Trümmer fallen.“ Nun traf er weiterſchrei¬
tend auf Neſtor. Dieſer ordnete gerade ſeinen Heerhaufen:
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/137>, abgerufen am 25.11.2024.
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