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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839.

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Neptun, Vulkan auf Seite der Griechen, auf der Gegen¬
seite Mars und Venus, so daß von diesem zehnten und
letzten Jahre der Belagerung Troja's zehnmal mehr erzählt
und gesungen wird, als von den neun andern. Denn
jetzt hebt das Lied des Fürsten der Dichter, des Ho¬
merus, vom Zorne des Achilles an, und von allen Uebeln,
die der Groll ihres größten Helden über die Achiver
brachte.

Die Veranlassung zum Zorne des Peliden war fol¬
gende. Die Griechen hatten nach der Rückkehr ihrer Ge¬
sandten die Drohung der Trojaner nicht vergessen, und
bereiteten sich in ihrem Lager zu entscheidenden Kämpfen
vor, als der Priester Apollo's, Chryses, dem seine
Tochter von Achilles geraubt und dem König Aga¬
memnon überlassen worden war, den Lorbeer seines Got¬
tes um den goldenen Friedensstab geschlungen, mit reichen
Lösegeldern im Schiffslager der Griechen ankam, seine
Tochter freizukaufen. Mit dieser Bitte stellte er sich vor
die Atriden und das gesammte Heer, und sprach: "Ihr
Söhne des Atreus und andre Achiver, mögen euch die
Olympischen Vertilgung Troja's und glückliche Heimkehr
verleihen, wenn ihr, den fernhintreffenden Gott Apollo,
dessen Priester ich bin, ehrend, mir gegen die Lösung, die
ich bringe, die geliebte Tochter zurückgebet!"

Das ganze Heer gab seinen Worten Beifall und
gebot, den ehrwürdigen Priester zu scheuen und die köstliche
Lösung anzunehmen. Nur der König Agamemnon, der
die liebliche Sklavin nicht verlieren wollte, wurde zornig
und sprach: "Laß dich nicht mehr bei den Schiffen treffen,
Greis, weder jetzt noch in Zukunft; deine Tochter ist und
bleibt meine Dienerin und wird in meinem Königshause

Neptun, Vulkan auf Seite der Griechen, auf der Gegen¬
ſeite Mars und Venus, ſo daß von dieſem zehnten und
letzten Jahre der Belagerung Troja's zehnmal mehr erzählt
und geſungen wird, als von den neun andern. Denn
jetzt hebt das Lied des Fürſten der Dichter, des Ho¬
merus, vom Zorne des Achilles an, und von allen Uebeln,
die der Groll ihres größten Helden über die Achiver
brachte.

Die Veranlaſſung zum Zorne des Peliden war fol¬
gende. Die Griechen hatten nach der Rückkehr ihrer Ge¬
ſandten die Drohung der Trojaner nicht vergeſſen, und
bereiteten ſich in ihrem Lager zu entſcheidenden Kämpfen
vor, als der Prieſter Apollo's, Chryſes, dem ſeine
Tochter von Achilles geraubt und dem König Aga¬
memnon überlaſſen worden war, den Lorbeer ſeines Got¬
tes um den goldenen Friedensſtab geſchlungen, mit reichen
Löſegeldern im Schiffslager der Griechen ankam, ſeine
Tochter freizukaufen. Mit dieſer Bitte ſtellte er ſich vor
die Atriden und das geſammte Heer, und ſprach: „Ihr
Söhne des Atreus und andre Achiver, mögen euch die
Olympiſchen Vertilgung Troja's und glückliche Heimkehr
verleihen, wenn ihr, den fernhintreffenden Gott Apollo,
deſſen Prieſter ich bin, ehrend, mir gegen die Löſung, die
ich bringe, die geliebte Tochter zurückgebet!“

Das ganze Heer gab ſeinen Worten Beifall und
gebot, den ehrwürdigen Prieſter zu ſcheuen und die köſtliche
Löſung anzunehmen. Nur der König Agamemnon, der
die liebliche Sklavin nicht verlieren wollte, wurde zornig
und ſprach: „Laß dich nicht mehr bei den Schiffen treffen,
Greis, weder jetzt noch in Zukunft; deine Tochter iſt und
bleibt meine Dienerin und wird in meinem Königshauſe

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[85/0107] Neptun, Vulkan auf Seite der Griechen, auf der Gegen¬ ſeite Mars und Venus, ſo daß von dieſem zehnten und letzten Jahre der Belagerung Troja's zehnmal mehr erzählt und geſungen wird, als von den neun andern. Denn jetzt hebt das Lied des Fürſten der Dichter, des Ho¬ merus, vom Zorne des Achilles an, und von allen Uebeln, die der Groll ihres größten Helden über die Achiver brachte. Die Veranlaſſung zum Zorne des Peliden war fol¬ gende. Die Griechen hatten nach der Rückkehr ihrer Ge¬ ſandten die Drohung der Trojaner nicht vergeſſen, und bereiteten ſich in ihrem Lager zu entſcheidenden Kämpfen vor, als der Prieſter Apollo's, Chryſes, dem ſeine Tochter von Achilles geraubt und dem König Aga¬ memnon überlaſſen worden war, den Lorbeer ſeines Got¬ tes um den goldenen Friedensſtab geſchlungen, mit reichen Löſegeldern im Schiffslager der Griechen ankam, ſeine Tochter freizukaufen. Mit dieſer Bitte ſtellte er ſich vor die Atriden und das geſammte Heer, und ſprach: „Ihr Söhne des Atreus und andre Achiver, mögen euch die Olympiſchen Vertilgung Troja's und glückliche Heimkehr verleihen, wenn ihr, den fernhintreffenden Gott Apollo, deſſen Prieſter ich bin, ehrend, mir gegen die Löſung, die ich bringe, die geliebte Tochter zurückgebet!“ Das ganze Heer gab ſeinen Worten Beifall und gebot, den ehrwürdigen Prieſter zu ſcheuen und die köſtliche Löſung anzunehmen. Nur der König Agamemnon, der die liebliche Sklavin nicht verlieren wollte, wurde zornig und ſprach: „Laß dich nicht mehr bei den Schiffen treffen, Greis, weder jetzt noch in Zukunft; deine Tochter iſt und bleibt meine Dienerin und wird in meinem Königshauſe

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 2. Stuttgart, 1839, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen02_1839/107>, abgerufen am 19.04.2024.