Da erhob sich Jolaus in seinem Wagen und flehte zu Jupiter und Hebe, der Göttin der Jugend, der unsterbli¬ chen Gemahlin seines in den Olymp versetzten Freundes Herkules, ihm nur für diesen Tag der Schlacht wieder Jünglingskraft zu verleihen, damit er sich an dem Feinde des Herkules rächen könne. Da war ein großes Wun¬ der zu schauen: zwei Sterne senkten sich vom Himmel hernieder und setzten sich auf das Joch der Rosse, zu¬ gleich hüllte sich der ganze Wagen in eine dichte Nebel¬ wolke; dieß dauerte nur wenige Augenblicke, so waren Sterne und Nebel wieder verschwunden, in dem Wagen aber stand Jolaus verjüngt, mit braunen Locken, aufrech¬ tem Nacken, nervigen Jünglingsarmen; in jugendfester Hand die Zügel des Viergespanns haltend. So stürmte er dahin und erreichte den Eurystheus, als schon er die Scy¬ ronischen Felsen im Rücken hatte, beim Eingang in ein Thal, durch welches der Argiver flüchten wollte. Euryst¬ heus erkannte seinen Verfolger nicht und wehrte sich von seinem Wagen herab; aber die dem Jolaus von den Göttern verliehene Jünglingsstärke siegte, er zwang seinen alten Gegner vom Wagen herunter, band ihn auf seinen eigenen fest und führte ihn so als den Erstling des Sie¬ ges dem verbündeten Heere zu. Jetzt war die Schlacht ganz gewonnen, das führerlose Heer der Argiver stürzte in wilder Flucht davon; alle Söhne des Eurystheus und unzählige Streiter wurden erschlagen und bald war kein Feind auf attischem Boden mehr zu sehen.
Da erhob ſich Jolaus in ſeinem Wagen und flehte zu Jupiter und Hebe, der Göttin der Jugend, der unſterbli¬ chen Gemahlin ſeines in den Olymp verſetzten Freundes Herkules, ihm nur für dieſen Tag der Schlacht wieder Jünglingskraft zu verleihen, damit er ſich an dem Feinde des Herkules rächen könne. Da war ein großes Wun¬ der zu ſchauen: zwei Sterne ſenkten ſich vom Himmel hernieder und ſetzten ſich auf das Joch der Roſſe, zu¬ gleich hüllte ſich der ganze Wagen in eine dichte Nebel¬ wolke; dieß dauerte nur wenige Augenblicke, ſo waren Sterne und Nebel wieder verſchwunden, in dem Wagen aber ſtand Jolaus verjüngt, mit braunen Locken, aufrech¬ tem Nacken, nervigen Jünglingsarmen; in jugendfeſter Hand die Zügel des Viergeſpanns haltend. So ſtürmte er dahin und erreichte den Euryſtheus, als ſchon er die Scy¬ roniſchen Felſen im Rücken hatte, beim Eingang in ein Thal, durch welches der Argiver flüchten wollte. Euryſt¬ heus erkannte ſeinen Verfolger nicht und wehrte ſich von ſeinem Wagen herab; aber die dem Jolaus von den Göttern verliehene Jünglingsſtärke ſiegte, er zwang ſeinen alten Gegner vom Wagen herunter, band ihn auf ſeinen eigenen feſt und führte ihn ſo als den Erſtling des Sie¬ ges dem verbündeten Heere zu. Jetzt war die Schlacht ganz gewonnen, das führerloſe Heer der Argiver ſtürzte in wilder Flucht davon; alle Söhne des Euryſtheus und unzählige Streiter wurden erſchlagen und bald war kein Feind auf attiſchem Boden mehr zu ſehen.
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Da erhob ſich Jolaus in ſeinem Wagen und flehte zu
Jupiter und Hebe, der Göttin der Jugend, der unſterbli¬
chen Gemahlin ſeines in den Olymp verſetzten Freundes
Herkules, ihm nur für dieſen Tag der Schlacht wieder
Jünglingskraft zu verleihen, damit er ſich an dem Feinde
des Herkules rächen könne. Da war ein großes Wun¬
der zu ſchauen: zwei Sterne ſenkten ſich vom Himmel
hernieder und ſetzten ſich auf das Joch der Roſſe, zu¬
gleich hüllte ſich der ganze Wagen in eine dichte Nebel¬
wolke; dieß dauerte nur wenige Augenblicke, ſo waren
Sterne und Nebel wieder verſchwunden, in dem Wagen
aber ſtand Jolaus verjüngt, mit braunen Locken, aufrech¬
tem Nacken, nervigen Jünglingsarmen; in jugendfeſter
Hand die Zügel des Viergeſpanns haltend. So ſtürmte
er dahin und erreichte den Euryſtheus, als ſchon er die Scy¬
roniſchen Felſen im Rücken hatte, beim Eingang in ein
Thal, durch welches der Argiver flüchten wollte. Euryſt¬
heus erkannte ſeinen Verfolger nicht und wehrte ſich von
ſeinem Wagen herab; aber die dem Jolaus von den
Göttern verliehene Jünglingsſtärke ſiegte, er zwang ſeinen
alten Gegner vom Wagen herunter, band ihn auf ſeinen
eigenen feſt und führte ihn ſo als den Erſtling des Sie¬
ges dem verbündeten Heere zu. Jetzt war die Schlacht
ganz gewonnen, das führerloſe Heer der Argiver ſtürzte
in wilder Flucht davon; alle Söhne des Euryſtheus und
unzählige Streiter wurden erſchlagen und bald war kein
Feind auf attiſchem Boden mehr zu ſehen.
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/424>, abgerufen am 25.11.2024.
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