an den Leib. Er empfahl die Obhut über die Kinder seines Freundes und ihre Großmutter den Aeltesten Athen's, die in der Stadt zurückblieben. Mit der jungen Mann¬ schaft Athens und ihrem Könige Demophoon zog er selbst aus, sich mit dem Heere des jungen Hyllus zu ver¬ einigen. Als nun die verbündete Schaar in schöner Schlachtordnung stand, und das Feld weithin von blan¬ ken Waffenrüstungen glänzte, gegenüber aber auf einen Steinwurf das gewaltige Heer des Königes Eurystheus, er selbst an der Spitze, seine unabsehbaren Reihen dehnte; da stieg Hyllus, der Sohn des Herkules, von seinem Streitwagen, stellte sich mitten in die Gasse, welche die feindlichen Heere noch frei gelassen hatten, und rief dem gegenüber stehenden Argiverkönige zu: "Fürst Eurystheus! ehe überflüssiges Blutvergießen seinen Anfang nimmt, und zwei große Städte sich um weniger Menschen willen be¬ kämpfen und mit Vernichtung bedrohen, höre meinen Vorschlag! Laß uns beide durch redlichen Zweikampf den Streit entscheiden: falle ich von deiner Hand, so magst du die Kinder des Herkules, meine Geschwister mit dir führen, und handeln mit ihnen, wie dir gefällt; wird mir aber gegeben, dich zu fällen, so soll die väterliche Würde und seine Wohnung und Herrschaft im Pelopon¬ nes mir und den Seinigen allen gesichert seyn!" Das Heer der Verbündeten gab durch lauten Zuruf seinen Bei¬ fall zu erkennen, und auch die Schaaren der Argiver murrten zustimmend herüber. Nur der arge Eurystheus, wie er schon vor Herkules seine Feigheit bewiesen hatte, schonte auch jetzt seines Lebens, wollte von dem Vorschlage nichts hö¬ ren, und verließ die Schlachtreihe, an deren Spitze er stand, nicht. Auch Hyllus trat jetzt wieder zu seinem Heere zu¬
an den Leib. Er empfahl die Obhut über die Kinder ſeines Freundes und ihre Großmutter den Aelteſten Athen's, die in der Stadt zurückblieben. Mit der jungen Mann¬ ſchaft Athens und ihrem Könige Demophoon zog er ſelbſt aus, ſich mit dem Heere des jungen Hyllus zu ver¬ einigen. Als nun die verbündete Schaar in ſchöner Schlachtordnung ſtand, und das Feld weithin von blan¬ ken Waffenrüſtungen glänzte, gegenüber aber auf einen Steinwurf das gewaltige Heer des Königes Euryſtheus, er ſelbſt an der Spitze, ſeine unabſehbaren Reihen dehnte; da ſtieg Hyllus, der Sohn des Herkules, von ſeinem Streitwagen, ſtellte ſich mitten in die Gaſſe, welche die feindlichen Heere noch frei gelaſſen hatten, und rief dem gegenüber ſtehenden Argiverkönige zu: „Fürſt Euryſtheus! ehe überflüſſiges Blutvergießen ſeinen Anfang nimmt, und zwei große Städte ſich um weniger Menſchen willen be¬ kämpfen und mit Vernichtung bedrohen, höre meinen Vorſchlag! Laß uns beide durch redlichen Zweikampf den Streit entſcheiden: falle ich von deiner Hand, ſo magſt du die Kinder des Herkules, meine Geſchwiſter mit dir führen, und handeln mit ihnen, wie dir gefällt; wird mir aber gegeben, dich zu fällen, ſo ſoll die väterliche Würde und ſeine Wohnung und Herrſchaft im Pelopon¬ nes mir und den Seinigen allen geſichert ſeyn!“ Das Heer der Verbündeten gab durch lauten Zuruf ſeinen Bei¬ fall zu erkennen, und auch die Schaaren der Argiver murrten zuſtimmend herüber. Nur der arge Euryſtheus, wie er ſchon vor Herkules ſeine Feigheit bewieſen hatte, ſchonte auch jetzt ſeines Lebens, wollte von dem Vorſchlage nichts hö¬ ren, und verließ die Schlachtreihe, an deren Spitze er ſtand, nicht. Auch Hyllus trat jetzt wieder zu ſeinem Heere zu¬
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an den Leib. Er empfahl die Obhut über die Kinder
ſeines Freundes und ihre Großmutter den Aelteſten Athen's,
die in der Stadt zurückblieben. Mit der jungen Mann¬
ſchaft Athens und ihrem Könige Demophoon zog er ſelbſt
aus, ſich mit dem Heere des jungen Hyllus zu ver¬
einigen. Als nun die verbündete Schaar in ſchöner
Schlachtordnung ſtand, und das Feld weithin von blan¬
ken Waffenrüſtungen glänzte, gegenüber aber auf einen
Steinwurf das gewaltige Heer des Königes Euryſtheus,
er ſelbſt an der Spitze, ſeine unabſehbaren Reihen dehnte;
da ſtieg Hyllus, der Sohn des Herkules, von ſeinem
Streitwagen, ſtellte ſich mitten in die Gaſſe, welche die
feindlichen Heere noch frei gelaſſen hatten, und rief dem
gegenüber ſtehenden Argiverkönige zu: „Fürſt Euryſtheus!
ehe überflüſſiges Blutvergießen ſeinen Anfang nimmt, und
zwei große Städte ſich um weniger Menſchen willen be¬
kämpfen und mit Vernichtung bedrohen, höre meinen
Vorſchlag! Laß uns beide durch redlichen Zweikampf den
Streit entſcheiden: falle ich von deiner Hand, ſo magſt
du die Kinder des Herkules, meine Geſchwiſter mit dir
führen, und handeln mit ihnen, wie dir gefällt; wird
mir aber gegeben, dich zu fällen, ſo ſoll die väterliche
Würde und ſeine Wohnung und Herrſchaft im Pelopon¬
nes mir und den Seinigen allen geſichert ſeyn!“ Das
Heer der Verbündeten gab durch lauten Zuruf ſeinen Bei¬
fall zu erkennen, und auch die Schaaren der Argiver
murrten zuſtimmend herüber. Nur der arge Euryſtheus, wie
er ſchon vor Herkules ſeine Feigheit bewieſen hatte, ſchonte
auch jetzt ſeines Lebens, wollte von dem Vorſchlage nichts hö¬
ren, und verließ die Schlachtreihe, an deren Spitze er ſtand,
nicht. Auch Hyllus trat jetzt wieder zu ſeinem Heere zu¬
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/422>, abgerufen am 25.11.2024.
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