Zehn Jahre nachher entschlossen sich die Söhne der vor Theben umgekommenen Helden, Epigonen oder Nach¬ kömmlinge genannt, zu einem neuen Feldzuge gegen diese Stadt, den Tod ihrer Väter zu rächen. Es waren ihrer acht: Alkmäon und Amphilochus, die Söhne des Amphia¬ raus, Aegialeus, der Sohn Adrast's, Diomedes, der Sohn des Tydeus, Promachus, des Parthenopäus Sohn, Sthe¬ nelus, der Sohn des Kapaneus, Thersander, des Poly¬ nices, und Euryalus, des Mekisteus Sohn. Auch der alte König Adrastus, aus dem Kampfe der Väter allein noch übrig, gesellte sich zu ihnen, übernahm jedoch den Oberbefehl nicht, sondern wollte ihn einem jüngeren und rüstigeren Helden lassen. Da befragten die Verbündeten das Orakel des Apollo darüber, wen sie zum Anführer wählen sollten. Dieses bezeichnete ihnen den Alkmäon, des Amphiaraus Sohn. Also ward Alkmäon von ihnen zum Feldherrn gewählt. Er aber war ungewiß, ob er diese Würde annehmen dürfte, bevor er den Vater ge¬ rächt: deßwegen ging auch er hin zum Gotte und befragte das Orakel. Apoll antwortete ihm, er sollte beides aus¬ führen. Seine Mutter Eriphyle war bisher nicht nur im Besitze des verderblichen Halsbandes gewesen, sie hatte sich auch das zweite Unheil bringende Geschenk Aphrodi¬ tens, den Schleier, zu verschaffen gewußt. Thersander, der Sohn des Polynices, der den Schleier als Erbe besaß, hatte ihn ihr, wie einst sein Vater das Halsband, geschenkt, und sie damit bestochen, daß sie ihren Sohn Alkmäon überreden sollte, an dem Feldzuge gegen Thebe
Die Epigonen.
Zehn Jahre nachher entſchloſſen ſich die Söhne der vor Theben umgekommenen Helden, Epigonen oder Nach¬ kömmlinge genannt, zu einem neuen Feldzuge gegen dieſe Stadt, den Tod ihrer Väter zu rächen. Es waren ihrer acht: Alkmäon und Amphilochus, die Söhne des Amphia¬ raus, Aegialeus, der Sohn Adraſt's, Diomedes, der Sohn des Tydeus, Promachus, des Parthenopäus Sohn, Sthe¬ nelus, der Sohn des Kapaneus, Therſander, des Poly¬ nices, und Euryalus, des Mekiſteus Sohn. Auch der alte König Adraſtus, aus dem Kampfe der Väter allein noch übrig, geſellte ſich zu ihnen, übernahm jedoch den Oberbefehl nicht, ſondern wollte ihn einem jüngeren und rüſtigeren Helden laſſen. Da befragten die Verbündeten das Orakel des Apollo darüber, wen ſie zum Anführer wählen ſollten. Dieſes bezeichnete ihnen den Alkmäon, des Amphiaraus Sohn. Alſo ward Alkmäon von ihnen zum Feldherrn gewählt. Er aber war ungewiß, ob er dieſe Würde annehmen dürfte, bevor er den Vater ge¬ rächt: deßwegen ging auch er hin zum Gotte und befragte das Orakel. Apoll antwortete ihm, er ſollte beides aus¬ führen. Seine Mutter Eriphyle war bisher nicht nur im Beſitze des verderblichen Halsbandes geweſen, ſie hatte ſich auch das zweite Unheil bringende Geſchenk Aphrodi¬ tens, den Schleier, zu verſchaffen gewußt. Therſander, der Sohn des Polynices, der den Schleier als Erbe beſaß, hatte ihn ihr, wie einſt ſein Vater das Halsband, geſchenkt, und ſie damit beſtochen, daß ſie ihren Sohn Alkmäon überreden ſollte, an dem Feldzuge gegen Thebe
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0405"n="379"/></div></div><divn="2"><head><hirendition="#b #g">Die Epigonen.</hi><lb/></head><p>Zehn Jahre nachher entſchloſſen ſich die Söhne der<lb/>
vor Theben umgekommenen Helden, Epigonen oder Nach¬<lb/>
kömmlinge genannt, zu einem neuen Feldzuge gegen dieſe<lb/>
Stadt, den Tod ihrer Väter zu rächen. Es waren ihrer<lb/>
acht: Alkmäon und Amphilochus, die Söhne des Amphia¬<lb/>
raus, Aegialeus, der Sohn Adraſt's, Diomedes, der Sohn<lb/>
des Tydeus, Promachus, des Parthenopäus Sohn, Sthe¬<lb/>
nelus, der Sohn des Kapaneus, Therſander, des Poly¬<lb/>
nices, und Euryalus, des Mekiſteus Sohn. Auch der<lb/>
alte König Adraſtus, aus dem Kampfe der Väter allein<lb/>
noch übrig, geſellte ſich zu ihnen, übernahm jedoch den<lb/>
Oberbefehl nicht, ſondern wollte ihn einem jüngeren und<lb/>
rüſtigeren Helden laſſen. Da befragten die Verbündeten<lb/>
das Orakel des Apollo darüber, wen ſie zum Anführer<lb/>
wählen ſollten. Dieſes bezeichnete ihnen den Alkmäon,<lb/>
des Amphiaraus Sohn. Alſo ward Alkmäon von ihnen<lb/>
zum Feldherrn gewählt. Er aber war ungewiß, ob er<lb/>
dieſe Würde annehmen dürfte, bevor er den Vater ge¬<lb/>
rächt: deßwegen ging auch er hin zum Gotte und befragte<lb/>
das Orakel. Apoll antwortete ihm, er ſollte beides aus¬<lb/>
führen. Seine Mutter Eriphyle war bisher nicht nur<lb/>
im Beſitze des verderblichen Halsbandes geweſen, ſie hatte<lb/>ſich auch das zweite Unheil bringende Geſchenk Aphrodi¬<lb/>
tens, den Schleier, zu verſchaffen gewußt. Therſander,<lb/>
der Sohn des Polynices, der den Schleier als Erbe<lb/>
beſaß, hatte ihn ihr, wie einſt ſein Vater das Halsband,<lb/>
geſchenkt, und ſie damit beſtochen, daß ſie ihren Sohn<lb/>
Alkmäon überreden ſollte, an dem Feldzuge gegen Thebe<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[379/0405]
Die Epigonen.
Zehn Jahre nachher entſchloſſen ſich die Söhne der
vor Theben umgekommenen Helden, Epigonen oder Nach¬
kömmlinge genannt, zu einem neuen Feldzuge gegen dieſe
Stadt, den Tod ihrer Väter zu rächen. Es waren ihrer
acht: Alkmäon und Amphilochus, die Söhne des Amphia¬
raus, Aegialeus, der Sohn Adraſt's, Diomedes, der Sohn
des Tydeus, Promachus, des Parthenopäus Sohn, Sthe¬
nelus, der Sohn des Kapaneus, Therſander, des Poly¬
nices, und Euryalus, des Mekiſteus Sohn. Auch der
alte König Adraſtus, aus dem Kampfe der Väter allein
noch übrig, geſellte ſich zu ihnen, übernahm jedoch den
Oberbefehl nicht, ſondern wollte ihn einem jüngeren und
rüſtigeren Helden laſſen. Da befragten die Verbündeten
das Orakel des Apollo darüber, wen ſie zum Anführer
wählen ſollten. Dieſes bezeichnete ihnen den Alkmäon,
des Amphiaraus Sohn. Alſo ward Alkmäon von ihnen
zum Feldherrn gewählt. Er aber war ungewiß, ob er
dieſe Würde annehmen dürfte, bevor er den Vater ge¬
rächt: deßwegen ging auch er hin zum Gotte und befragte
das Orakel. Apoll antwortete ihm, er ſollte beides aus¬
führen. Seine Mutter Eriphyle war bisher nicht nur
im Beſitze des verderblichen Halsbandes geweſen, ſie hatte
ſich auch das zweite Unheil bringende Geſchenk Aphrodi¬
tens, den Schleier, zu verſchaffen gewußt. Therſander,
der Sohn des Polynices, der den Schleier als Erbe
beſaß, hatte ihn ihr, wie einſt ſein Vater das Halsband,
geſchenkt, und ſie damit beſtochen, daß ſie ihren Sohn
Alkmäon überreden ſollte, an dem Feldzuge gegen Thebe
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/405>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.