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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

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schlug die Lanze seines Gegners in zwei Hälften. Der
Kampf war jetzt gleich, da beide sich ihres Wurfgeschos¬
ses beraubt sahen. Nun faßten sie rasch die Griffe ihrer
Schwerter und rückten einander ganz nahe auf den Leib;
Schild schlug gegen Schild, lautes Kampfgetöse hallte.
Da besann sich Eteokles auf einen Kunstgriff, den er im
thessalischen Lande gelernt. Er wechselte plötzlich seine
Stellung, zog sich nach hinten auf seinen linken Fuß zu¬
rück, deckte sich den eigenen Unterleib mit Sorgfalt, setzte
dann den vordern Fuß voran, und stach den Bruder, der
auf eine so veränderte Haltung des Gegners nicht gefaßt
war und den untern Theil des Leibes nicht mehr mit
dem Schilde gedeckt hatte, mitten durch den Leib über
den Hüften. Schmerzlich neigte sich nun Polynices auf
die Seite und sank bald unter Strömen Blutes zusam¬
men. Eteokles, nicht mehr an seinem Siege zweifelnd,
warf sein Schwert von sich und legte sich über den Ster¬
benden, ihn zu berauben. Dieß aber war sein Verderben:
denn jener hatte im Sturze sein Schwert doch noch fest
mit der Hand umklammert, und jetzt, so schwach er ath¬
mete, war ihm doch noch Kraft genug geblieben, dasselbe
dem über ihn gebeugten Eteokles tief in die Leber zu
stoßen. Dieser sank um, und hart neben dem sterbenden
Bruder nieder.

Nun öffneten sich die Thore Thebe's, die Frauen,
die Diener stürzten heraus, die Leiche ihres Herrschers
zu bejammern; Antigone aber warf sich über ihren gelieb¬
ten Bruder Polynices, um seine letzten Worte von den
Lippen zu nehmen. Mit Eteokles war es schneller zu
Ende gegangen, als mit diesem; nur noch ein tiefer Seuf¬
zer aus röchelnder Brust, und er war verschieden. Po¬

ſchlug die Lanze ſeines Gegners in zwei Hälften. Der
Kampf war jetzt gleich, da beide ſich ihres Wurfgeſchoſ¬
ſes beraubt ſahen. Nun faßten ſie raſch die Griffe ihrer
Schwerter und rückten einander ganz nahe auf den Leib;
Schild ſchlug gegen Schild, lautes Kampfgetöſe hallte.
Da beſann ſich Eteokles auf einen Kunſtgriff, den er im
theſſaliſchen Lande gelernt. Er wechſelte plötzlich ſeine
Stellung, zog ſich nach hinten auf ſeinen linken Fuß zu¬
rück, deckte ſich den eigenen Unterleib mit Sorgfalt, ſetzte
dann den vordern Fuß voran, und ſtach den Bruder, der
auf eine ſo veränderte Haltung des Gegners nicht gefaßt
war und den untern Theil des Leibes nicht mehr mit
dem Schilde gedeckt hatte, mitten durch den Leib über
den Hüften. Schmerzlich neigte ſich nun Polynices auf
die Seite und ſank bald unter Strömen Blutes zuſam¬
men. Eteokles, nicht mehr an ſeinem Siege zweifelnd,
warf ſein Schwert von ſich und legte ſich über den Ster¬
benden, ihn zu berauben. Dieß aber war ſein Verderben:
denn jener hatte im Sturze ſein Schwert doch noch feſt
mit der Hand umklammert, und jetzt, ſo ſchwach er ath¬
mete, war ihm doch noch Kraft genug geblieben, daſſelbe
dem über ihn gebeugten Eteokles tief in die Leber zu
ſtoßen. Dieſer ſank um, und hart neben dem ſterbenden
Bruder nieder.

Nun öffneten ſich die Thore Thebe's, die Frauen,
die Diener ſtürzten heraus, die Leiche ihres Herrſchers
zu bejammern; Antigone aber warf ſich über ihren gelieb¬
ten Bruder Polynices, um ſeine letzten Worte von den
Lippen zu nehmen. Mit Eteokles war es ſchneller zu
Ende gegangen, als mit dieſem; nur noch ein tiefer Seuf¬
zer aus röchelnder Bruſt, und er war verſchieden. Po¬

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[366/0392] ſchlug die Lanze ſeines Gegners in zwei Hälften. Der Kampf war jetzt gleich, da beide ſich ihres Wurfgeſchoſ¬ ſes beraubt ſahen. Nun faßten ſie raſch die Griffe ihrer Schwerter und rückten einander ganz nahe auf den Leib; Schild ſchlug gegen Schild, lautes Kampfgetöſe hallte. Da beſann ſich Eteokles auf einen Kunſtgriff, den er im theſſaliſchen Lande gelernt. Er wechſelte plötzlich ſeine Stellung, zog ſich nach hinten auf ſeinen linken Fuß zu¬ rück, deckte ſich den eigenen Unterleib mit Sorgfalt, ſetzte dann den vordern Fuß voran, und ſtach den Bruder, der auf eine ſo veränderte Haltung des Gegners nicht gefaßt war und den untern Theil des Leibes nicht mehr mit dem Schilde gedeckt hatte, mitten durch den Leib über den Hüften. Schmerzlich neigte ſich nun Polynices auf die Seite und ſank bald unter Strömen Blutes zuſam¬ men. Eteokles, nicht mehr an ſeinem Siege zweifelnd, warf ſein Schwert von ſich und legte ſich über den Ster¬ benden, ihn zu berauben. Dieß aber war ſein Verderben: denn jener hatte im Sturze ſein Schwert doch noch feſt mit der Hand umklammert, und jetzt, ſo ſchwach er ath¬ mete, war ihm doch noch Kraft genug geblieben, daſſelbe dem über ihn gebeugten Eteokles tief in die Leber zu ſtoßen. Dieſer ſank um, und hart neben dem ſterbenden Bruder nieder. Nun öffneten ſich die Thore Thebe's, die Frauen, die Diener ſtürzten heraus, die Leiche ihres Herrſchers zu bejammern; Antigone aber warf ſich über ihren gelieb¬ ten Bruder Polynices, um ſeine letzten Worte von den Lippen zu nehmen. Mit Eteokles war es ſchneller zu Ende gegangen, als mit dieſem; nur noch ein tiefer Seuf¬ zer aus röchelnder Bruſt, und er war verſchieden. Po¬

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/392>, abgerufen am 23.11.2024.