der Bruder des Herkules, Iphiklus. Herkules selbst aber eroberte Sparta und nachdem er den Hippokoon und seine Söhne getödtet, führte er den Tyndareus, den Vater der Dioskuren Castor und Pollux, zurück, und setzte ihn wieder auf den Thron, behielt sich aber das eroberte Reich, das er ihm übergab, für seine Nachkommen vor.
Herkules und Deianira.
Nachdem der Heros noch mancherlei Thaten im Pe¬ loponnes verrichtet, kam er nach Aetolien und Kalydon zum Könige Oeneus, der eine wunderschöne Tochter, Deianira mit Namen, hatte. Diese erlitt mehr als ir¬ gend ein andres Aetolerweib bittere Noth durch eine sehr lästige Brautbewerbung. Sie lebte anfangs zu Pleuron, einer andern Hauptstadt ihres väterlichen Reichs. Dort hatte sich ein Fluß, Achelous genannt, als Freier einge¬ funden, und, in drei Gestalten verwandelt, erbat er sie von ihrem Vater. Das einemal kam er in einen leib¬ haftigen Stier verzaubert, das andremal als schillernder gewundener Drache, endlich zwar in Menschengestalt, aber mit einem Stierhaupte, dem vom zottigen Kinne her¬ nieder frische Quellbäche strömten. Deianira konnte einem so entsetzlichen Freier nicht ohne tiefe Bekümmerniß entge¬ gensehen; sie flehte zu den Göttern inbrünstig um ihren Tod. Lange hatte sie dem Bewerber widerstrebt, aber dieser wurde immer dringender, und ihr Vater zeigte sich nicht abgeneigt, sie dem Stromgotte von uraltem Götter¬ adel zu überlassen. Da erschien, wenn auch spät, doch immer noch zu rechter Zeit, als zweiter Freier Herkules,
der Bruder des Herkules, Iphiklus. Herkules ſelbſt aber eroberte Sparta und nachdem er den Hippokoon und ſeine Söhne getödtet, führte er den Tyndareus, den Vater der Dioskuren Caſtor und Pollux, zurück, und ſetzte ihn wieder auf den Thron, behielt ſich aber das eroberte Reich, das er ihm übergab, für ſeine Nachkommen vor.
Herkules und Deïanira.
Nachdem der Heros noch mancherlei Thaten im Pe¬ loponnes verrichtet, kam er nach Aetolien und Kalydon zum Könige Oeneus, der eine wunderſchöne Tochter, Deïanira mit Namen, hatte. Dieſe erlitt mehr als ir¬ gend ein andres Aetolerweib bittere Noth durch eine ſehr läſtige Brautbewerbung. Sie lebte anfangs zu Pleuron, einer andern Hauptſtadt ihres väterlichen Reichs. Dort hatte ſich ein Fluß, Achelous genannt, als Freier einge¬ funden, und, in drei Geſtalten verwandelt, erbat er ſie von ihrem Vater. Das einemal kam er in einen leib¬ haftigen Stier verzaubert, das andremal als ſchillernder gewundener Drache, endlich zwar in Menſchengeſtalt, aber mit einem Stierhaupte, dem vom zottigen Kinne her¬ nieder friſche Quellbäche ſtrömten. Deïanira konnte einem ſo entſetzlichen Freier nicht ohne tiefe Bekümmerniß entge¬ genſehen; ſie flehte zu den Göttern inbrünſtig um ihren Tod. Lange hatte ſie dem Bewerber widerſtrebt, aber dieſer wurde immer dringender, und ihr Vater zeigte ſich nicht abgeneigt, ſie dem Stromgotte von uraltem Götter¬ adel zu überlaſſen. Da erſchien, wenn auch ſpät, doch immer noch zu rechter Zeit, als zweiter Freier Herkules,
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der Bruder des Herkules, Iphiklus. Herkules ſelbſt aber
eroberte Sparta und nachdem er den Hippokoon und ſeine
Söhne getödtet, führte er den Tyndareus, den Vater der
Dioskuren Caſtor und Pollux, zurück, und ſetzte ihn wieder
auf den Thron, behielt ſich aber das eroberte Reich, das
er ihm übergab, für ſeine Nachkommen vor.
Herkules und Deïanira.
Nachdem der Heros noch mancherlei Thaten im Pe¬
loponnes verrichtet, kam er nach Aetolien und Kalydon
zum Könige Oeneus, der eine wunderſchöne Tochter,
Deïanira mit Namen, hatte. Dieſe erlitt mehr als ir¬
gend ein andres Aetolerweib bittere Noth durch eine ſehr
läſtige Brautbewerbung. Sie lebte anfangs zu Pleuron,
einer andern Hauptſtadt ihres väterlichen Reichs. Dort
hatte ſich ein Fluß, Achelous genannt, als Freier einge¬
funden, und, in drei Geſtalten verwandelt, erbat er ſie
von ihrem Vater. Das einemal kam er in einen leib¬
haftigen Stier verzaubert, das andremal als ſchillernder
gewundener Drache, endlich zwar in Menſchengeſtalt, aber
mit einem Stierhaupte, dem vom zottigen Kinne her¬
nieder friſche Quellbäche ſtrömten. Deïanira konnte einem
ſo entſetzlichen Freier nicht ohne tiefe Bekümmerniß entge¬
genſehen; ſie flehte zu den Göttern inbrünſtig um ihren
Tod. Lange hatte ſie dem Bewerber widerſtrebt, aber
dieſer wurde immer dringender, und ihr Vater zeigte ſich
nicht abgeneigt, ſie dem Stromgotte von uraltem Götter¬
adel zu überlaſſen. Da erſchien, wenn auch ſpät, doch
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/282>, abgerufen am 25.11.2024.
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