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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

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mit Grauen ab. "Uns traf ein Geschick," sprach er, "dem
nicht Lachen und Schmausen ziemt. Fürwahr, der Sohn
des Pheres ist nur allzu gastfreundlich, daß er in so tie¬
fer Trauer einen so leichtsinnigen Gast aufgenommen
hat!" -- "Soll ich nicht fröhlich seyn," erwiederte Herku¬
les verdrießlich, weil eine fremde Frau gestorben ist?" --
"Eine fremde Frau!" rief der Diener verwundert. "Dir
mochte sie fremd seyn; uns war sie es nicht!" -- "So
hat mir Admetus seinen Unfall nicht recht berichtet," sagte
Herkules stutzend. Aber der Sklave sprach: "Nun sey
du immerhin fröhlich; der Gebieter Weh geht ja nur ihre
Freunde und Diener an!" Aber Herkules hatte keine
Ruhe mehr, bis er die Wahrheit erfahren hatte. "Ist's
möglich?" rief er. "Eines so herrlichen Weibes ward er
beraubt, und dennoch hat er den Fremdling so gastlich
aufgenommen? Trat ich doch mit geheimem Widerwillen
zum Thore hinein, und nun hab' ich hier im Trauerhause
das Haupt mit Kränzen geschmückt, gejubelt und getrun¬
ken! Aber sage mir, wo liegt das fromme Weib bestat¬
tet?" -- "Wenn du den geraden Weg gehst, der nach
Larissa führt," antwortete der Sklave, "so siehst du das
schmucke Todtenmaal, das ihr schon aufgerichtet ist." Mit
diesen Worten verließ der Diener weinend den Fremdling.

Alleingelassen brach Herkules in keine Klagen aus,
sondern der Held hatte schnell einen Entschluß gefaßt. "Ret¬
ten muß ich," sprach er zu sich selbst, "diese Gestorbene,
sie wieder einführen in das Haus des Gatten; anders
kann ich seine Gunst nicht würdig vergelten. Ich gehe
an das Grabmal; dort harre ich des Thanatos, des
Todtenbeherrschers. Ich finde ihn wohl, wie er kommt,
das Opferblut zu trinken, das ihm über dem Denkmal

mit Grauen ab. „Uns traf ein Geſchick,“ ſprach er, „dem
nicht Lachen und Schmauſen ziemt. Fürwahr, der Sohn
des Pheres iſt nur allzu gaſtfreundlich, daß er in ſo tie¬
fer Trauer einen ſo leichtſinnigen Gaſt aufgenommen
hat!“ — „Soll ich nicht fröhlich ſeyn,“ erwiederte Herku¬
les verdrießlich, weil eine fremde Frau geſtorben iſt?“ —
„Eine fremde Frau!“ rief der Diener verwundert. „Dir
mochte ſie fremd ſeyn; uns war ſie es nicht!“ — „So
hat mir Admetus ſeinen Unfall nicht recht berichtet,“ ſagte
Herkules ſtutzend. Aber der Sklave ſprach: „Nun ſey
du immerhin fröhlich; der Gebieter Weh geht ja nur ihre
Freunde und Diener an!“ Aber Herkules hatte keine
Ruhe mehr, bis er die Wahrheit erfahren hatte. „Iſt's
möglich?“ rief er. „Eines ſo herrlichen Weibes ward er
beraubt, und dennoch hat er den Fremdling ſo gaſtlich
aufgenommen? Trat ich doch mit geheimem Widerwillen
zum Thore hinein, und nun hab' ich hier im Trauerhauſe
das Haupt mit Kränzen geſchmückt, gejubelt und getrun¬
ken! Aber ſage mir, wo liegt das fromme Weib beſtat¬
tet?“ — „Wenn du den geraden Weg gehſt, der nach
Lariſſa führt,“ antwortete der Sklave, „ſo ſiehst du das
ſchmucke Todtenmaal, das ihr ſchon aufgerichtet iſt.“ Mit
dieſen Worten verließ der Diener weinend den Fremdling.

Alleingelaſſen brach Herkules in keine Klagen aus,
ſondern der Held hatte ſchnell einen Entſchluß gefaßt. „Ret¬
ten muß ich,“ ſprach er zu ſich ſelbſt, „dieſe Geſtorbene,
ſie wieder einführen in das Haus des Gatten; anders
kann ich ſeine Gunſt nicht würdig vergelten. Ich gehe
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Todtenbeherrſchers. Ich finde ihn wohl, wie er kommt,
das Opferblut zu trinken, das ihm über dem Denkmal

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[244/0270] mit Grauen ab. „Uns traf ein Geſchick,“ ſprach er, „dem nicht Lachen und Schmauſen ziemt. Fürwahr, der Sohn des Pheres iſt nur allzu gaſtfreundlich, daß er in ſo tie¬ fer Trauer einen ſo leichtſinnigen Gaſt aufgenommen hat!“ — „Soll ich nicht fröhlich ſeyn,“ erwiederte Herku¬ les verdrießlich, weil eine fremde Frau geſtorben iſt?“ — „Eine fremde Frau!“ rief der Diener verwundert. „Dir mochte ſie fremd ſeyn; uns war ſie es nicht!“ — „So hat mir Admetus ſeinen Unfall nicht recht berichtet,“ ſagte Herkules ſtutzend. Aber der Sklave ſprach: „Nun ſey du immerhin fröhlich; der Gebieter Weh geht ja nur ihre Freunde und Diener an!“ Aber Herkules hatte keine Ruhe mehr, bis er die Wahrheit erfahren hatte. „Iſt's möglich?“ rief er. „Eines ſo herrlichen Weibes ward er beraubt, und dennoch hat er den Fremdling ſo gaſtlich aufgenommen? Trat ich doch mit geheimem Widerwillen zum Thore hinein, und nun hab' ich hier im Trauerhauſe das Haupt mit Kränzen geſchmückt, gejubelt und getrun¬ ken! Aber ſage mir, wo liegt das fromme Weib beſtat¬ tet?“ — „Wenn du den geraden Weg gehſt, der nach Lariſſa führt,“ antwortete der Sklave, „ſo ſiehst du das ſchmucke Todtenmaal, das ihr ſchon aufgerichtet iſt.“ Mit dieſen Worten verließ der Diener weinend den Fremdling. Alleingelaſſen brach Herkules in keine Klagen aus, ſondern der Held hatte ſchnell einen Entſchluß gefaßt. „Ret¬ ten muß ich,“ ſprach er zu ſich ſelbſt, „dieſe Geſtorbene, ſie wieder einführen in das Haus des Gatten; anders kann ich ſeine Gunſt nicht würdig vergelten. Ich gehe an das Grabmal; dort harre ich des Thanatos, des Todtenbeherrſchers. Ich finde ihn wohl, wie er kommt, das Opferblut zu trinken, das ihm über dem Denkmal

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/270>, abgerufen am 25.11.2024.