Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

und seine grauenvolle Seele zum Hades zurücksandte.
Lange versuchte er vergebens, die Haut des Gefallenen
abzuweiden, sie wich keinem Eisen, keinem Steine. End¬
lich kam ihm in den Sinn, sie mit den Klauen des Thiers
selbst abzuziehen, was auch sogleich gelang. Später ver¬
fertigte er sich aus diesem herrlichen Löwenfell einen Pan¬
zer und aus dem Rachen einen neuen Helm; für jetzt
aber nahm er Kleid und Waffen, in denen er gekommen
war, wieder zu sich und machte sich, das Fell des ne¬
meischen Löwen über den Arm gehängt, auf den Rückweg
nach Tirynth. Als der König Eurystheus ihn mit der
Hülle des gräßlichen Thieres daherkommen sah, gerieth
er über die göttliche Kraft des Helden in solche Angst,
daß er in einen ehernen Topf kroch. Auch ließ er fort¬
hin den Herkules nicht mehr unter seine Augen kommen,
sondern ihm seine Befehle nur außerhalb der Mauern
durch Kopreus, einen Sohn des Pelops, zufertigen.

Die zweite Arbeit des Helden war, die Hydra zu
erlegen, die ebenfalls eine Tochter des Typhon und
der Echidna war. Diese, zu Argolis, im Sumpfe von
Lerna aufgewachsen, kam aufs Land heraus, zerriß die
Herden und verwüstete das Feld. Die Hyder war un¬
mäßig groß, eine Schlange mit neun Häuptern, von de¬
nen acht sterblich, das in der Mitte stehende aber unsterb¬
lich war. Herkules ging auch diesem Kampfe muthig
entgegen: er bestieg sofort einen Wagen; sein geliebter
Neffe Iolaus, der Sohn seines Stiefbruders Iphikles,
der lange Zeit sein unzertrennlicher Gefährte blieb, setzte
sich als Rosselenker an seine Seite, und so ging es im
Fluge Lerna zu. Endlich wurde die Hyder auf einem
Hügel bei den Quellen der Amymone sichtbar, wo sich

und ſeine grauenvolle Seele zum Hades zurückſandte.
Lange verſuchte er vergebens, die Haut des Gefallenen
abzuweiden, ſie wich keinem Eiſen, keinem Steine. End¬
lich kam ihm in den Sinn, ſie mit den Klauen des Thiers
ſelbſt abzuziehen, was auch ſogleich gelang. Später ver¬
fertigte er ſich aus dieſem herrlichen Löwenfell einen Pan¬
zer und aus dem Rachen einen neuen Helm; für jetzt
aber nahm er Kleid und Waffen, in denen er gekommen
war, wieder zu ſich und machte ſich, das Fell des ne¬
meiſchen Löwen über den Arm gehängt, auf den Rückweg
nach Tirynth. Als der König Euryſtheus ihn mit der
Hülle des gräßlichen Thieres daherkommen ſah, gerieth
er über die göttliche Kraft des Helden in ſolche Angſt,
daß er in einen ehernen Topf kroch. Auch ließ er fort¬
hin den Herkules nicht mehr unter ſeine Augen kommen,
ſondern ihm ſeine Befehle nur außerhalb der Mauern
durch Kopreus, einen Sohn des Pelops, zufertigen.

Die zweite Arbeit des Helden war, die Hydra zu
erlegen, die ebenfalls eine Tochter des Typhon und
der Echidna war. Dieſe, zu Argolis, im Sumpfe von
Lerna aufgewachſen, kam aufs Land heraus, zerriß die
Herden und verwüſtete das Feld. Die Hyder war un¬
mäßig groß, eine Schlange mit neun Häuptern, von de¬
nen acht ſterblich, das in der Mitte ſtehende aber unſterb¬
lich war. Herkules ging auch dieſem Kampfe muthig
entgegen: er beſtieg ſofort einen Wagen; ſein geliebter
Neffe Iolaus, der Sohn ſeines Stiefbruders Iphikles,
der lange Zeit ſein unzertrennlicher Gefährte blieb, ſetzte
ſich als Roſſelenker an ſeine Seite, und ſo ging es im
Fluge Lerna zu. Endlich wurde die Hyder auf einem
Hügel bei den Quellen der Amymone ſichtbar, wo ſich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0244" n="218"/>
und &#x017F;eine grauenvolle Seele zum Hades zurück&#x017F;andte.<lb/>
Lange ver&#x017F;uchte er vergebens, die Haut des Gefallenen<lb/>
abzuweiden, &#x017F;ie wich keinem Ei&#x017F;en, keinem Steine. End¬<lb/>
lich kam ihm in den Sinn, &#x017F;ie mit den Klauen des Thiers<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t abzuziehen, was auch &#x017F;ogleich gelang. Später ver¬<lb/>
fertigte er &#x017F;ich aus die&#x017F;em herrlichen Löwenfell einen Pan¬<lb/>
zer und aus dem Rachen einen neuen Helm; für jetzt<lb/>
aber nahm er Kleid und Waffen, in denen er gekommen<lb/>
war, wieder zu &#x017F;ich und machte &#x017F;ich, das Fell des ne¬<lb/>
mei&#x017F;chen Löwen über den Arm gehängt, auf den Rückweg<lb/>
nach Tirynth. Als der König Eury&#x017F;theus ihn mit der<lb/>
Hülle des gräßlichen Thieres daherkommen &#x017F;ah, gerieth<lb/>
er über die göttliche Kraft des Helden in &#x017F;olche Ang&#x017F;t,<lb/>
daß er in einen ehernen Topf kroch. Auch ließ er fort¬<lb/>
hin den Herkules nicht mehr unter &#x017F;eine Augen kommen,<lb/>
&#x017F;ondern ihm &#x017F;eine Befehle nur außerhalb der Mauern<lb/>
durch Kopreus, einen Sohn des Pelops, zufertigen.</p><lb/>
            <p>Die zweite Arbeit des Helden war, die Hydra zu<lb/>
erlegen, die ebenfalls eine Tochter des Typhon und<lb/>
der Echidna war. Die&#x017F;e, zu Argolis, im Sumpfe von<lb/>
Lerna aufgewach&#x017F;en, kam aufs Land heraus, zerriß die<lb/>
Herden und verwü&#x017F;tete das Feld. Die Hyder war un¬<lb/>
mäßig groß, eine Schlange mit neun Häuptern, von de¬<lb/>
nen acht &#x017F;terblich, das in der Mitte &#x017F;tehende aber un&#x017F;terb¬<lb/>
lich war. Herkules ging auch die&#x017F;em Kampfe muthig<lb/>
entgegen: er be&#x017F;tieg &#x017F;ofort einen Wagen; &#x017F;ein geliebter<lb/>
Neffe Iolaus, der Sohn &#x017F;eines Stiefbruders Iphikles,<lb/>
der lange Zeit &#x017F;ein unzertrennlicher Gefährte blieb, &#x017F;etzte<lb/>
&#x017F;ich als Ro&#x017F;&#x017F;elenker an &#x017F;eine Seite, und &#x017F;o ging es im<lb/>
Fluge Lerna zu. Endlich wurde die Hyder auf einem<lb/>
Hügel bei den Quellen der Amymone &#x017F;ichtbar, wo &#x017F;ich<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[218/0244] und ſeine grauenvolle Seele zum Hades zurückſandte. Lange verſuchte er vergebens, die Haut des Gefallenen abzuweiden, ſie wich keinem Eiſen, keinem Steine. End¬ lich kam ihm in den Sinn, ſie mit den Klauen des Thiers ſelbſt abzuziehen, was auch ſogleich gelang. Später ver¬ fertigte er ſich aus dieſem herrlichen Löwenfell einen Pan¬ zer und aus dem Rachen einen neuen Helm; für jetzt aber nahm er Kleid und Waffen, in denen er gekommen war, wieder zu ſich und machte ſich, das Fell des ne¬ meiſchen Löwen über den Arm gehängt, auf den Rückweg nach Tirynth. Als der König Euryſtheus ihn mit der Hülle des gräßlichen Thieres daherkommen ſah, gerieth er über die göttliche Kraft des Helden in ſolche Angſt, daß er in einen ehernen Topf kroch. Auch ließ er fort¬ hin den Herkules nicht mehr unter ſeine Augen kommen, ſondern ihm ſeine Befehle nur außerhalb der Mauern durch Kopreus, einen Sohn des Pelops, zufertigen. Die zweite Arbeit des Helden war, die Hydra zu erlegen, die ebenfalls eine Tochter des Typhon und der Echidna war. Dieſe, zu Argolis, im Sumpfe von Lerna aufgewachſen, kam aufs Land heraus, zerriß die Herden und verwüſtete das Feld. Die Hyder war un¬ mäßig groß, eine Schlange mit neun Häuptern, von de¬ nen acht ſterblich, das in der Mitte ſtehende aber unſterb¬ lich war. Herkules ging auch dieſem Kampfe muthig entgegen: er beſtieg ſofort einen Wagen; ſein geliebter Neffe Iolaus, der Sohn ſeines Stiefbruders Iphikles, der lange Zeit ſein unzertrennlicher Gefährte blieb, ſetzte ſich als Roſſelenker an ſeine Seite, und ſo ging es im Fluge Lerna zu. Endlich wurde die Hyder auf einem Hügel bei den Quellen der Amymone ſichtbar, wo ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/244
Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/244>, abgerufen am 22.11.2024.