Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite
Tantalus.

Tantalus, ein Sohn des Zeus, herrschte zu Sipy¬
lus in Phrygien, und war außerordentlich reich und be¬
rühmt. Wenn je einen sterblichen Mann die olympischen
Götter geehrt haben, so war es dieser. Seiner hohen
Abstammung wegen wurde er zu ihrer vertrauten Freund¬
schaft erhoben, zuletzt durfte er an der Tafel Jupiters
speisen, und Alles mit anhören, was die Unsterblichen
unter sich besprachen. Aber sein eitler Menschengeist ver¬
mochte das überirdische Glück nicht zu tragen, und er
fing an, mannigfaltig gegen die Götter zu freveln. Er
verrieth den Sterblichen die Geheimnisse der Götter; er
entwandte von ihrer Tafel Nektar und Ambrosia, und
vertheilte den Raub unter seine irdischen Genossen; er
barg den köstlichen goldenen Hund, den ein anderer aus
dem Tempel Jupiters zu Kreta gestohlen hatte, und als
dieser ihn zurückforderte, läugnete er mit einem Eide ab,
ihn erhalten zu haben. Endlich lud er im Uebermuthe die
Götter wieder zu Gaste, und um ihre Allwissenheit auf
die Probe zu setzen, ließ er ihnen seinen eigenen Sohn
Pelops schlachten und zurichten. Nur Ceres verzehrte von
dem gräßlichen Gericht ein Schulterblatt, die übrigen
Götter aber merkten den Greuel, warfen die zerstückelten
Glieder des Knaben in einen Kessel, und die Parce
Klotho zog ihn mit erneuter Schönheit hervor. Anstatt
der verzehrten Schulter wurde eine elfenbeinerne ein¬
gesetzt.

Jetzt hatte Tantalus das Maaß seiner Frevel er¬
füllt und wurde von den Göttern in die Hölle gestoßen.

Tantalus.

Tantalus, ein Sohn des Zeus, herrſchte zu Sipy¬
lus in Phrygien, und war außerordentlich reich und be¬
rühmt. Wenn je einen ſterblichen Mann die olympiſchen
Götter geehrt haben, ſo war es dieſer. Seiner hohen
Abſtammung wegen wurde er zu ihrer vertrauten Freund¬
ſchaft erhoben, zuletzt durfte er an der Tafel Jupiters
ſpeiſen, und Alles mit anhören, was die Unſterblichen
unter ſich beſprachen. Aber ſein eitler Menſchengeiſt ver¬
mochte das überirdiſche Glück nicht zu tragen, und er
fing an, mannigfaltig gegen die Götter zu freveln. Er
verrieth den Sterblichen die Geheimniſſe der Götter; er
entwandte von ihrer Tafel Nektar und Ambroſia, und
vertheilte den Raub unter ſeine irdiſchen Genoſſen; er
barg den köſtlichen goldenen Hund, den ein anderer aus
dem Tempel Jupiters zu Kreta geſtohlen hatte, und als
dieſer ihn zurückforderte, läugnete er mit einem Eide ab,
ihn erhalten zu haben. Endlich lud er im Uebermuthe die
Götter wieder zu Gaſte, und um ihre Allwiſſenheit auf
die Probe zu ſetzen, ließ er ihnen ſeinen eigenen Sohn
Pelops ſchlachten und zurichten. Nur Ceres verzehrte von
dem gräßlichen Gericht ein Schulterblatt, die übrigen
Götter aber merkten den Greuel, warfen die zerſtückelten
Glieder des Knaben in einen Keſſel, und die Parce
Klotho zog ihn mit erneuter Schönheit hervor. Anſtatt
der verzehrten Schulter wurde eine elfenbeinerne ein¬
geſetzt.

Jetzt hatte Tantalus das Maaß ſeiner Frevel er¬
füllt und wurde von den Göttern in die Hölle geſtoßen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0211" n="185"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b #g">Tantalus.</hi><lb/>
          </head>
          <p>Tantalus, ein Sohn des Zeus, herr&#x017F;chte zu Sipy¬<lb/>
lus in Phrygien, und war außerordentlich reich und be¬<lb/>
rühmt. Wenn je einen &#x017F;terblichen Mann die olympi&#x017F;chen<lb/>
Götter geehrt haben, &#x017F;o war es die&#x017F;er. Seiner hohen<lb/>
Ab&#x017F;tammung wegen wurde er zu ihrer vertrauten Freund¬<lb/>
&#x017F;chaft erhoben, zuletzt durfte er an der Tafel Jupiters<lb/>
&#x017F;pei&#x017F;en, und Alles mit anhören, was die Un&#x017F;terblichen<lb/>
unter &#x017F;ich be&#x017F;prachen. Aber &#x017F;ein eitler Men&#x017F;chengei&#x017F;t ver¬<lb/>
mochte das überirdi&#x017F;che Glück nicht zu tragen, und er<lb/>
fing an, mannigfaltig gegen die Götter zu freveln. Er<lb/>
verrieth den Sterblichen die Geheimni&#x017F;&#x017F;e der Götter; er<lb/>
entwandte von ihrer Tafel Nektar und Ambro&#x017F;ia, und<lb/>
vertheilte den Raub unter &#x017F;eine irdi&#x017F;chen Geno&#x017F;&#x017F;en; er<lb/>
barg den kö&#x017F;tlichen goldenen Hund, den ein anderer aus<lb/>
dem Tempel Jupiters zu Kreta ge&#x017F;tohlen hatte, und als<lb/>
die&#x017F;er ihn zurückforderte, läugnete er mit einem Eide ab,<lb/>
ihn erhalten zu haben. Endlich lud er im Uebermuthe die<lb/>
Götter wieder zu Ga&#x017F;te, und um ihre Allwi&#x017F;&#x017F;enheit auf<lb/>
die Probe zu &#x017F;etzen, ließ er ihnen &#x017F;einen eigenen Sohn<lb/>
Pelops &#x017F;chlachten und zurichten. Nur Ceres verzehrte von<lb/>
dem gräßlichen Gericht ein Schulterblatt, die übrigen<lb/>
Götter aber merkten den Greuel, warfen die zer&#x017F;tückelten<lb/>
Glieder des Knaben in einen Ke&#x017F;&#x017F;el, und die Parce<lb/>
Klotho zog ihn mit erneuter Schönheit hervor. An&#x017F;tatt<lb/>
der verzehrten Schulter wurde eine elfenbeinerne ein¬<lb/>
ge&#x017F;etzt.</p><lb/>
          <p>Jetzt hatte Tantalus das Maaß &#x017F;einer Frevel er¬<lb/>
füllt und wurde von den Göttern in die Hölle ge&#x017F;toßen.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[185/0211] Tantalus. Tantalus, ein Sohn des Zeus, herrſchte zu Sipy¬ lus in Phrygien, und war außerordentlich reich und be¬ rühmt. Wenn je einen ſterblichen Mann die olympiſchen Götter geehrt haben, ſo war es dieſer. Seiner hohen Abſtammung wegen wurde er zu ihrer vertrauten Freund¬ ſchaft erhoben, zuletzt durfte er an der Tafel Jupiters ſpeiſen, und Alles mit anhören, was die Unſterblichen unter ſich beſprachen. Aber ſein eitler Menſchengeiſt ver¬ mochte das überirdiſche Glück nicht zu tragen, und er fing an, mannigfaltig gegen die Götter zu freveln. Er verrieth den Sterblichen die Geheimniſſe der Götter; er entwandte von ihrer Tafel Nektar und Ambroſia, und vertheilte den Raub unter ſeine irdiſchen Genoſſen; er barg den köſtlichen goldenen Hund, den ein anderer aus dem Tempel Jupiters zu Kreta geſtohlen hatte, und als dieſer ihn zurückforderte, läugnete er mit einem Eide ab, ihn erhalten zu haben. Endlich lud er im Uebermuthe die Götter wieder zu Gaſte, und um ihre Allwiſſenheit auf die Probe zu ſetzen, ließ er ihnen ſeinen eigenen Sohn Pelops ſchlachten und zurichten. Nur Ceres verzehrte von dem gräßlichen Gericht ein Schulterblatt, die übrigen Götter aber merkten den Greuel, warfen die zerſtückelten Glieder des Knaben in einen Keſſel, und die Parce Klotho zog ihn mit erneuter Schönheit hervor. Anſtatt der verzehrten Schulter wurde eine elfenbeinerne ein¬ geſetzt. Jetzt hatte Tantalus das Maaß ſeiner Frevel er¬ füllt und wurde von den Göttern in die Hölle geſtoßen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/211
Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 1. Stuttgart, 1838, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen01_1838/211>, abgerufen am 28.11.2024.