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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Dissertatio
die Verständigere und Verschwiegene aber auß ihren Intentionen
und Zielen magst du gar wol erkennen. Es ist verständig und bossier-
lich von einem Päbstischen Nuncio, welcher von einer Nation wi-
der umbkehret/ allwo er als ein Ordinari Legat residirt hatte/ auff
die Frag wer ihme succediren solte/ den Raht gegeben hat/ daß gantz
und gar keiner solte geschickt werden/ welcher gar fast verständig wä-
re/ sondern vielmehr der jenige/ welcher nur mittelmässig sein Sach
verstünde. Dann sprach er/ auß den Verständigen wird niemand
leichtlich erachten/ was zu vermeinen seye/ daß die Menschen selbi-
ger Nation thun werden. Und warlich/ dieser Fehler ist den al-
lerverständigsten Männern gemein/ welche offt auß dem Model ei-
genes Kopffs/ andere abmessen/ und dardurch über den Zweck schies-
sen/ in dem sie supponiren, daß die Leut grössere Sachen betrachten/
und ihnen selbst fürnehmen/ nnd offt subtilere List brauchen/ als wel-
che ihren Gemühtern einmal ist fürkommen. IV. Du kanst auch die
Leut erkennen/ aus anderer relation. Und die Mängel und Laster
zwar/ würdest am besten von den Feinden erkennen. Die Tugenden
und Künsten von den Freunden. Die Sitten und Zeiten von den
Dienern. Die Meinung und Betrachtungen von den innersten
Freunden/ mit welchen sie öffters reden. Aber/ das Geschrey des
Volcks ist leichtfertig/ der Obern Urtheil seyn wenig gewiß. Dann/
vor denselben gehen die Leut verdeckter herein. Das wahre Geschrey
fleusst von den Haußgenossen her. Es kunten von dieser Sach mehr
gesagt werden/ Aber diese wenige sollen gnug seyn. Unter diesem will
ich dich auffs treulichst ermahnet haben/ daß du dich nicht mit viel
wissen/ unter viel mischest. Dann/ die Polypragmosyne oder Kunst
vieler Sachen ist vermessen und ein gar unglückliche Sach. Derowe-
gen solle dar allein der Sachen/ Würckungen/ und Personen/ welcher
Arbeit du brauchest grössere Wahl machest/ auch alles geschickter und
sicherer disponiren und administriren wissest. Endlichen so folgt
auff die Erkändnus anderer/ die Erkäntnus seiner selbst. Dann es ist
kein wenigerer Fleiß zugebrauchen/ sondern vielmehr ein grösserer/
daß wir uns von uns selbsten/ als von andern/ warhafftig und fleis-
sig informiren. Dann das Oraculum: Kenne dich selbst/ ist
nicht allein ein Ursprung des allgemeinen Verstandes/ sondern hat
auch in Politischen Sachen das fürnembste Ort. Der H. Jacobus
ermahnet gar wol die Menschen: Daß derjenige/ welcher das Gesicht
in dem Spiegel beschauet hat/ doch alsbald vergesse/ wie er gewesen
ist. So dann ist einer vielmahligen inspection vonnöhten. Ein
Spiegel aber/ in welchem wir uns täglich beschauen sollen/ ist Theo-
logisch oder Politisch. Der Theologische ist das Wort Gottes. Der
Politische ist nichts anders/ als der Stand der Sachen und Zeiten

in

Diſſertatio
die Verſtaͤndigere und Verſchwiegene aber auß ihren Intentionen
und Zielen magſt du gar wol erkennen. Es iſt verſtaͤndig und boſſier-
lich von einem Paͤbſtiſchen Nuncio, welcher von einer Nation wi-
der umbkehret/ allwo er als ein Ordinari Legat reſidirt hatte/ auff
die Frag wer ihme ſuccediren ſolte/ den Raht gegeben hat/ daß gantz
und gar keiner ſolte geſchickt werden/ welcher gar faſt verſtaͤndig waͤ-
re/ ſondern vielmehr der jenige/ welcher nur mittelmaͤſſig ſein Sach
verſtuͤnde. Dann ſprach er/ auß den Verſtaͤndigen wird niemand
leichtlich erachten/ was zu vermeinen ſeye/ daß die Menſchen ſelbi-
ger Nation thun werden. Und warlich/ dieſer Fehler iſt den al-
lerverſtaͤndigſten Maͤnnern gemein/ welche offt auß dem Model ei-
genes Kopffs/ andere abmeſſen/ und dardurch uͤber den Zweck ſchieſ-
ſen/ in dem ſie ſupponiren, daß die Leut groͤſſere Sachen betrachten/
und ihnen ſelbſt fuͤrnehmen/ nnd offt ſubtilere Liſt brauchen/ als wel-
che ihren Gemuͤhtern einmal iſt fuͤrkommen. IV. Du kanſt auch die
Leut erkennen/ aus anderer relation. Und die Maͤngel und Laſter
zwar/ wuͤrdeſt am beſten von den Feinden erkennen. Die Tugenden
und Kuͤnſten von den Freunden. Die Sitten und Zeiten von den
Dienern. Die Meinung und Betrachtungen von den innerſten
Freunden/ mit welchen ſie oͤffters reden. Aber/ das Geſchrey des
Volcks iſt leichtfertig/ der Obern Urtheil ſeyn wenig gewiß. Dann/
vor denſelben gehen die Leut verdeckter herein. Das wahre Geſchrey
fleuſſt von den Haußgenoſſen her. Es kunten von dieſer Sach mehr
geſagt werden/ Aber dieſe wenige ſollen gnug ſeyn. Unter dieſem will
ich dich auffs treulichſt ermahnet haben/ daß du dich nicht mit viel
wiſſen/ unter viel miſcheſt. Dann/ die Polypragmoſyne oder Kunſt
vieler Sachen iſt vermeſſen und ein gar ungluͤckliche Sach. Derowe-
gen ſolle dar allein der Sachen/ Wuͤrckungen/ und Perſonen/ welcher
Arbeit du braucheſt groͤſſere Wahl macheſt/ auch alles geſchickter und
ſicherer diſponiren und adminiſtriren wiſſeſt. Endlichen ſo folgt
auff die Erkaͤndnus anderer/ die Erkaͤntnus ſeiner ſelbſt. Dann es iſt
kein wenigerer Fleiß zugebrauchen/ ſondern vielmehr ein groͤſſerer/
daß wir uns von uns ſelbſten/ als von andern/ warhafftig und fleiſ-
ſig informiren. Dann das Oraculum: Kenne dich ſelbſt/ iſt
nicht allein ein Urſprung des allgemeinen Verſtandes/ ſondern hat
auch in Politiſchen Sachen das fuͤrnembſte Ort. Der H. Jacobus
ermahnet gar wol die Menſchen: Daß derjenige/ welcher das Geſicht
in dem Spiegel beſchauet hat/ doch alsbald vergeſſe/ wie er geweſen
iſt. So dann iſt einer vielmahligen inſpection vonnoͤhten. Ein
Spiegel aber/ in welchem wir uns taͤglich beſchauen ſollen/ iſt Theo-
logiſch oder Politiſch. Der Theologiſche iſt das Wort Gottes. Der
Politiſche iſt nichts anders/ als der Stand der Sachen und Zeiten

in
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[764/0806] Diſſertatio die Verſtaͤndigere und Verſchwiegene aber auß ihren Intentionen und Zielen magſt du gar wol erkennen. Es iſt verſtaͤndig und boſſier- lich von einem Paͤbſtiſchen Nuncio, welcher von einer Nation wi- der umbkehret/ allwo er als ein Ordinari Legat reſidirt hatte/ auff die Frag wer ihme ſuccediren ſolte/ den Raht gegeben hat/ daß gantz und gar keiner ſolte geſchickt werden/ welcher gar faſt verſtaͤndig waͤ- re/ ſondern vielmehr der jenige/ welcher nur mittelmaͤſſig ſein Sach verſtuͤnde. Dann ſprach er/ auß den Verſtaͤndigen wird niemand leichtlich erachten/ was zu vermeinen ſeye/ daß die Menſchen ſelbi- ger Nation thun werden. Und warlich/ dieſer Fehler iſt den al- lerverſtaͤndigſten Maͤnnern gemein/ welche offt auß dem Model ei- genes Kopffs/ andere abmeſſen/ und dardurch uͤber den Zweck ſchieſ- ſen/ in dem ſie ſupponiren, daß die Leut groͤſſere Sachen betrachten/ und ihnen ſelbſt fuͤrnehmen/ nnd offt ſubtilere Liſt brauchen/ als wel- che ihren Gemuͤhtern einmal iſt fuͤrkommen. IV. Du kanſt auch die Leut erkennen/ aus anderer relation. Und die Maͤngel und Laſter zwar/ wuͤrdeſt am beſten von den Feinden erkennen. Die Tugenden und Kuͤnſten von den Freunden. Die Sitten und Zeiten von den Dienern. Die Meinung und Betrachtungen von den innerſten Freunden/ mit welchen ſie oͤffters reden. Aber/ das Geſchrey des Volcks iſt leichtfertig/ der Obern Urtheil ſeyn wenig gewiß. Dann/ vor denſelben gehen die Leut verdeckter herein. Das wahre Geſchrey fleuſſt von den Haußgenoſſen her. Es kunten von dieſer Sach mehr geſagt werden/ Aber dieſe wenige ſollen gnug ſeyn. Unter dieſem will ich dich auffs treulichſt ermahnet haben/ daß du dich nicht mit viel wiſſen/ unter viel miſcheſt. Dann/ die Polypragmoſyne oder Kunſt vieler Sachen iſt vermeſſen und ein gar ungluͤckliche Sach. Derowe- gen ſolle dar allein der Sachen/ Wuͤrckungen/ und Perſonen/ welcher Arbeit du braucheſt groͤſſere Wahl macheſt/ auch alles geſchickter und ſicherer diſponiren und adminiſtriren wiſſeſt. Endlichen ſo folgt auff die Erkaͤndnus anderer/ die Erkaͤntnus ſeiner ſelbſt. Dann es iſt kein wenigerer Fleiß zugebrauchen/ ſondern vielmehr ein groͤſſerer/ daß wir uns von uns ſelbſten/ als von andern/ warhafftig und fleiſ- ſig informiren. Dann das Oraculum: Kenne dich ſelbſt/ iſt nicht allein ein Urſprung des allgemeinen Verſtandes/ ſondern hat auch in Politiſchen Sachen das fuͤrnembſte Ort. Der H. Jacobus ermahnet gar wol die Menſchen: Daß derjenige/ welcher das Geſicht in dem Spiegel beſchauet hat/ doch alsbald vergeſſe/ wie er geweſen iſt. So dann iſt einer vielmahligen inſpection vonnoͤhten. Ein Spiegel aber/ in welchem wir uns taͤglich beſchauen ſollen/ iſt Theo- logiſch oder Politiſch. Der Theologiſche iſt das Wort Gottes. Der Politiſche iſt nichts anders/ als der Stand der Sachen und Zeiten in

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 764. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/806>, abgerufen am 22.11.2024.