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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Von der Kunst reich zu werden.
trachtung haben sie ihnen fürgenommen/ daß sie mit Hülff dieser
Kunst/ die vom H. Geist eingegebene Sinn mit zierlicher und klarer
Red/ der Zuhörer Gemüther/ eingtessen möchten/ und seyn dessentwe-
gen nicht weniger an Heiligkeit/ als Wolredenheit berühmt worden.
Wie fast aber diese Liechter auß der Antiquität/ ein solchen Eyfer in
unseren Gemüthern zu erwecken/ gelten sollen/ wolt ich mich befleis-
sen euch zuermahnen/ wann ich vermeynte/ daß die fürtreffliche/ jenes
Apostels/ Ermahnung von einem auß euch nicht were gelesen/ oder
negligirt worden: Si qua virtus, si qua laus disciplinae; Haec co-
gitate, haecagite, Phil 3. v.
8. das ist: Wann ihr Tugend habt/ wann
bey euch das Lob der Erbarkeit/ so bedenckt dieses/ würcket dieses. Es
war ein alter Schulmeister vorhanden/ mir nicht unbekandt/ der vor
Zeiten viel erlitten/ und in der Jugend viel gethan/ geschwitzt und ver-
froren; welcher vieler Sitten/ vieler Völcker Schulen gesehen; der
vor Zeiten seinen Schuljungen viel Chrias oder Orationes corri-
girt
hat/ dem gefiele über die massen/ daß vom Drexelio das studiren
der geistlichen Wolredenheit commendirt wurde. Ja/ sprach er/ in
Platone ist die höchste Boßheit gewesen (wiewol solche nicht unbillich
auß Haß/ gegen den Wolredner seiner Zeit erstanden ist) weilen er
die Rhetoricam oder Wolredenheit unter die Künsten deß Wollusts
gezehlet hat.

Was für ein Nothwendigkeit und Krafft der welt- und geistlichen
Wolredenheit seye/ nicht allein bey Gericht/ sondern auch in der Kir-
chen/ wann einer ist/ der es nicht wissen will/ ist vonnöthen/ daß man
ihm das Hirn mit der Nießwurtz helleboro purgiere. Jch laugne es
nicht/ daß die Wolredenheit der Weißheit unterworffen seye/ und
dieser gleichsam Dienerin zu achten ist. Es ist klar auß der Red/ welche
Gott zu dem Mose gethan. Dann da der Moses die befohlne Verrich-
tung wegen Mangel der Wolredenheit/ abschluge/ hat Gott geant-
wort: Du hast Aaron/ der wird dir an statt eines Redners seyn/ du
aber ihme an statt Gottes. Aber doch an dem Frucht/ und deß Volcks
Meynung nach/ welche die Weißheit der Eloquentz oder Wolre-
denheit. Last uns von dieser Sach den Salomonem hören: Der
Weise von Hertzen/ sagt er/ wird verständig genent werden. Aber der
süß mit reden ist/ wird grössere Ding finden. Mit welchen Worten
der weiseste aller König nicht undeutlich zuerkennen gibt/ daß die
Weißheit einem ein gut Geschrey und Verwunderung mache/ aber
in Verrichtungen der Sachen und gemeinem Leben/ seye die Elo-
quentz
gedäulicher.

Wann wir die Sach recht betrachten/ der Rhetoric oder Wolre-
denheit ist kein ander Geschäfft oder Würckung/ als daß sie die Ein-
gebung der Vernunfft der Phan tasey applicier und befehle/ und den
Appetit und Willen aufmuntere. Billich ist vom Cicero der Brauch

der
Z z iij

Von der Kunſt reich zu werden.
trachtung haben ſie ihnen fuͤrgenommen/ daß ſie mit Huͤlff dieſer
Kunſt/ die vom H. Geiſt eingegebene Sinn mit zierlicher und klarer
Red/ der Zuhoͤrer Gemuͤther/ eingteſſen moͤchten/ und ſeyn deſſentwe-
gen nicht weniger an Heiligkeit/ als Wolredenheit beruͤhmt worden.
Wie faſt aber dieſe Liechter auß der Antiquitaͤt/ ein ſolchen Eyfer in
unſeren Gemuͤthern zu erwecken/ gelten ſollen/ wolt ich mich befleiſ-
ſen euch zuermahnen/ wann ich vermeynte/ daß die fuͤrtreffliche/ jenes
Apoſtels/ Ermahnung von einem auß euch nicht were geleſen/ oder
negligirt worden: Si qua virtus, ſi qua laus diſciplinæ; Hæc co-
gitate, hæcagite, Phil 3. v.
8. das iſt: Wann ihr Tugend habt/ wann
bey euch das Lob der Erbarkeit/ ſo bedenckt dieſes/ wuͤrcket dieſes. Es
war ein alter Schulmeiſter vorhanden/ mir nicht unbekandt/ der vor
Zeiten viel erlitten/ und in der Jugend viel gethan/ geſchwitzt und ver-
froren; welcher vieler Sitten/ vieler Voͤlcker Schulen geſehen; der
vor Zeiten ſeinen Schuljungen viel Chrias oder Orationes corri-
girt
hat/ dem gefiele uͤber die maſſen/ daß vom Drexelio das ſtudiren
der geiſtlichen Wolredenheit commendirt wurde. Ja/ ſprach er/ in
Platone iſt die hoͤchſte Boßheit geweſen (wiewol ſolche nicht unbillich
auß Haß/ gegen den Wolredner ſeiner Zeit erſtanden iſt) weilen er
die Rhetoricam oder Wolredenheit unter die Kuͤnſten deß Wolluſts
gezehlet hat.

Was fuͤr ein Nothwendigkeit und Krafft der welt- und geiſtlichen
Wolredenheit ſeye/ nicht allein bey Gericht/ ſondern auch in der Kir-
chen/ wann einer iſt/ der es nicht wiſſen will/ iſt vonnoͤthen/ daß man
ihm das Hirn mit der Nießwurtz helleboro purgiere. Jch laugne es
nicht/ daß die Wolredenheit der Weißheit unterworffen ſeye/ und
dieſer gleichſam Dienerin zu achten iſt. Es iſt klar auß der Red/ welche
Gott zu dem Moſe gethan. Dann da der Moſes die befohlne Verꝛich-
tung wegen Mangel der Wolredenheit/ abſchluge/ hat Gott geant-
wort: Du haſt Aaron/ der wird dir an ſtatt eines Redners ſeyn/ du
aber ihme an ſtatt Gottes. Aber doch an dem Frucht/ und deß Volcks
Meynung nach/ welche die Weißheit der Eloquentz oder Wolre-
denheit. Laſt uns von dieſer Sach den Salomonem hoͤren: Der
Weiſe von Hertzen/ ſagt er/ wird verſtaͤndig genent werden. Aber der
ſuͤß mit reden iſt/ wird groͤſſere Ding finden. Mit welchen Worten
der weiſeſte aller Koͤnig nicht undeutlich zuerkennen gibt/ daß die
Weißheit einem ein gut Geſchrey und Verwunderung mache/ aber
in Verꝛichtungen der Sachen und gemeinem Leben/ ſeye die Elo-
quentz
gedaͤulicher.

Wann wir die Sach recht betrachten/ der Rhetoric oder Wolre-
denheit iſt kein ander Geſchaͤfft oder Wuͤrckung/ als daß ſie die Ein-
gebung der Vernunfft der Phan taſey applicier und befehle/ und den
Appetit und Willen aufmuntere. Billich iſt vom Cicero der Brauch

der
Z z iij
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[725/0767] Von der Kunſt reich zu werden. trachtung haben ſie ihnen fuͤrgenommen/ daß ſie mit Huͤlff dieſer Kunſt/ die vom H. Geiſt eingegebene Sinn mit zierlicher und klarer Red/ der Zuhoͤrer Gemuͤther/ eingteſſen moͤchten/ und ſeyn deſſentwe- gen nicht weniger an Heiligkeit/ als Wolredenheit beruͤhmt worden. Wie faſt aber dieſe Liechter auß der Antiquitaͤt/ ein ſolchen Eyfer in unſeren Gemuͤthern zu erwecken/ gelten ſollen/ wolt ich mich befleiſ- ſen euch zuermahnen/ wann ich vermeynte/ daß die fuͤrtreffliche/ jenes Apoſtels/ Ermahnung von einem auß euch nicht were geleſen/ oder negligirt worden: Si qua virtus, ſi qua laus diſciplinæ; Hæc co- gitate, hæcagite, Phil 3. v. 8. das iſt: Wann ihr Tugend habt/ wann bey euch das Lob der Erbarkeit/ ſo bedenckt dieſes/ wuͤrcket dieſes. Es war ein alter Schulmeiſter vorhanden/ mir nicht unbekandt/ der vor Zeiten viel erlitten/ und in der Jugend viel gethan/ geſchwitzt und ver- froren; welcher vieler Sitten/ vieler Voͤlcker Schulen geſehen; der vor Zeiten ſeinen Schuljungen viel Chrias oder Orationes corri- girt hat/ dem gefiele uͤber die maſſen/ daß vom Drexelio das ſtudiren der geiſtlichen Wolredenheit commendirt wurde. Ja/ ſprach er/ in Platone iſt die hoͤchſte Boßheit geweſen (wiewol ſolche nicht unbillich auß Haß/ gegen den Wolredner ſeiner Zeit erſtanden iſt) weilen er die Rhetoricam oder Wolredenheit unter die Kuͤnſten deß Wolluſts gezehlet hat. Was fuͤr ein Nothwendigkeit und Krafft der welt- und geiſtlichen Wolredenheit ſeye/ nicht allein bey Gericht/ ſondern auch in der Kir- chen/ wann einer iſt/ der es nicht wiſſen will/ iſt vonnoͤthen/ daß man ihm das Hirn mit der Nießwurtz helleboro purgiere. Jch laugne es nicht/ daß die Wolredenheit der Weißheit unterworffen ſeye/ und dieſer gleichſam Dienerin zu achten iſt. Es iſt klar auß der Red/ welche Gott zu dem Moſe gethan. Dann da der Moſes die befohlne Verꝛich- tung wegen Mangel der Wolredenheit/ abſchluge/ hat Gott geant- wort: Du haſt Aaron/ der wird dir an ſtatt eines Redners ſeyn/ du aber ihme an ſtatt Gottes. Aber doch an dem Frucht/ und deß Volcks Meynung nach/ welche die Weißheit der Eloquentz oder Wolre- denheit. Laſt uns von dieſer Sach den Salomonem hoͤren: Der Weiſe von Hertzen/ ſagt er/ wird verſtaͤndig genent werden. Aber der ſuͤß mit reden iſt/ wird groͤſſere Ding finden. Mit welchen Worten der weiſeſte aller Koͤnig nicht undeutlich zuerkennen gibt/ daß die Weißheit einem ein gut Geſchrey und Verwunderung mache/ aber in Verꝛichtungen der Sachen und gemeinem Leben/ ſeye die Elo- quentz gedaͤulicher. Wann wir die Sach recht betrachten/ der Rhetoric oder Wolre- denheit iſt kein ander Geſchaͤfft oder Wuͤrckung/ als daß ſie die Ein- gebung der Vernunfft der Phan taſey applicier und befehle/ und den Appetit und Willen aufmuntere. Billich iſt vom Cicero der Brauch der Z z iij

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 725. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/767>, abgerufen am 22.11.2024.