Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].Abgenötigte mich doch drey Ding nicht überreden können. 1. Diabolum esse quie-tum, daß der Teuffel in der Welt ruhig sey und stille sitze. 2. Mun- dum esse fidelem, daß die Welt treu und redlich/ und nicht mehr falsch sey. 3. Christianum esse superbum, daß ein Hoffärtiger ein rechter Christ sey. Wer hoffärtig ist/ gibt zu verstehen/ daß er Lutheri Kinder Catechismum noch nicht gelernet habe/ darin diß die erste Fra- ist: Bistu ein Christ? Ach wir arme Bachanten/ wir bilden uns offt- mals ein/ wir seyn grosse perfecte Christen/ wir seyn gelehrte Leute/ wir haben die Witz mit Löffeln gefressen/ und wann wir es beym Liecht besehen/ so hat uns der Lucifer in die Narrenschul geführet! dieser Lu- cifer mengte sich auch unter die Jünger welche Christus in seiner Schul so treulich unterrichtete. Es kam eine Hoffart unter sie/ daß ei- ner wolte grösser seyn als der ander: Petrus hat ihm vielleicht etwas eingebildet wegen seines Alters/ die beyde Söhne Zebedei/ Jacobus und Johannes werden ihnen etwas herauß genommen haben/ wegen ihrer grossen Gaben im predigen/ umb welcher willen sie Donner Kinder genennet wurden: Vielleicht werden sie auch etwas hof- färtig worden seyn/ weil sie Christo so nahe anverwandt gewesen. Die- se Hoffart hieng ihrer Mutter an/ welche von Christo bat/ daß er ei- nen ihrer Kinder wolte sitzen lassen zu seiner rechten/ den andern zu seiner lincken/ das ist/ daß er einen etwa machen wolte/ zu einem Reichs-Marschall/ den andern zu einem Reichs-Cantzler/ das ist eine grosse Schwachheit an den Jüngern Christi gewesen/ als sie in der Schul Christi länger unterrichtet worden/ und hernach am Pfingst- tag die sichtbarliche Gaben deß H. Geistes empfangen haben/ lieset man von ihnen/ daß sie lauter Demut von sich haben leuchten lassen/ es gehet sonst insgemein also her/ daß/ je ungelahrter und unverstän- diger ein Mensch ist/ je hoffärtiger ist er? je mehr aber und je länger einer studiret/ je mehr sihet er wie viel Dinges er wissen solle/ und noch nicht wisse. Socrates wurde vor den weisesten Mann in gantz Grie- chenland gehalten? Als ihn aber jederman den weisesten Socratem nennete/ lacht er selbst drüber/ daß die Leut ihnen einbildeten er sey so gelahrt und sagte: Hoc unum scio, me nihil scire. Jch weiß diß ei- nige/ daß ich nichts wisse. Zu Leiden in Holland ist ein Professor, dem die Holländische Jugend unterweilens fuchsschwäntzet/ und nennet ihn Principem literatorum, den Fürsten der Gelahrten. Diese ge- lahrte Professor pflegte gemeiniglich in die Stammbücher zu schrei- ben: Quantum est, quod ignoramus, wie viel Dings ist/ das wir nicht wissen? Wann man aber heutiges Tages zu manchem lausichten Schulmeister sagte/ hochgelahrter Herr Magister, so würde er nicht mit Socrate sagen er wisse nichts/ sondern er würde den Bart strei- chen/ und dencken: Ja ein hochgelahrter Mann bin ich/ das wissen alle
Abgenoͤtigte mich doch drey Ding nicht uͤberꝛeden koͤnnen. 1. Diabolum eſſe quie-tum, daß der Teuffel in der Welt ruhig ſey und ſtille ſitze. 2. Mun- dum eſſe fidelem, daß die Welt treu und redlich/ und nicht mehr falſch ſey. 3. Chriſtianum eſſe ſuperbum, daß ein Hoffaͤrtiger ein rechter Chriſt ſey. Wer hoffaͤrtig iſt/ gibt zu verſtehen/ daß er Lutheri Kinder Catechiſmum noch nicht gelernet habe/ darin diß die erſte Fra- iſt: Biſtu ein Chriſt? Ach wir arme Bachanten/ wir bilden uns offt- mals ein/ wir ſeyn groſſe perfecte Chriſten/ wir ſeyn gelehrte Leute/ wir haben die Witz mit Loͤffeln gefreſſen/ und wann wir es beym Liecht beſehen/ ſo hat uns der Lucifer in die Narꝛenſchul gefuͤhret! dieſer Lu- cifer mengte ſich auch unter die Juͤnger welche Chriſtus in ſeiner Schul ſo treulich unterꝛichtete. Es kam eine Hoffart unter ſie/ daß ei- ner wolte groͤſſer ſeyn als der ander: Petrus hat ihm vielleicht etwas eingebildet wegen ſeines Alters/ die beyde Soͤhne Zebedei/ Jacobus und Johannes werden ihnen etwas herauß genommen haben/ wegen ihrer groſſen Gaben im predigen/ umb welcher willen ſie Donner Kinder genennet wurden: Vielleicht werden ſie auch etwas hof- faͤrtig worden ſeyn/ weil ſie Chriſto ſo nahe anverwandt geweſen. Die- ſe Hoffart hieng ihrer Mutter an/ welche von Chriſto bat/ daß er ei- nen ihrer Kinder wolte ſitzen laſſen zu ſeiner rechten/ den andern zu ſeiner lincken/ das iſt/ daß er einen etwa machen wolte/ zu einem Reichs-Marſchall/ den andern zu einem Reichs-Cantzler/ das iſt eine groſſe Schwachheit an den Juͤngern Chriſti geweſen/ als ſie in der Schul Chriſti laͤnger unterꝛichtet worden/ und hernach am Pfingſt- tag die ſichtbarliche Gaben deß H. Geiſtes empfangen haben/ lieſet man von ihnen/ daß ſie lauter Demut von ſich haben leuchten laſſen/ es gehet ſonſt insgemein alſo her/ daß/ je ungelahrter und unverſtaͤn- diger ein Menſch iſt/ je hoffaͤrtiger iſt er? je mehr aber und je laͤnger einer ſtudiret/ je mehr ſihet er wie viel Dinges er wiſſen ſolle/ uñ noch nicht wiſſe. Socrates wurde vor den weiſeſten Mann in gantz Grie- chenland gehalten? Als ihn aber jederman den weiſeſten Socratem nennete/ lacht er ſelbſt druͤber/ daß die Leut ihnen einbildeten er ſey ſo gelahrt und ſagte: Hoc unum ſcio, me nihil ſcire. Jch weiß diß ei- nige/ daß ich nichts wiſſe. Zu Leiden in Holland iſt ein Profeſſor, dem die Hollaͤndiſche Jugend unterweilens fuchsſchwaͤntzet/ und nennet ihn Principem literatorum, den Fuͤrſten der Gelahrten. Dieſe ge- lahrte Profeſſor pflegte gemeiniglich in die Stammbuͤcher zu ſchrei- ben: Quantum eſt, quod ígnoramus, wie viel Dings iſt/ das wir nicht wiſſen? Wann man aber heutiges Tages zu manchem lauſichten Schulmeiſter ſagte/ hochgelahrter Herꝛ Magiſter, ſo wuͤrde er nicht mit Socrate ſagen er wiſſe nichts/ ſondern er wuͤrde den Bart ſtrei- chen/ und dencken: Ja ein hochgelahrter Mann bin ich/ das wiſſen alle
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Abgenoͤtigte
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tum, daß der Teuffel in der Welt ruhig ſey und ſtille ſitze. 2. Mun-
dum eſſe fidelem, daß die Welt treu und redlich/ und nicht mehr
falſch ſey. 3. Chriſtianum eſſe ſuperbum, daß ein Hoffaͤrtiger ein
rechter Chriſt ſey. Wer hoffaͤrtig iſt/ gibt zu verſtehen/ daß er Lutheri
Kinder Catechiſmum noch nicht gelernet habe/ darin diß die erſte Fra-
iſt: Biſtu ein Chriſt? Ach wir arme Bachanten/ wir bilden uns offt-
mals ein/ wir ſeyn groſſe perfecte Chriſten/ wir ſeyn gelehrte Leute/
wir haben die Witz mit Loͤffeln gefreſſen/ und wann wir es beym Liecht
beſehen/ ſo hat uns der Lucifer in die Narꝛenſchul gefuͤhret! dieſer Lu-
cifer mengte ſich auch unter die Juͤnger welche Chriſtus in ſeiner
Schul ſo treulich unterꝛichtete. Es kam eine Hoffart unter ſie/ daß ei-
ner wolte groͤſſer ſeyn als der ander: Petrus hat ihm vielleicht etwas
eingebildet wegen ſeines Alters/ die beyde Soͤhne Zebedei/ Jacobus
und Johannes werden ihnen etwas herauß genommen haben/ wegen
ihrer groſſen Gaben im predigen/ umb welcher willen ſie Donner
Kinder genennet wurden: Vielleicht werden ſie auch etwas hof-
faͤrtig worden ſeyn/ weil ſie Chriſto ſo nahe anverwandt geweſen. Die-
ſe Hoffart hieng ihrer Mutter an/ welche von Chriſto bat/ daß er ei-
nen ihrer Kinder wolte ſitzen laſſen zu ſeiner rechten/ den andern zu
ſeiner lincken/ das iſt/ daß er einen etwa machen wolte/ zu einem
Reichs-Marſchall/ den andern zu einem Reichs-Cantzler/ das iſt eine
groſſe Schwachheit an den Juͤngern Chriſti geweſen/ als ſie in der
Schul Chriſti laͤnger unterꝛichtet worden/ und hernach am Pfingſt-
tag die ſichtbarliche Gaben deß H. Geiſtes empfangen haben/ lieſet
man von ihnen/ daß ſie lauter Demut von ſich haben leuchten laſſen/
es gehet ſonſt insgemein alſo her/ daß/ je ungelahrter und unverſtaͤn-
diger ein Menſch iſt/ je hoffaͤrtiger iſt er? je mehr aber und je laͤnger
einer ſtudiret/ je mehr ſihet er wie viel Dinges er wiſſen ſolle/ uñ noch
nicht wiſſe. Socrates wurde vor den weiſeſten Mann in gantz Grie-
chenland gehalten? Als ihn aber jederman den weiſeſten Socratem
nennete/ lacht er ſelbſt druͤber/ daß die Leut ihnen einbildeten er ſey ſo
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die Hollaͤndiſche Jugend unterweilens fuchsſchwaͤntzet/ und nennet
ihn Principem literatorum, den Fuͤrſten der Gelahrten. Dieſe ge-
lahrte Profeſſor pflegte gemeiniglich in die Stammbuͤcher zu ſchrei-
ben: Quantum eſt, quod ígnoramus, wie viel Dings iſt/ das wir
nicht wiſſen? Wann man aber heutiges Tages zu manchem lauſichten
Schulmeiſter ſagte/ hochgelahrter Herꝛ Magiſter, ſo wuͤrde er nicht
mit Socrate ſagen er wiſſe nichts/ ſondern er wuͤrde den Bart ſtrei-
chen/ und dencken: Ja ein hochgelahrter Mann bin ich/ das wiſſen
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Zitationshilfe: | Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 650. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/692>, abgerufen am 03.07.2024. |