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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Eilfertiges

Jn den Epistolis obscurorum virorum klagt M. Johannes Pel-
lifex
seinem Praeceptori M. Ortvvino, daß er einen nagendenden
Wurm im Gewissen habe. Dann er sey in der Franckfurter Meß mit
einem Baccalaureo durch eine Strasse gangen/ da seyen zwey an-
sehnliche Männer ihm entgegen kommen/ in langen Mänteln und lan-
gen Talaren (habuerunt, sagt er/ nigras tunicas, & magna capu-
tia cum Lyripipiis suis.
) Du hab er vermeinet/ es seyen zwey Ma-
gistri nostri,
hab Reverentz für ihnen gemacht/ und habe sein Bir-
retum
für ihnen abgezogen. Der Baccalaureus aber hab ihn ange-
stossen/ und gesagt: Was macht ihr? Das sind Juden. Da sey er als-
bald erschrocken/ als wenn er zwey Teufel gesehen hätte. Der Bacca-
laureus
hab gesagt das sey eine Todsünde welche er begangen habe.
Es sey ihm auch einmal ein solcher Fall begegnet. Er sey einmal durch
eine Kirche gangen/ da hab ein höltzerner Jude bey dem Creutz Chri-
sti gestanden/ und habe einen Hammer in der Hand gehabt/ da hab
er vermeint/ es sey das Bildnus S. Petri mit dem Schlüssel hab die
Knie gebeuget/ und sein Birretum abgezogen. Aber hernach hab er
gesehen/ daß es nicht S. Peter/ sondern ein höltzener Jud sey. Diese
seine schwere Sünde/ hab er seinem Beichtvater geklagt/ welcher ge-
antwort hab/ daß sey eine Todsünde/ er könne ihn nicht absolviren,
wann er nicht Potestatem Episcopalem habe. Dann es sey ein Ca-
sus Episcopalis.
Und wann er es gerne und auß Fürsatz/ und nicht
auß Unwissenheit gethan hätte/ so könt ihn niemand absolviren als
der Pabst selbst. Mir ist dergleichen begegnet zu Franckfurt am Main/
da kam ich einsmals in Jhrer Durchl. meines Gnädigsten Fürsten
und Herrn Hauß/ auff der Zeile zu Franckfort. Da stunde Joseph des
Juden im Vogelgesang Vatter/ in einem langen Mantel und einem
langen circum dedere. Jch meinte in Warheit/ er sey ein vorneh-
mer Priester auß dem Lande. Zoge meinen Huth tieff für ihm ab/ und
fragte Matthis den Bereyter von Darmstadt/ einen Ehrlichen/ Auf-
richtigen bey Edlen und Unedlen beliebten Mann/ Wer ist der Prie-
ster? Er antwortete/ kennet ihr ihn nicht? Er ist N. N. (welcher ein
rechter Mammon ist) Beicht-Vater. Wann mir diese Historiä
einfallen/ hab ich viel und mancherley Gedancken. Jch erkenne daß ich
ein armer grosser Sünder sey. Hab ich mit meinen Schrifften Gott
erzürnet/ so bitte ich demütiglich umb Vergebung. Jch habe es allezeit
nicht böse gemeint. Jch werde gelibt es Gott/ des nechsten Tages etz-
liche allbereit verfertigte Theologische Tractätlein/ in Deutscher und
Lateinischer Sprach herauß gehen lassen/ da ich geredet hab von Glau-
bens Artickuln/ von betrübten Wittben und Waysen/ von angefoch-
tenen nach Gottes Barmhertzigkeit schreyenden Sündern/ und der-
gleichen. Die Mißgunst selbst wird sehen/ daß ich darin einen an-

dern
Eilfertiges

Jn den Epiſtolis obſcurorum virorum klagt M. Johannes Pel-
lifex
ſeinem Præceptori M. Ortvvino, daß er einen nagendenden
Wurm im Gewiſſen habe. Dann er ſey in der Franckfurter Meß mit
einem Baccalaureo durch eine Straſſe gangen/ da ſeyen zwey an-
ſehnliche Maͤnner ihm entgegen kommen/ in langen Maͤnteln uñ lan-
gen Talaren (habuerunt, ſagt er/ nigras tunicas, & magna capu-
tia cum Lyripipiis ſuis.
) Du hab er vermeinet/ es ſeyen zwey Ma-
giſtri noſtri,
hab Reverentz fuͤr ihnen gemacht/ und habe ſein Bir-
retum
fuͤr ihnen abgezogen. Der Baccalaureus aber hab ihn ange-
ſtoſſen/ und geſagt: Was macht ihr? Das ſind Juden. Da ſey er als-
bald erſchrocken/ als wenn er zwey Teufel geſehen haͤtte. Der Bacca-
laureus
hab geſagt das ſey eine Todſuͤnde welche er begangen habe.
Es ſey ihm auch einmal ein ſolcher Fall begegnet. Er ſey einmal durch
eine Kirche gangen/ da hab ein hoͤltzerner Jude bey dem Creutz Chri-
ſti geſtanden/ und habe einen Hammer in der Hand gehabt/ da hab
er vermeint/ es ſey das Bildnus S. Petri mit dem Schluͤſſel hab die
Knie gebeuget/ und ſein Birretum abgezogen. Aber hernach hab er
geſehen/ daß es nicht S. Peter/ ſondern ein hoͤltzener Jud ſey. Dieſe
ſeine ſchwere Suͤnde/ hab er ſeinem Beichtvater geklagt/ welcher ge-
antwort hab/ daß ſey eine Todſuͤnde/ er koͤnne ihn nicht abſolviren,
wann er nicht Poteſtatem Epiſcopalem habe. Dann es ſey ein Ca-
ſus Epiſcopalis.
Und wann er es gerne und auß Fuͤrſatz/ und nicht
auß Unwiſſenheit gethan haͤtte/ ſo koͤnt ihn niemand abſolviren als
der Pabſt ſelbſt. Mir iſt dergleichen begegnet zu Franckfuꝛt am Main/
da kam ich einsmals in Jhrer Durchl. meines Gnaͤdigſten Fuͤrſten
und Herꝛn Hauß/ auff der Zeile zu Franckfort. Da ſtunde Joſeph des
Juden im Vogelgeſang Vatter/ in einem langen Mantel und einem
langen circum dedere. Jch meinte in Warheit/ er ſey ein vorneh-
mer Prieſter auß dem Lande. Zoge meinen Huth tieff fuͤr ihm ab/ und
fragte Matthis den Bereyter von Darmſtadt/ einen Ehrlichen/ Auf-
richtigen bey Edlen und Unedlen beliebten Mann/ Wer iſt der Prie-
ſter? Er antwortete/ kennet ihr ihn nicht? Er iſt N. N. (welcher ein
rechter Mammon iſt) Beicht-Vater. Wann mir dieſe Hiſtoriaͤ
einfallen/ hab ich viel und mancherley Gedancken. Jch erkenne daß ich
ein armer groſſer Suͤnder ſey. Hab ich mit meinen Schrifften Gott
erzuͤrnet/ ſo bitte ich demuͤtiglich umb Vergebung. Jch habe es allezeit
nicht boͤſe gemeint. Jch werde gelibt es Gott/ des nechſten Tages etz-
liche allbereit verfertigte Theologiſche Tractaͤtlein/ in Deutſcher und
Lateiniſcher Sprach herauß gehen laſſen/ da ich geꝛedet hab von Glau-
bens Artickuln/ von betruͤbten Wittben und Wayſen/ von angefoch-
tenen nach Gottes Barmhertzigkeit ſchreyenden Suͤndern/ und der-
gleichen. Die Mißgunſt ſelbſt wird ſehen/ daß ich darin einen an-

dern
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[608/0650] Eilfertiges Jn den Epiſtolis obſcurorum virorum klagt M. Johannes Pel- lifex ſeinem Præceptori M. Ortvvino, daß er einen nagendenden Wurm im Gewiſſen habe. Dann er ſey in der Franckfurter Meß mit einem Baccalaureo durch eine Straſſe gangen/ da ſeyen zwey an- ſehnliche Maͤnner ihm entgegen kommen/ in langen Maͤnteln uñ lan- gen Talaren (habuerunt, ſagt er/ nigras tunicas, & magna capu- tia cum Lyripipiis ſuis.) Du hab er vermeinet/ es ſeyen zwey Ma- giſtri noſtri, hab Reverentz fuͤr ihnen gemacht/ und habe ſein Bir- retum fuͤr ihnen abgezogen. Der Baccalaureus aber hab ihn ange- ſtoſſen/ und geſagt: Was macht ihr? Das ſind Juden. Da ſey er als- bald erſchrocken/ als wenn er zwey Teufel geſehen haͤtte. Der Bacca- laureus hab geſagt das ſey eine Todſuͤnde welche er begangen habe. Es ſey ihm auch einmal ein ſolcher Fall begegnet. Er ſey einmal durch eine Kirche gangen/ da hab ein hoͤltzerner Jude bey dem Creutz Chri- ſti geſtanden/ und habe einen Hammer in der Hand gehabt/ da hab er vermeint/ es ſey das Bildnus S. Petri mit dem Schluͤſſel hab die Knie gebeuget/ und ſein Birretum abgezogen. Aber hernach hab er geſehen/ daß es nicht S. Peter/ ſondern ein hoͤltzener Jud ſey. Dieſe ſeine ſchwere Suͤnde/ hab er ſeinem Beichtvater geklagt/ welcher ge- antwort hab/ daß ſey eine Todſuͤnde/ er koͤnne ihn nicht abſolviren, wann er nicht Poteſtatem Epiſcopalem habe. Dann es ſey ein Ca- ſus Epiſcopalis. Und wann er es gerne und auß Fuͤrſatz/ und nicht auß Unwiſſenheit gethan haͤtte/ ſo koͤnt ihn niemand abſolviren als der Pabſt ſelbſt. Mir iſt dergleichen begegnet zu Franckfuꝛt am Main/ da kam ich einsmals in Jhrer Durchl. meines Gnaͤdigſten Fuͤrſten und Herꝛn Hauß/ auff der Zeile zu Franckfort. Da ſtunde Joſeph des Juden im Vogelgeſang Vatter/ in einem langen Mantel und einem langen circum dedere. Jch meinte in Warheit/ er ſey ein vorneh- mer Prieſter auß dem Lande. Zoge meinen Huth tieff fuͤr ihm ab/ und fragte Matthis den Bereyter von Darmſtadt/ einen Ehrlichen/ Auf- richtigen bey Edlen und Unedlen beliebten Mann/ Wer iſt der Prie- ſter? Er antwortete/ kennet ihr ihn nicht? Er iſt N. N. (welcher ein rechter Mammon iſt) Beicht-Vater. Wann mir dieſe Hiſtoriaͤ einfallen/ hab ich viel und mancherley Gedancken. Jch erkenne daß ich ein armer groſſer Suͤnder ſey. Hab ich mit meinen Schrifften Gott erzuͤrnet/ ſo bitte ich demuͤtiglich umb Vergebung. Jch habe es allezeit nicht boͤſe gemeint. Jch werde gelibt es Gott/ des nechſten Tages etz- liche allbereit verfertigte Theologiſche Tractaͤtlein/ in Deutſcher und Lateiniſcher Sprach herauß gehen laſſen/ da ich geꝛedet hab von Glau- bens Artickuln/ von betruͤbten Wittben und Wayſen/ von angefoch- tenen nach Gottes Barmhertzigkeit ſchreyenden Suͤndern/ und der- gleichen. Die Mißgunſt ſelbſt wird ſehen/ daß ich darin einen an- dern

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 608. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/650>, abgerufen am 23.11.2024.