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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Von der Einbildung.
seye/ wann es nur nicht an deinem Gewissen ist/ im Gewissen sage
ich/ dann dieses wird dermaleinest Zeuge und Richter seyn aller deiner
Wercke/ Thun und Lassens/ es seye nun gut oder böse/ und wir sollen
allezeit uns erinnern/ was uns als Schülern der Ewigkeit gebühre.
Jch pflege mich sehr offt zu verwundern/ daß so wenig Leute/ ja wenig
Christen gefunden werden/ die an die Ewigkeit gedencken; die meisten
aber haben nicht alleine keinen Eckel an den zergänglichen Gütern/
sondern suchen und lauffen solchen Tag und Nacht mit höchster Be-
mühung nach/ die da heute ein Lachen/ morgen ein Heulen und Wei-
nen verursachen. Man kratzet und scharret solche zusammen mit recht
und unrecht/ man förchtet weder Wasser noch Feuer/ die wo nicht
heute/ doch wol morgen mit dem Rücken angesehen werden müssen.
Wir streben nach grosser Ehre und Hoheit/ offtermals mit grossem
Verdruß/ mit schimpfflicher Unterwerffung/ mit hertzquälender
Sorgfalt/ die doch nur übernächtig und unbeständig. Der König
Priamus in Jtalien wurde darumb verjaget/ nur damit ein ander
ihme succedirte. Es folgete deme ein ander/ zwar nur damit er durch
sein eigen Exempel erwiese/ daß auch ihme eben das was dem Pria-
mo
geschehen/ begegnete. Keine Hoheit ist noch jemals lange bestan-
den/ ja bißweilen gestanden damit sie verschwinde. Je höher jemand
auff den Gipffel der menschlichen Glückseligkeit gestiegen/ je neher ist
er dem Fall. Der Glückseligkeit vornehmstes Stück ist/ derer Wan-
ckelmütigkeit wissen und verstehen. Es ist noch nie/ wil nicht sagen ein
Geschlecht/ sondern auch keine Republic oder Regiment so starck
noch mächtig gewest/ die nicht endlich zusammen gefallen/ und ihre
Endschafft erreichet hat. Jch nehme zwar davon auß deß Platonis ge-
traumete Republic/ die zwar nicht gefallen/ weil sie niemalen gestan-
den noch gewesen ist. Daß sie aber/ wann sie jemal gestanden über-
hauffen gefallen were/ hat Plato selbst wol gesehen und erkennet/ in
dem er solcher seiner Regierungsform selbst Ziel und derer Endschafft
gesetzet/ und gewisse Jahr/ wie lang sie tauren solle/ vorgeschrieben.
Es ist nichts sagt er/ so hoch und fest/ daß es seiner Ruin entfliehe. O
der eitelen und vergeblichen Sorgen der Menschen: Viele gedencken
und sind bemühet grosse und ferne Reisen zu thun/ die wir offters den
folgenden Tag sehen den Weg alles Fleisches gehen; Viele gehen mit
Liebesküssen und Hertzen umb/ die eh man sichs versiehet mit den
Würmen sich vermählen: Viele dencken uff Rache und Blutvergies-
sen/ und wissen nicht daß sie jetzo vor Gottes schreckliches Gericht
alldar Rechenschafft zu geben/ citiret werden. Viele setzen ihren
Ruhm auff Künheit/ und halten die/ so Gott vor Augen haben/ für
furchtsame/ und etwas rühmliches außzurichten für untüchtig/ da-
hero viel auß Furcht solcher falschen opinion die zu entgehen/ das

sündi-

Von der Einbildung.
ſeye/ wann es nur nicht an deinem Gewiſſen iſt/ im Gewiſſen ſage
ich/ dann dieſes wird dermaleineſt Zeuge und Richter ſeyn aller deiner
Wercke/ Thun und Laſſens/ es ſeye nun gut oder boͤſe/ und wir ſollen
allezeit uns erinnern/ was uns als Schuͤlern der Ewigkeit gebuͤhre.
Jch pflege mich ſehr offt zu verwundern/ daß ſo wenig Leute/ ja wenig
Chriſten gefunden werden/ die an die Ewigkeit gedencken; die meiſten
aber haben nicht alleine keinen Eckel an den zergaͤnglichen Guͤtern/
ſondern ſuchen und lauffen ſolchen Tag und Nacht mit hoͤchſter Be-
muͤhung nach/ die da heute ein Lachen/ morgen ein Heulen und Wei-
nen verurſachen. Man kratzet und ſcharꝛet ſolche zuſammen mit recht
und unrecht/ man foͤrchtet weder Waſſer noch Feuer/ die wo nicht
heute/ doch wol morgen mit dem Ruͤcken angeſehen werden muͤſſen.
Wir ſtreben nach groſſer Ehre und Hoheit/ offtermals mit groſſem
Verdruß/ mit ſchimpfflicher Unterwerffung/ mit hertzquaͤlender
Sorgfalt/ die doch nur uͤbernaͤchtig und unbeſtaͤndig. Der Koͤnig
Priamus in Jtalien wurde darumb verjaget/ nur damit ein ander
ihme ſuccedirte. Es folgete deme ein ander/ zwar nur damit er durch
ſein eigen Exempel erwieſe/ daß auch ihme eben das was dem Pria-
mo
geſchehen/ begegnete. Keine Hoheit iſt noch jemals lange beſtan-
den/ ja bißweilen geſtanden damit ſie verſchwinde. Je hoͤher jemand
auff den Gipffel der menſchlichen Gluͤckſeligkeit geſtiegen/ je neher iſt
er dem Fall. Der Gluͤckſeligkeit vornehmſtes Stuͤck iſt/ derer Wan-
ckelmuͤtigkeit wiſſen und verſtehen. Es iſt noch nie/ wil nicht ſagen ein
Geſchlecht/ ſondern auch keine Republic oder Regiment ſo ſtarck
noch maͤchtig geweſt/ die nicht endlich zuſammen gefallen/ und ihre
Endſchafft erꝛeichet hat. Jch nehme zwar davon auß deß Platonis ge-
traumete Republic/ die zwar nicht gefallen/ weil ſie niemalen geſtan-
den noch geweſen iſt. Daß ſie aber/ wann ſie jemal geſtanden uͤber-
hauffen gefallen were/ hat Plato ſelbſt wol geſehen und erkennet/ in
dem er ſolcher ſeiner Regierungsform ſelbſt Ziel und derer Endſchafft
geſetzet/ und gewiſſe Jahr/ wie lang ſie tauren ſolle/ vorgeſchrieben.
Es iſt nichts ſagt er/ ſo hoch und feſt/ daß es ſeiner Ruin entfliehe. O
der eitelen und vergeblichen Sorgen der Menſchen: Viele gedencken
und ſind bemuͤhet groſſe und ferne Reiſen zu thun/ die wir offters den
folgenden Tag ſehen den Weg alles Fleiſches gehen; Viele gehen mit
Liebeskuͤſſen und Hertzen umb/ die eh man ſichs verſiehet mit den
Wuͤrmen ſich vermaͤhlen: Viele dencken uff Rache und Blutvergieſ-
ſen/ und wiſſen nicht daß ſie jetzo vor Gottes ſchreckliches Gericht
alldar Rechenſchafft zu geben/ citiret werden. Viele ſetzen ihren
Ruhm auff Kuͤnheit/ und halten die/ ſo Gott vor Augen haben/ fuͤr
furchtſame/ und etwas ruͤhmliches außzurichten fuͤr untuͤchtig/ da-
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[560/0602] Von der Einbildung. ſeye/ wann es nur nicht an deinem Gewiſſen iſt/ im Gewiſſen ſage ich/ dann dieſes wird dermaleineſt Zeuge und Richter ſeyn aller deiner Wercke/ Thun und Laſſens/ es ſeye nun gut oder boͤſe/ und wir ſollen allezeit uns erinnern/ was uns als Schuͤlern der Ewigkeit gebuͤhre. Jch pflege mich ſehr offt zu verwundern/ daß ſo wenig Leute/ ja wenig Chriſten gefunden werden/ die an die Ewigkeit gedencken; die meiſten aber haben nicht alleine keinen Eckel an den zergaͤnglichen Guͤtern/ ſondern ſuchen und lauffen ſolchen Tag und Nacht mit hoͤchſter Be- muͤhung nach/ die da heute ein Lachen/ morgen ein Heulen und Wei- nen verurſachen. Man kratzet und ſcharꝛet ſolche zuſammen mit recht und unrecht/ man foͤrchtet weder Waſſer noch Feuer/ die wo nicht heute/ doch wol morgen mit dem Ruͤcken angeſehen werden muͤſſen. Wir ſtreben nach groſſer Ehre und Hoheit/ offtermals mit groſſem Verdruß/ mit ſchimpfflicher Unterwerffung/ mit hertzquaͤlender Sorgfalt/ die doch nur uͤbernaͤchtig und unbeſtaͤndig. Der Koͤnig Priamus in Jtalien wurde darumb verjaget/ nur damit ein ander ihme ſuccedirte. Es folgete deme ein ander/ zwar nur damit er durch ſein eigen Exempel erwieſe/ daß auch ihme eben das was dem Pria- mo geſchehen/ begegnete. Keine Hoheit iſt noch jemals lange beſtan- den/ ja bißweilen geſtanden damit ſie verſchwinde. Je hoͤher jemand auff den Gipffel der menſchlichen Gluͤckſeligkeit geſtiegen/ je neher iſt er dem Fall. Der Gluͤckſeligkeit vornehmſtes Stuͤck iſt/ derer Wan- ckelmuͤtigkeit wiſſen und verſtehen. Es iſt noch nie/ wil nicht ſagen ein Geſchlecht/ ſondern auch keine Republic oder Regiment ſo ſtarck noch maͤchtig geweſt/ die nicht endlich zuſammen gefallen/ und ihre Endſchafft erꝛeichet hat. Jch nehme zwar davon auß deß Platonis ge- traumete Republic/ die zwar nicht gefallen/ weil ſie niemalen geſtan- den noch geweſen iſt. Daß ſie aber/ wann ſie jemal geſtanden uͤber- hauffen gefallen were/ hat Plato ſelbſt wol geſehen und erkennet/ in dem er ſolcher ſeiner Regierungsform ſelbſt Ziel und derer Endſchafft geſetzet/ und gewiſſe Jahr/ wie lang ſie tauren ſolle/ vorgeſchrieben. Es iſt nichts ſagt er/ ſo hoch und feſt/ daß es ſeiner Ruin entfliehe. O der eitelen und vergeblichen Sorgen der Menſchen: Viele gedencken und ſind bemuͤhet groſſe und ferne Reiſen zu thun/ die wir offters den folgenden Tag ſehen den Weg alles Fleiſches gehen; Viele gehen mit Liebeskuͤſſen und Hertzen umb/ die eh man ſichs verſiehet mit den Wuͤrmen ſich vermaͤhlen: Viele dencken uff Rache und Blutvergieſ- ſen/ und wiſſen nicht daß ſie jetzo vor Gottes ſchreckliches Gericht alldar Rechenſchafft zu geben/ citiret werden. Viele ſetzen ihren Ruhm auff Kuͤnheit/ und halten die/ ſo Gott vor Augen haben/ fuͤr furchtſame/ und etwas ruͤhmliches außzurichten fuͤr untuͤchtig/ da- hero viel auß Furcht ſolcher falſchen opinion die zu entgehen/ das ſuͤndi-

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/602>, abgerufen am 23.11.2024.