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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Von der Einbildung.
Predigt die mehr auß der Postilla als auß rechtem Hertzen ge-
schöpffet wird/ ist nicht so warm und hitzig. Dann es nach dem Poeten
heissen solte:

Jn uns ist Gottes Geist/
Der uns weist/
Der Geist und Muth regieret;
Und uns zum Himmel führet.

Es bestehet auch nicht in prächtiger und mit Fleiß angenommener
pronunciation und Außsprach. Es ist genug mit der Sprache re-
den/ die Gott giebet und formiret.

Viel schreyen überlaut und ruffen auff der Cantzel/
Nicht anders als wann Hanß seine Greta führt zum
Tantze.

So bestehet die Predigtkunst auch nicht in seltzamer und vielfältiger
Bewegung. Die action oder Bewegunge auff der Cantzel ist die zie-
menste/ wann Bescheidenheit vor die abentheuerliche Geberden ge-
brauchet wird; sondern stehet vielmehr in heiligem Leben und Wan-
del/ vergebens lehret/ der fliehet/ daß er thun/ und thut was er fliehen
sol. Eine rechteyferig gemeynte Predigt/ ob sie gleich gering und
schlecht/ bauet mehr als tausend hochkünstliche alamodische. Daß die
Wolredenheit etwas hierbey außrichte/ gestehen wir gerne/ aber auß
der Postilla nicht genommen. Wie sehr werden doch so lieblich von
der opinion betrogen und angeführet die Päbstler/ wann sie die Feg-
feuers Straffen nach dem Stundenglaß abcircklen. Die Calvimsten
in Holland disputiren umb Hals und Kopff/ der Mensch habe seinen
freyen Willen auch in weltlichen Dingen verloren: werden aber von
der opinion betrgen. Dieses aber ist wahr und wol zu glauben/ daß
die Männer bey ihren Weibern solchen verloren haben: den die
Weiber in aller Vollkommenheit besitzen und geniessen/ welches kei-
ner so nur in Amsterdam gegucket in Abrede seyn wird/ und gefraget
wer hier oder dar wohne/ daß ihm nicht geantwortet worden seye/
Cornelius wohne dar. Die heiligen Clösterbrüder (wollen nicht un-
willig werden/ daß ich sie heilig nenne) wie betrügen sie doch die arme
Leute mit so heiligen und scheinbarn opinionen und Einbildungen.
Sie fliehen Ehre und Reichthumbe/ haben aber nichts liebers als daß
man sie darmit jaget. Wer ist der nicht gerne höre/ er seye bey semen
Zuhörern in grossem Lob und Ansehen. Jn den Büchern die sie schreiben
von Verachtung Hoheit/ Ehr und Reichthumb untersetzen sie ihre
Namen mit grossem Gepräng/ Pomp und Tituln. Es werden ge-
funden/ die da meynen; sie können kein Recht finden/ sie haben dann
ein halb tausend Thaler in einer Sach verrecht/ oder ein halb Dutzent
Rechtsgelehrten reich gemacht/ werden aber von der bösen opinion
heßlich betrogen. Die besten Richter werden zu Hof in der Küchen

gefunden/
L l iij

Von der Einbildung.
Predigt die mehr auß der Poſtilla als auß rechtem Hertzen ge-
ſchoͤpffet wird/ iſt nicht ſo warm und hitzig. Dann es nach dem Poeten
heiſſen ſolte:

Jn uns iſt Gottes Geiſt/
Der uns weiſt/
Der Geiſt und Muth regieret;
Und uns zum Himmel fuͤhret.

Es beſtehet auch nicht in praͤchtiger und mit Fleiß angenommener
pronunciation und Außſprach. Es iſt genug mit der Sprache re-
den/ die Gott giebet und formiret.

Viel ſchreyen uͤberlaut und ruffen auff der Cantzel/
Nicht anders als wann Hanß ſeine Greta fuͤhrt zum
Tantze.

So beſtehet die Predigtkunſt auch nicht in ſeltzamer und vielfaͤltiger
Bewegung. Die action oder Bewegunge auff der Cantzel iſt die zie-
menſte/ wann Beſcheidenheit vor die abentheuerliche Geberden ge-
brauchet wird; ſondern ſtehet vielmehr in heiligem Leben und Wan-
del/ vergebens lehret/ der fliehet/ daß er thun/ und thut was er fliehen
ſol. Eine rechteyferig gemeynte Predigt/ ob ſie gleich gering und
ſchlecht/ bauet mehr als tauſend hochkuͤnſtliche alamodiſche. Daß die
Wolredenheit etwas hierbey außrichte/ geſtehen wir gerne/ aber auß
der Poſtilla nicht genommen. Wie ſehr werden doch ſo lieblich von
der opinion betrogen und angefuͤhret die Paͤbſtler/ wann ſie die Feg-
feuers Straffen nach dem Stundenglaß abcircklen. Die Calvimſten
in Holland diſputiren umb Hals und Kopff/ der Menſch habe ſeinen
freyen Willen auch in weltlichen Dingen verloren: werden aber von
der opinion betrgen. Dieſes aber iſt wahr und wol zu glauben/ daß
die Maͤnner bey ihren Weibern ſolchen verloren haben: den die
Weiber in aller Vollkommenheit beſitzen und genieſſen/ welches kei-
ner ſo nur in Amſterdam gegucket in Abrede ſeyn wird/ und gefraget
wer hier oder dar wohne/ daß ihm nicht geantwortet worden ſeye/
Cornelius wohne dar. Die heiligen Cloͤſterbruͤder (wollen nicht un-
willig werden/ daß ich ſie heilig nenne) wie betruͤgen ſie doch die arme
Leute mit ſo heiligen und ſcheinbarn opinionen und Einbildungen.
Sie fliehen Ehre und Reichthumbe/ haben aber nichts liebers als daß
man ſie darmit jaget. Wer iſt der nicht gerne hoͤre/ er ſeye bey ſemen
Zuhoͤrern in groſſem Lob uñ Anſehen. Jn den Buͤchern die ſie ſchreibẽ
von Verachtung Hoheit/ Ehr und Reichthumb unterſetzen ſie ihre
Namen mit groſſem Gepraͤng/ Pomp und Tituln. Es werden ge-
funden/ die da meynen; ſie koͤnnen kein Recht finden/ ſie haben dann
ein halb tauſend Thaler in einer Sach verrecht/ oder ein halb Dutzent
Rechtsgelehrten reich gemacht/ werden aber von der boͤſen opinion
heßlich betrogen. Die beſten Richter werden zu Hof in der Kuͤchen

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[533/0575] Von der Einbildung. Predigt die mehr auß der Poſtilla als auß rechtem Hertzen ge- ſchoͤpffet wird/ iſt nicht ſo warm und hitzig. Dann es nach dem Poeten heiſſen ſolte: Jn uns iſt Gottes Geiſt/ Der uns weiſt/ Der Geiſt und Muth regieret; Und uns zum Himmel fuͤhret. Es beſtehet auch nicht in praͤchtiger und mit Fleiß angenommener pronunciation und Außſprach. Es iſt genug mit der Sprache re- den/ die Gott giebet und formiret. Viel ſchreyen uͤberlaut und ruffen auff der Cantzel/ Nicht anders als wann Hanß ſeine Greta fuͤhrt zum Tantze. So beſtehet die Predigtkunſt auch nicht in ſeltzamer und vielfaͤltiger Bewegung. Die action oder Bewegunge auff der Cantzel iſt die zie- menſte/ wann Beſcheidenheit vor die abentheuerliche Geberden ge- brauchet wird; ſondern ſtehet vielmehr in heiligem Leben und Wan- del/ vergebens lehret/ der fliehet/ daß er thun/ und thut was er fliehen ſol. Eine rechteyferig gemeynte Predigt/ ob ſie gleich gering und ſchlecht/ bauet mehr als tauſend hochkuͤnſtliche alamodiſche. Daß die Wolredenheit etwas hierbey außrichte/ geſtehen wir gerne/ aber auß der Poſtilla nicht genommen. Wie ſehr werden doch ſo lieblich von der opinion betrogen und angefuͤhret die Paͤbſtler/ wann ſie die Feg- feuers Straffen nach dem Stundenglaß abcircklen. Die Calvimſten in Holland diſputiren umb Hals und Kopff/ der Menſch habe ſeinen freyen Willen auch in weltlichen Dingen verloren: werden aber von der opinion betrgen. Dieſes aber iſt wahr und wol zu glauben/ daß die Maͤnner bey ihren Weibern ſolchen verloren haben: den die Weiber in aller Vollkommenheit beſitzen und genieſſen/ welches kei- ner ſo nur in Amſterdam gegucket in Abrede ſeyn wird/ und gefraget wer hier oder dar wohne/ daß ihm nicht geantwortet worden ſeye/ Cornelius wohne dar. Die heiligen Cloͤſterbruͤder (wollen nicht un- willig werden/ daß ich ſie heilig nenne) wie betruͤgen ſie doch die arme Leute mit ſo heiligen und ſcheinbarn opinionen und Einbildungen. Sie fliehen Ehre und Reichthumbe/ haben aber nichts liebers als daß man ſie darmit jaget. Wer iſt der nicht gerne hoͤre/ er ſeye bey ſemen Zuhoͤrern in groſſem Lob uñ Anſehen. Jn den Buͤchern die ſie ſchreibẽ von Verachtung Hoheit/ Ehr und Reichthumb unterſetzen ſie ihre Namen mit groſſem Gepraͤng/ Pomp und Tituln. Es werden ge- funden/ die da meynen; ſie koͤnnen kein Recht finden/ ſie haben dann ein halb tauſend Thaler in einer Sach verrecht/ oder ein halb Dutzent Rechtsgelehrten reich gemacht/ werden aber von der boͤſen opinion heßlich betrogen. Die beſten Richter werden zu Hof in der Kuͤchen gefunden/ L l iij

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 533. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/575>, abgerufen am 22.11.2024.