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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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De Lana Caprina.
mit folgenden Gründen und Schluß-Reden hintertrieben und wie-
derleget. Was meinstu Heraclite? Was du Democrite? Jch wil nit
sagen/ daß das übrige Heulen und Weinen ein Weibliches Gebrechen;
und das übrige Lachen ein Kenn- und Merckzeichen seye der Thor- und
Narrheit/ und einem tapfern Manne übelanständig und nit gezieme;
zu was Ende wollet ihr denn das Gesichte verderben/ der eine mit Wei-
nen und Traurigkeit/ der ander mit Lachen und Fröligkeit? Wenn ihr
meinetet/ daß dieses Labsal und Erleuchterung seyen gegen zufallende
Anstösse und Laster der Menschen? Jrret und fehlet ihr weit. Durch
stetiges Trauren/ wird der Schmertz nicht gemindert/ sondern ver-
mehret. Das Lachen ob es wol mit einem süssern Gifft verzehret/ so
verzehret es doch/ in dem es den Menschen zu grösserm Schimpff und
Spott der Leute bringet. Wollet ihr einwenden/ daß Jhr nicht euch
zugefallen alleine geboren seyd/ hättet dannenhero sorgfältig zu seyn/
wie ihr möchtet solchen Verderb- und Unheil mit scharffen Pflastern
zu Hülffe kommen/ welche die lange Zeit und Ubung eingeführet und
verursachet haben. Es ist aber dieses euer Beginnen auch vergeblich
und umbsonst. Es sind die menschliche Laster und Boßheiten so groß
und so tieff eingewurtzelt/ daß diese euere Mittel und Artzney darzu
viel zu schwach und unkräfftig; Dannenhero weit andere hier von nö-
ten sind. Wollet ihr mir folgen/ so wil von nöhten seyn/ daß wir aller-
hand Scripta Satyrica (das ist Schrifften dadurch aller Menschen
Thun/ Leben und Wandel taxiret/ gemustert und angriffen werden.)
in die Welt außbreiten. Der eine taxire und grübele in die Geheimniß
und Staat-Sachen vornehmer Fürsten und Herren/ dardurch sie dem
gemeinen Mann die Augen verkleistern und verschmieren. Der ander
mache sich hinter die Hofschrantzen/ hechele/ mustere und ziehe wacker
herdurch dero Betriegligkeiten/ die jetzo Politisch genennet werden
und heissen müssen: Aber leider Gott erbarm es! Es werden sich als-
denn auch welche finden/ die der Schule und derer Lehrer Jrrthumb
hernehmen werden/ und sagen/ wo es ihnen sitze. Andere werden sich
an des gemeinen Pöbels Laster machen/ und diese also mit ihren eige-
nen Farben beschreiben und herauß streichen/ daß einjeder der es nur
lieset/ solche kennen und mit Händen greiffen wird/ und darüber gleich-
sam erschrecken. Solche und dergleichen Bücher/ würden der Menschen
Lüste und Begierden gewaltig und überauß bessern/ die derer Lection/
so bißher mit grossem Fleiß von etlichen unterdrückt worden/ eröffnen
und derer Abscheuligkeit an den hellen Tag legen würde. Es ist aber
der Iuvenalis in deme er also peroriret, von dem Seneca turbiret
und jrr gemacht worden/ der von den Einwohnern des Parnassi leicht
erlangete/ daß dem Iuvenali silentium und das Stillschweigen auf-
erleget worden: Als er nun dieses erlanget/ hat Seneca weit andere
und höhere Sachen herfür bracht und erwiesen/ das die jetzige Zeiten

bey

De Lana Caprina.
mit folgenden Gruͤnden und Schluß-Reden hintertrieben und wie-
derleget. Was meinſtu Heraclite? Was du Democrite? Jch wil nit
ſagen/ daß das uͤbrige Heulen und Weinen ein Weibliches Gebrechen;
und das uͤbrige Lachen ein Kenn- und Merckzeichen ſeye der Thor- und
Narꝛheit/ und einem tapfern Manne uͤbelanſtaͤndig und nit gezieme;
zu was Ende wollet ihr denn das Geſichte verderbẽ/ der eine mit Wei-
nen und Traurigkeit/ der ander mit Lachen und Froͤligkeit? Wenn ihr
meinetet/ daß dieſes Labſal und Erleuchterung ſeyen gegen zufallende
Anſtoͤſſe und Laſter der Menſchen? Jrret und fehlet ihr weit. Durch
ſtetiges Trauren/ wird der Schmertz nicht gemindert/ ſondern ver-
mehret. Das Lachen ob es wol mit einem ſuͤſſern Gifft verzehret/ ſo
verzehret es doch/ in dem es den Menſchen zu groͤſſerm Schimpff uñ
Spott der Leute bringet. Wollet ihr einwenden/ daß Jhr nicht euch
zugefallen alleine geboren ſeyd/ haͤttet dannenhero ſorgfaͤltig zu ſeyn/
wie ihr moͤchtet ſolchen Verderb- und Unheil mit ſcharffen Pflaſtern
zu Huͤlffe kommen/ welche die lange Zeit und Ubung eingefuͤhret und
verurſachet haben. Es iſt aber dieſes euer Beginnen auch vergeblich
und umbſonſt. Es ſind die menſchliche Laſter und Boßheiten ſo groß
und ſo tieff eingewurtzelt/ daß dieſe euere Mittel und Artzney darzu
viel zu ſchwach und unkraͤfftig; Dannenhero weit andere hier von noͤ-
ten ſind. Wollet ihr mir folgen/ ſo wil von noͤhten ſeyn/ daß wir aller-
hand Scripta Satyrica (das iſt Schrifften dadurch aller Menſchen
Thun/ Leben und Wandel taxiret/ gemuſtert und angriffen werden.)
in die Welt außbreiten. Der eine taxire und gruͤbele in die Geheimniß
und Staat-Sachen vornehmer Fuͤrſten und Herꝛen/ dardurch ſie dem
gemeinen Mann die Augen verkleiſtern und verſchmieren. Der ander
mache ſich hinter die Hofſchrantzen/ hechele/ muſtere und ziehe wacker
herdurch dero Betriegligkeiten/ die jetzo Politiſch genennet werden
und heiſſen muͤſſen: Aber leider Gott erbarm es! Es werden ſich als-
denn auch welche finden/ die der Schule und derer Lehrer Jrꝛthumb
hernehmen werden/ und ſagen/ wo es ihnen ſitze. Andere werden ſich
an des gemeinen Poͤbels Laſter machen/ und dieſe alſo mit ihren eige-
nen Farben beſchreiben und herauß ſtreichen/ daß einjeder der es nur
lieſet/ ſolche kennen und mit Haͤnden greiffen wird/ und daꝛuͤber gleich-
ſam erſchrecken. Solche und dergleichen Buͤcher/ wuͤrden der Menſchẽ
Luͤſte und Begierden gewaltig und uͤberauß beſſern/ die derer Lection/
ſo bißher mit groſſem Fleiß von etlichen unterdruͤckt worden/ eroͤffnen
und derer Abſcheuligkeit an den hellen Tag legen wuͤrde. Es iſt aber
der Iuvenalis in deme er alſo peroriret, von dem Seneca turbiret
und jrꝛ gemacht worden/ der von dẽ Einwohnern des Parnaſſi leicht
erlangete/ daß dem Iuvenali ſilentium und das Stillſchweigen auf-
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bey
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[420/0462] De Lana Caprina. mit folgenden Gruͤnden und Schluß-Reden hintertrieben und wie- derleget. Was meinſtu Heraclite? Was du Democrite? Jch wil nit ſagen/ daß das uͤbrige Heulen und Weinen ein Weibliches Gebrechen; und das uͤbrige Lachen ein Kenn- und Merckzeichen ſeye der Thor- und Narꝛheit/ und einem tapfern Manne uͤbelanſtaͤndig und nit gezieme; zu was Ende wollet ihr denn das Geſichte verderbẽ/ der eine mit Wei- nen und Traurigkeit/ der ander mit Lachen und Froͤligkeit? Wenn ihr meinetet/ daß dieſes Labſal und Erleuchterung ſeyen gegen zufallende Anſtoͤſſe und Laſter der Menſchen? Jrret und fehlet ihr weit. Durch ſtetiges Trauren/ wird der Schmertz nicht gemindert/ ſondern ver- mehret. Das Lachen ob es wol mit einem ſuͤſſern Gifft verzehret/ ſo verzehret es doch/ in dem es den Menſchen zu groͤſſerm Schimpff uñ Spott der Leute bringet. Wollet ihr einwenden/ daß Jhr nicht euch zugefallen alleine geboren ſeyd/ haͤttet dannenhero ſorgfaͤltig zu ſeyn/ wie ihr moͤchtet ſolchen Verderb- und Unheil mit ſcharffen Pflaſtern zu Huͤlffe kommen/ welche die lange Zeit und Ubung eingefuͤhret und verurſachet haben. Es iſt aber dieſes euer Beginnen auch vergeblich und umbſonſt. Es ſind die menſchliche Laſter und Boßheiten ſo groß und ſo tieff eingewurtzelt/ daß dieſe euere Mittel und Artzney darzu viel zu ſchwach und unkraͤfftig; Dannenhero weit andere hier von noͤ- ten ſind. Wollet ihr mir folgen/ ſo wil von noͤhten ſeyn/ daß wir aller- hand Scripta Satyrica (das iſt Schrifften dadurch aller Menſchen Thun/ Leben und Wandel taxiret/ gemuſtert und angriffen werden.) in die Welt außbreiten. Der eine taxire und gruͤbele in die Geheimniß und Staat-Sachen vornehmer Fuͤrſten und Herꝛen/ dardurch ſie dem gemeinen Mann die Augen verkleiſtern und verſchmieren. Der ander mache ſich hinter die Hofſchrantzen/ hechele/ muſtere und ziehe wacker herdurch dero Betriegligkeiten/ die jetzo Politiſch genennet werden und heiſſen muͤſſen: Aber leider Gott erbarm es! Es werden ſich als- denn auch welche finden/ die der Schule und derer Lehrer Jrꝛthumb hernehmen werden/ und ſagen/ wo es ihnen ſitze. Andere werden ſich an des gemeinen Poͤbels Laſter machen/ und dieſe alſo mit ihren eige- nen Farben beſchreiben und herauß ſtreichen/ daß einjeder der es nur lieſet/ ſolche kennen und mit Haͤnden greiffen wird/ und daꝛuͤber gleich- ſam erſchrecken. Solche und dergleichen Buͤcher/ wuͤrden der Menſchẽ Luͤſte und Begierden gewaltig und uͤberauß beſſern/ die derer Lection/ ſo bißher mit groſſem Fleiß von etlichen unterdruͤckt worden/ eroͤffnen und derer Abſcheuligkeit an den hellen Tag legen wuͤrde. Es iſt aber der Iuvenalis in deme er alſo peroriret, von dem Seneca turbiret und jrꝛ gemacht worden/ der von dẽ Einwohnern des Parnaſſi leicht erlangete/ daß dem Iuvenali ſilentium und das Stillſchweigen auf- erleget worden: Als er nun dieſes erlanget/ hat Seneca weit andere und hoͤhere Sachen herfuͤr bracht und erwieſen/ das die jetzige Zeiten bey

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/462>, abgerufen am 22.11.2024.