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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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De Lana Caprina.
bey den Fürstenthumen/ bey Land und Leuten der Gebrauch der Lanae
Caprinae
nicht gantz und gar zu verwerffen/ sondern offters sehr
nothwendig und zu rahten. Denn wie könte doch offtermalen ein ein-
tziger und bißweilen schwacher und alter Mensch/ so vielen Völckern
und Landen/ die ihme offters auffsetzig und gehässig sind/ für stehen
und regieren/ wenn die Lana Caprina durch ihre Würdigkeit ih-
me nicht ein Ansehen machte/ dieses vermehrete und solches beschützte?
Wie wolte und könte doch der Fiscus und das Einkommen außlan-
gen und genung seyn/ so viele Rähte/ und so viele Soldaten/ und so
eine grosse ansehnliche Guardie zu unterhalten/ wenn es nicht ge-
schehe und gleichsam erkaufft würde durch leere Titul eines Frey-
herrns/ durch Verleihung eines Adel-Brieffs/ oder sonst durch andere
dergleichen grosse Promessen und Versprechungen/ offters auch
durch ein gnädiges zu wincken und geneigte minen, ja wenn nicht
die Lana Caprina die meisten gleichsam bezauberte/ und diese alle zu
sonderlichen Fleiß auffmunterte. Haben dannenhero wir also wol Ur-
sach/ den Fürsten und Herren die Lanam Caprinam zu gönnen und
zu überlvsen/ dieweil ein so grosses Heyl und Wolfahrt dem Men-
schen darauß entspringet und herflisset. Hoch zu beklagen und zu be-
weinen aber ist es/ daß so viel herrliche und stattliche ingenia sich um
diese Lanam Caprinam bemühet und erlanget haben. Die Mönche
und andere mehr/ wie viel Bücher haben sie doch geschrieben/ und mit
nichtigen vergeblichen disputiren angefüllet/ dadurch sie nicht die
Ehre Gottes/ sondern ihre eigene Ehredes Verstands und ihrer Wis-
senschafft gesuchet haben? Daß ein gelehrter Theologus hierüber
wol geredet und gesagt hat/ daß mehr Andacht/ Glauben und Got-
tesfurcht seye/ bey des armen Mannes Andacht/ als bey allen solchen
grossen Schrifften und Büchern/ durch welche die rechte Furcht
Gottes nicht erbauet/ sondern mehr zu Boden gerichtet und übern
Hauffen geworffen wird. Neulicher Zeit begab ich mich zu erlu-
stiren und zu erfrischen/ hinter die Juristen/ und derer Heimligkei-
ten zu erforschen/ werde ich gleich Anfangs etlicher dieser schweren
und vortreflichen Fragen gewahr/ ob der Iustinianus von seinem
Großvater Iustino also genennet seye worden? Item; Ob der Iu-
stinianus
auß Thracien oder Dalmatien gebürtig? Oder auß
Pannonia oder Ungarn? Item, Wie viel die alte Juristische Bücher
Versicul gehabt. Frage demnach nicht unbillich/ ob dieses nicht seye
De Lana Caprina disputiren? Ob nicht offtermahlen die Me-
dici De Lana Caprina disputiren,
in deme sie erstlich als De La-
na Caprina disputiren,
und zwar so lange/ daß dem Krancken die
Seele darüber außgehet/ und der arme Krancke unter so vielerley
Meinung nicht alleine mit der Wolle und den Haren/ sondern mit

der

De Lana Caprina.
bey den Fuͤrſtenthumen/ bey Land und Leuten der Gebrauch der Lanæ
Caprinæ
nicht gantz und gar zu verwerffen/ ſondern offters ſehr
nothwendig und zu rahten. Denn wie koͤnte doch offtermalen ein ein-
tziger und bißweilen ſchwacher und alter Menſch/ ſo vielen Voͤlckern
und Landen/ die ihme offters auffſetzig und gehaͤſſig ſind/ fuͤr ſtehen
und regieren/ wenn die Lana Caprina durch ihre Wuͤrdigkeit ih-
me nicht ein Anſehen machte/ dieſes vermehrete und ſolches beſchuͤtzte?
Wie wolte und koͤnte doch der Fiſcus und das Einkommen außlan-
gen und genung ſeyn/ ſo viele Raͤhte/ und ſo viele Soldaten/ und ſo
eine groſſe anſehnliche Guardie zu unterhalten/ wenn es nicht ge-
ſchehe und gleichſam erkaufft wuͤrde durch leere Titul eines Frey-
herꝛns/ durch Verleihung eines Adel-Brieffs/ oder ſonſt durch andere
dergleichen groſſe Promeſſen und Verſprechungen/ offters auch
durch ein gnaͤdiges zu wincken und geneigte minen, ja wenn nicht
die Lana Caprina die meiſten gleichſam bezauberte/ und dieſe alle zu
ſonderlichẽ Fleiß auffmunterte. Haben dannenhero wir alſo wol Ur-
ſach/ den Fuͤrſten und Herꝛen die Lanam Caprinam zu goͤnnen und
zu uͤberlvſen/ dieweil ein ſo groſſes Heyl und Wolfahrt dem Men-
ſchen darauß entſpringet und herfliſſet. Hoch zu beklagen und zu be-
weinen aber iſt es/ daß ſo viel herꝛliche und ſtattliche ingenia ſich um
dieſe Lanam Caprinam bemuͤhet und erlanget haben. Die Moͤnche
und andere mehr/ wie viel Buͤcher haben ſie doch geſchrieben/ und mit
nichtigen vergeblichen diſputiren angefuͤllet/ dadurch ſie nicht die
Ehre Gottes/ ſondern ihre eigene Ehredes Verſtands und ihrer Wiſ-
ſenſchafft geſuchet haben? Daß ein gelehrter Theologus hieruͤber
wol geredet und geſagt hat/ daß mehr Andacht/ Glauben und Got-
tesfurcht ſeye/ bey des armen Mannes Andacht/ als bey allen ſolchen
groſſen Schrifften und Buͤchern/ durch welche die rechte Furcht
Gottes nicht erbauet/ ſondern mehr zu Boden gerichtet und uͤbern
Hauffen geworffen wird. Neulicher Zeit begab ich mich zu erlu-
ſtiren und zu erfriſchen/ hinter die Juriſten/ und derer Heimligkei-
ten zu erforſchen/ werde ich gleich Anfangs etlicher dieſer ſchweren
und vortreflichen Fragen gewahr/ ob der Iuſtinianus von ſeinem
Großvater Iuſtino alſo genennet ſeye worden? Item; Ob der Iu-
ſtinianus
auß Thracien oder Dalmatien gebuͤrtig? Oder auß
Pannonia oder Ungarn? Item, Wie viel die alte Juriſtiſche Buͤcher
Verſicul gehabt. Frage demnach nicht unbillich/ ob dieſes nicht ſeye
De Lana Caprina diſputiren? Ob nicht offtermahlen die Me-
dici De Lana Caprina diſputiren,
in deme ſie erſtlich als De La-
na Caprina diſputiren,
und zwar ſo lange/ daß dem Krancken die
Seele daruͤber außgehet/ und der arme Krancke unter ſo vielerley
Meinung nicht alleine mit der Wolle und den Haren/ ſondern mit

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[416/0458] De Lana Caprina. bey den Fuͤrſtenthumen/ bey Land und Leuten der Gebrauch der Lanæ Caprinæ nicht gantz und gar zu verwerffen/ ſondern offters ſehr nothwendig und zu rahten. Denn wie koͤnte doch offtermalen ein ein- tziger und bißweilen ſchwacher und alter Menſch/ ſo vielen Voͤlckern und Landen/ die ihme offters auffſetzig und gehaͤſſig ſind/ fuͤr ſtehen und regieren/ wenn die Lana Caprina durch ihre Wuͤrdigkeit ih- me nicht ein Anſehen machte/ dieſes vermehrete und ſolches beſchuͤtzte? Wie wolte und koͤnte doch der Fiſcus und das Einkommen außlan- gen und genung ſeyn/ ſo viele Raͤhte/ und ſo viele Soldaten/ und ſo eine groſſe anſehnliche Guardie zu unterhalten/ wenn es nicht ge- ſchehe und gleichſam erkaufft wuͤrde durch leere Titul eines Frey- herꝛns/ durch Verleihung eines Adel-Brieffs/ oder ſonſt durch andere dergleichen groſſe Promeſſen und Verſprechungen/ offters auch durch ein gnaͤdiges zu wincken und geneigte minen, ja wenn nicht die Lana Caprina die meiſten gleichſam bezauberte/ und dieſe alle zu ſonderlichẽ Fleiß auffmunterte. Haben dannenhero wir alſo wol Ur- ſach/ den Fuͤrſten und Herꝛen die Lanam Caprinam zu goͤnnen und zu uͤberlvſen/ dieweil ein ſo groſſes Heyl und Wolfahrt dem Men- ſchen darauß entſpringet und herfliſſet. Hoch zu beklagen und zu be- weinen aber iſt es/ daß ſo viel herꝛliche und ſtattliche ingenia ſich um dieſe Lanam Caprinam bemuͤhet und erlanget haben. Die Moͤnche und andere mehr/ wie viel Buͤcher haben ſie doch geſchrieben/ und mit nichtigen vergeblichen diſputiren angefuͤllet/ dadurch ſie nicht die Ehre Gottes/ ſondern ihre eigene Ehredes Verſtands und ihrer Wiſ- ſenſchafft geſuchet haben? Daß ein gelehrter Theologus hieruͤber wol geredet und geſagt hat/ daß mehr Andacht/ Glauben und Got- tesfurcht ſeye/ bey des armen Mannes Andacht/ als bey allen ſolchen groſſen Schrifften und Buͤchern/ durch welche die rechte Furcht Gottes nicht erbauet/ ſondern mehr zu Boden gerichtet und uͤbern Hauffen geworffen wird. Neulicher Zeit begab ich mich zu erlu- ſtiren und zu erfriſchen/ hinter die Juriſten/ und derer Heimligkei- ten zu erforſchen/ werde ich gleich Anfangs etlicher dieſer ſchweren und vortreflichen Fragen gewahr/ ob der Iuſtinianus von ſeinem Großvater Iuſtino alſo genennet ſeye worden? Item; Ob der Iu- ſtinianus auß Thracien oder Dalmatien gebuͤrtig? Oder auß Pannonia oder Ungarn? Item, Wie viel die alte Juriſtiſche Buͤcher Verſicul gehabt. Frage demnach nicht unbillich/ ob dieſes nicht ſeye De Lana Caprina diſputiren? Ob nicht offtermahlen die Me- dici De Lana Caprina diſputiren, in deme ſie erſtlich als De La- na Caprina diſputiren, und zwar ſo lange/ daß dem Krancken die Seele daruͤber außgehet/ und der arme Krancke unter ſo vielerley Meinung nicht alleine mit der Wolle und den Haren/ ſondern mit der

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/458>, abgerufen am 22.11.2024.