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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Lucidor.
nicht zu langsam auffthut/ und umb ei stück Apffels/ das ist/ umb ei-
nes geringen Dinges willen/ nicht das Reich Gottes verlieret. Jetzt
ist es noch Zeit/ euch zu resolviren was ihr thun wollet. Wer weis
ob es nicht Morgen zu spat sey? Den Niniviten gab Gott Zeit zur
Buß 40. Tage. Allein wer weiß ob ihr nicht über 40. Stund in der
Höllen sitzet? Da David der Edle/ holdselige Schäfer/ und großmüti-
ge Cavallier, in seinem Elend/ von dem groben/ unhöflichen Nabal
disgustiret,
und ihm die begehrte Ritterzehrung abgeschlagen wur-
de/ da fasste er einen gewaltigen Zorn und sagte: Gott thue diß und
noch mehr den Feinden Davids/ wo ich diesem/ nemlich dem Nabal/
biß Morgen überlasse/ einen der an die Wand pisset/ auß allem das
er hat/ 1. Sam. 25. Als aber Abigail/ Nabals höfliches und discretes
Weib/ David entgegen gieng/ mit höflichen zierlichen Worten/ und
demütigen Geberden/ da ließ David allen Zorn sincken/ und sagte:
Gelobet sey der HErr/ der Gott Jsrael/ der dich heutiges Tages mir
entgegen gesand hat. Gesegnet sey deine Rede/ und gesegnet seystu/
daß du mir heute erwehlet hast/ daß ich nicht wider mit Blut kommen
bin/ und mich mit eigener Hand erlöset habe. Warlich/ so waar der
HErr der Gott Jsrael lebet/ der mich verhindert hat/ daß ich nicht
übel an dir thäte/ wärest du nicht eilend mir begegnet/ so wäre dein
Nabal nicht überblieben/ auf diesen liechten Morgen/ noch einer der an
die Wand pisset. Zeuch mit Frieden hinauff in dein Hauß. Sihe ich
habe deiner Stimme gehorchet/ und deine Person angesehen. Allein
Jch sehe/ daß ich bey euch so glückselig nicht seyn könne/ wie Abigail
bey dem David. Darumb wil ich mich länger nicht auffhalten/ son-
dern nehme hiemit Abschied. Und wann ich brüllen könte wie ein Löwe/
wolte ich meine Menschen-Stimme verwandeln in ein Brüllen eines
Löwen/ und euch zu guter Nacht in die Ohren schreyen: Lucidor, Lu-
cidor,
Die Sonne ist untergangen! Und wann ein Mensch seine letzte
Stunde in acht nimt und wol anlegt/ das halte ich höher und besser/
als sein voriges gantzes Leben/ welches offt plötzlich und un-
versehens nimt sein ENDE.



Nachschrifft.

BUnstiger/ friedliebender Leser. Von dieser materia
wäre noch weitläufftig zu reden. Allein/ ich erinnere mich/ dz
wann grosse Herren vom Frieden tractiren wollen/ so stellen sie
erstlich praeliminariaan Gestalt dann dieser terminus und modus
agendi
bey dieser Zeit/ auch dem Moscowitter ist bekant worden/ wie
ich auß den geschribnen Avisen berichtet werde. Jch bitte dich/ du wol-

lest
X iij

Lucidor.
nicht zu langſam auffthut/ und umb ei ſtuͤck Apffels/ das iſt/ umb ei-
nes geringen Dinges willen/ nicht das Reich Gottes verlieret. Jetzt
iſt es noch Zeit/ euch zu reſolviren was ihr thun wollet. Wer weis
ob es nicht Morgen zu ſpat ſey? Den Niniviten gab Gott Zeit zur
Buß 40. Tage. Allein wer weiß ob ihr nicht uͤber 40. Stund in der
Hoͤllen ſitzet? Da David der Edle/ holdſelige Schaͤfer/ und großmuͤti-
ge Cavallier, in ſeinem Elend/ von dem groben/ unhoͤflichen Nabal
disguſtiret,
und ihm die begehrte Ritterzehrung abgeſchlagen wur-
de/ da faſſte er einen gewaltigen Zorn und ſagte: Gott thue diß und
noch mehr den Feinden Davids/ wo ich dieſem/ nemlich dem Nabal/
biß Morgen uͤberlaſſe/ einen der an die Wand piſſet/ auß allem das
er hat/ 1. Sam. 25. Als aber Abigail/ Nabals hoͤfliches und diſcretes
Weib/ David entgegen gieng/ mit hoͤflichen zierlichen Worten/ und
demuͤtigen Geberden/ da ließ David allen Zorn ſincken/ und ſagte:
Gelobet ſey der HErꝛ/ der Gott Jſrael/ der dich heutiges Tages mir
entgegen geſand hat. Geſegnet ſey deine Rede/ und geſegnet ſeyſtu/
daß du mir heute erwehlet haſt/ daß ich nicht wider mit Blut kommen
bin/ und mich mit eigener Hand erloͤſet habe. Warlich/ ſo waar der
HErꝛ der Gott Jſrael lebet/ der mich verhindert hat/ daß ich nicht
uͤbel an dir thaͤte/ waͤreſt du nicht eilend mir begegnet/ ſo waͤre dein
Nabal nicht uͤberbliebẽ/ auf dieſen liechten Morgen/ noch einer der an
die Wand piſſet. Zeuch mit Frieden hinauff in dein Hauß. Sihe ich
habe deiner Stimme gehorchet/ und deine Perſon angeſehen. Allein
Jch ſehe/ daß ich bey euch ſo gluͤckſelig nicht ſeyn koͤnne/ wie Abigail
bey dem David. Darumb wil ich mich laͤnger nicht auffhalten/ ſon-
dern nehme hiemit Abſchied. Und wann ich bruͤllen koͤnte wie ein Loͤwe/
wolte ich meine Menſchen-Stimme verwandeln in ein Bruͤllẽ eines
Loͤwen/ und euch zu guter Nacht in die Ohren ſchreyen: Lucidor, Lu-
cidor,
Die Sonne iſt untergangen! Und wann ein Menſch ſeine letzte
Stunde in acht nimt und wol anlegt/ das halte ich hoͤher und beſſer/
als ſein voriges gantzes Leben/ welches offt ploͤtzlich und un-
verſehens nimt ſein ENDE.



Nachſchrifft.

BUnſtiger/ friedliebender Leſer. Von dieſer materiâ
waͤre noch weitlaͤufftig zu reden. Allein/ ich erinnere mich/ dz
wann groſſe Herꝛen vom Frieden tractirẽ wollen/ ſo ſtellẽ ſie
erſtlich præliminariaan Geſtalt dann dieſer terminus und modus
agendi
bey dieſer Zeit/ auch dem Moſcowitter iſt bekant worden/ wie
ich auß den geſchribnen Aviſen berichtet werde. Jch bitte dich/ du wol-

leſt
X iij
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[325/0367] Lucidor. nicht zu langſam auffthut/ und umb ei ſtuͤck Apffels/ das iſt/ umb ei- nes geringen Dinges willen/ nicht das Reich Gottes verlieret. Jetzt iſt es noch Zeit/ euch zu reſolviren was ihr thun wollet. Wer weis ob es nicht Morgen zu ſpat ſey? Den Niniviten gab Gott Zeit zur Buß 40. Tage. Allein wer weiß ob ihr nicht uͤber 40. Stund in der Hoͤllen ſitzet? Da David der Edle/ holdſelige Schaͤfer/ und großmuͤti- ge Cavallier, in ſeinem Elend/ von dem groben/ unhoͤflichen Nabal disguſtiret, und ihm die begehrte Ritterzehrung abgeſchlagen wur- de/ da faſſte er einen gewaltigen Zorn und ſagte: Gott thue diß und noch mehr den Feinden Davids/ wo ich dieſem/ nemlich dem Nabal/ biß Morgen uͤberlaſſe/ einen der an die Wand piſſet/ auß allem das er hat/ 1. Sam. 25. Als aber Abigail/ Nabals hoͤfliches und diſcretes Weib/ David entgegen gieng/ mit hoͤflichen zierlichen Worten/ und demuͤtigen Geberden/ da ließ David allen Zorn ſincken/ und ſagte: Gelobet ſey der HErꝛ/ der Gott Jſrael/ der dich heutiges Tages mir entgegen geſand hat. Geſegnet ſey deine Rede/ und geſegnet ſeyſtu/ daß du mir heute erwehlet haſt/ daß ich nicht wider mit Blut kommen bin/ und mich mit eigener Hand erloͤſet habe. Warlich/ ſo waar der HErꝛ der Gott Jſrael lebet/ der mich verhindert hat/ daß ich nicht uͤbel an dir thaͤte/ waͤreſt du nicht eilend mir begegnet/ ſo waͤre dein Nabal nicht uͤberbliebẽ/ auf dieſen liechten Morgen/ noch einer der an die Wand piſſet. Zeuch mit Frieden hinauff in dein Hauß. Sihe ich habe deiner Stimme gehorchet/ und deine Perſon angeſehen. Allein Jch ſehe/ daß ich bey euch ſo gluͤckſelig nicht ſeyn koͤnne/ wie Abigail bey dem David. Darumb wil ich mich laͤnger nicht auffhalten/ ſon- dern nehme hiemit Abſchied. Und wann ich bruͤllen koͤnte wie ein Loͤwe/ wolte ich meine Menſchen-Stimme verwandeln in ein Bruͤllẽ eines Loͤwen/ und euch zu guter Nacht in die Ohren ſchreyen: Lucidor, Lu- cidor, Die Sonne iſt untergangen! Und wann ein Menſch ſeine letzte Stunde in acht nimt und wol anlegt/ das halte ich hoͤher und beſſer/ als ſein voriges gantzes Leben/ welches offt ploͤtzlich und un- verſehens nimt ſein ENDE. Nachſchrifft. BUnſtiger/ friedliebender Leſer. Von dieſer materiâ waͤre noch weitlaͤufftig zu reden. Allein/ ich erinnere mich/ dz wann groſſe Herꝛen vom Frieden tractirẽ wollen/ ſo ſtellẽ ſie erſtlich præliminariaan Geſtalt dann dieſer terminus und modus agendi bey dieſer Zeit/ auch dem Moſcowitter iſt bekant worden/ wie ich auß den geſchribnen Aviſen berichtet werde. Jch bitte dich/ du wol- leſt X iij

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/367>, abgerufen am 25.11.2024.