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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Hamburg.
sehe wol/ allhier zu Hamburg muß ich ein neu Pennal-Jahr anfan-
gen/ widerumb in die Schul gehen/ und die gottlose Welt kennen
lernen. Jhr reiche Leut/ wann ihr auch den Sontag heiligen wollet/ so
nehmet euch der Armen an. Fragt nach/ wer die Krancke seyn/ für wel-
che in der Kirchen gebeten wird/ ob es auch gar arme Leut seyn?
Schickt ihnen etwas von eurem Tisch. Nehmt euch der armen Wit-
wen und Waysen an. Dann also machte es der fromme Hiob/ da es
ihm noch glücklich und wol gieng/ der aß seinen Bissen nicht allein/
sondern frembde Witwen und Waysen hatten auch einen Theil da-
von. Thut ihr das nicht/ so seyd ihr auch Diebe. Dann wann ihr ein
Vater unser betet/ so sagt ihr nicht/ mein täglich Brodt gib mir
heut.
Sondern unser täglich Brodt/ gib uns heut. Bittet also/ daß
Gott nicht allein euch ein Stück Brodt beschehren wolle/ sondern
auch euren armen Mitchristen. Wann nun Gott dieses Gebet erhö-
ret/ und euch ein übrig Stück Brodt bescheret/ so ist es nicht eurer al-
lein/ sondern eures armen Nechsten für den ihr gebetet/ und der auch
für euch gebetet hat. Jhr wolt offt an dem armen Lazaro etwas spa-
ren/ und das führt der Teuffel hernach durch solch Diebsvolck zehen-
faltig weg. Von solchem Diebsvolck habt ihr weder Ehr oder Danck.
Allein was ihr den Armen gebt/ das wird Christus am Jüngsten
Tag rühmen/ und sagen/ es sey ihm selbst geschehen. Matth. 25.

Zum 8. wird auch der Sabbath nicht geheiliget/ wann das Frauen-
zimmer am Sontag zusammen kommt/ und einen Gefatternschnack
hält/ und führen nicht ein solch Gespräch von den Wolthaten Got-
tes/ wie Maria und Elisabeth/ als sie zusammen kamen/ sondern da
muß bald Bürgermeister und Rath/ bald der Prediger/ bald diese
oder jene Wittbe über ihre Zunge tantzen. Da muß bald dieser/ bald
jener herhalten/ der deß Morgens in der Kirchen gewesen/ da hat der
eine krum gangen/ dem einen hat dieses dem andern jenes am Kleid
gemangelt/ der eine hat zu viel/ der ander zu wenig. Da muß bald die-
se Jungfer/ bald jene Frau herhalten. Da redet man offtmals von
solchen Dingen mit solchen Umbständen/ daß man schweren solte/ die
Leute hättens mit Augen angesehen/ wann man aber endlich recht
darnach fragt/ so ist es erstuncken und erlogen. Da sitzt offtmals eine
ehrliche verständige Frau und höret mit zu/ merckt wol daß viel Neid
und Unwarheit mit unterlaufft/ und meynt sie wolle ein Ding mit
stillschweigen verantworten. Aber das ist auch nicht recht. Dann das
achte Gebot erfordert/ daß man nicht allein seinen Nechsten nicht
verleumbden oder ihm Unwarheit nachsagen sol/ sondern man sol
auch seinen Nechsten/ wann er verleumbdet/ und ihm Unwarheit
nachgesaget wird/ entschuldigen/ und alles gutes von ihm reden. Jch
habe am nechstverwichenen Sontag gedacht/ daß/ wer seinen Nech-

sten

Hamburg.
ſehe wol/ allhier zu Hamburg muß ich ein neu Pennal-Jahr anfan-
gen/ widerumb in die Schul gehen/ und die gottloſe Welt kennen
lernen. Jhr reiche Leut/ wann ihr auch den Sontag heiligen wollet/ ſo
nehmet euch der Armen an. Fragt nach/ wer die Krancke ſeyn/ fuͤr wel-
che in der Kirchen gebeten wird/ ob es auch gar arme Leut ſeyn?
Schickt ihnen etwas von eurem Tiſch. Nehmt euch der armen Wit-
wen und Wayſen an. Dann alſo machte es der fromme Hiob/ da es
ihm noch gluͤcklich und wol gieng/ der aß ſeinen Biſſen nicht allein/
ſondern frembde Witwen und Wayſen hatten auch einen Theil da-
von. Thut ihr das nicht/ ſo ſeyd ihr auch Diebe. Dann wann ihr ein
Vater unſer betet/ ſo ſagt ihr nicht/ mein taͤglich Brodt gib mir
heut.
Sondern unſer taͤglich Brodt/ gib uns heut. Bittet alſo/ daß
Gott nicht allein euch ein Stuͤck Brodt beſchehren wolle/ ſondern
auch euren armen Mitchriſten. Wann nun Gott dieſes Gebet erhoͤ-
ret/ und euch ein uͤbrig Stuͤck Brodt beſcheret/ ſo iſt es nicht eurer al-
lein/ ſondern eures armen Nechſten fuͤr den ihr gebetet/ und der auch
fuͤr euch gebetet hat. Jhr wolt offt an dem armen Lazaro etwas ſpa-
ren/ und das fuͤhrt der Teuffel hernach durch ſolch Diebsvolck zehen-
faltig weg. Von ſolchem Diebsvolck habt ihr weder Ehr oder Danck.
Allein was ihr den Armen gebt/ das wird Chriſtus am Juͤngſten
Tag ruͤhmen/ und ſagen/ es ſey ihm ſelbſt geſchehen. Matth. 25.

Zum 8. wird auch der Sabbath nicht geheiliget/ wann das Frauen-
zimmer am Sontag zuſammen kommt/ und einen Gefatternſchnack
haͤlt/ und fuͤhren nicht ein ſolch Geſpraͤch von den Wolthaten Got-
tes/ wie Maria und Eliſabeth/ als ſie zuſammen kamen/ ſondern da
muß bald Buͤrgermeiſter und Rath/ bald der Prediger/ bald dieſe
oder jene Wittbe uͤber ihre Zunge tantzen. Da muß bald dieſer/ bald
jener herhalten/ der deß Morgens in der Kirchen geweſen/ da hat der
eine krum gangen/ dem einen hat dieſes dem andern jenes am Kleid
gemangelt/ der eine hat zu viel/ der ander zu wenig. Da muß bald die-
ſe Jungfer/ bald jene Frau herhalten. Da redet man offtmals von
ſolchen Dingen mit ſolchen Umbſtaͤnden/ daß man ſchweren ſolte/ die
Leute haͤttens mit Augen angeſehen/ wann man aber endlich recht
darnach fragt/ ſo iſt es erſtuncken und erlogen. Da ſitzt offtmals eine
ehrliche verſtaͤndige Frau und hoͤret mit zu/ merckt wol daß viel Neid
und Unwarheit mit unterlaufft/ und meynt ſie wolle ein Ding mit
ſtillſchweigen verantworten. Aber das iſt auch nicht recht. Dann das
achte Gebot erfordert/ daß man nicht allein ſeinen Nechſten nicht
verleumbden oder ihm Unwarheit nachſagen ſol/ ſondern man ſol
auch ſeinen Nechſten/ wann er verleumbdet/ und ihm Unwarheit
nachgeſaget wird/ entſchuldigen/ und alles gutes von ihm reden. Jch
habe am nechſtverwichenen Sontag gedacht/ daß/ wer ſeinen Nech-

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[205/0247] Hamburg. ſehe wol/ allhier zu Hamburg muß ich ein neu Pennal-Jahr anfan- gen/ widerumb in die Schul gehen/ und die gottloſe Welt kennen lernen. Jhr reiche Leut/ wann ihr auch den Sontag heiligen wollet/ ſo nehmet euch der Armen an. Fragt nach/ wer die Krancke ſeyn/ fuͤr wel- che in der Kirchen gebeten wird/ ob es auch gar arme Leut ſeyn? Schickt ihnen etwas von eurem Tiſch. Nehmt euch der armen Wit- wen und Wayſen an. Dann alſo machte es der fromme Hiob/ da es ihm noch gluͤcklich und wol gieng/ der aß ſeinen Biſſen nicht allein/ ſondern frembde Witwen und Wayſen hatten auch einen Theil da- von. Thut ihr das nicht/ ſo ſeyd ihr auch Diebe. Dann wann ihr ein Vater unſer betet/ ſo ſagt ihr nicht/ mein taͤglich Brodt gib mir heut. Sondern unſer taͤglich Brodt/ gib uns heut. Bittet alſo/ daß Gott nicht allein euch ein Stuͤck Brodt beſchehren wolle/ ſondern auch euren armen Mitchriſten. Wann nun Gott dieſes Gebet erhoͤ- ret/ und euch ein uͤbrig Stuͤck Brodt beſcheret/ ſo iſt es nicht eurer al- lein/ ſondern eures armen Nechſten fuͤr den ihr gebetet/ und der auch fuͤr euch gebetet hat. Jhr wolt offt an dem armen Lazaro etwas ſpa- ren/ und das fuͤhrt der Teuffel hernach durch ſolch Diebsvolck zehen- faltig weg. Von ſolchem Diebsvolck habt ihr weder Ehr oder Danck. Allein was ihr den Armen gebt/ das wird Chriſtus am Juͤngſten Tag ruͤhmen/ und ſagen/ es ſey ihm ſelbſt geſchehen. Matth. 25. Zum 8. wird auch der Sabbath nicht geheiliget/ wann das Frauen- zimmer am Sontag zuſammen kommt/ und einen Gefatternſchnack haͤlt/ und fuͤhren nicht ein ſolch Geſpraͤch von den Wolthaten Got- tes/ wie Maria und Eliſabeth/ als ſie zuſammen kamen/ ſondern da muß bald Buͤrgermeiſter und Rath/ bald der Prediger/ bald dieſe oder jene Wittbe uͤber ihre Zunge tantzen. Da muß bald dieſer/ bald jener herhalten/ der deß Morgens in der Kirchen geweſen/ da hat der eine krum gangen/ dem einen hat dieſes dem andern jenes am Kleid gemangelt/ der eine hat zu viel/ der ander zu wenig. Da muß bald die- ſe Jungfer/ bald jene Frau herhalten. Da redet man offtmals von ſolchen Dingen mit ſolchen Umbſtaͤnden/ daß man ſchweren ſolte/ die Leute haͤttens mit Augen angeſehen/ wann man aber endlich recht darnach fragt/ ſo iſt es erſtuncken und erlogen. Da ſitzt offtmals eine ehrliche verſtaͤndige Frau und hoͤret mit zu/ merckt wol daß viel Neid und Unwarheit mit unterlaufft/ und meynt ſie wolle ein Ding mit ſtillſchweigen verantworten. Aber das iſt auch nicht recht. Dann das achte Gebot erfordert/ daß man nicht allein ſeinen Nechſten nicht verleumbden oder ihm Unwarheit nachſagen ſol/ ſondern man ſol auch ſeinen Nechſten/ wann er verleumbdet/ und ihm Unwarheit nachgeſaget wird/ entſchuldigen/ und alles gutes von ihm reden. Jch habe am nechſtverwichenen Sontag gedacht/ daß/ wer ſeinen Nech- ſten

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/247>, abgerufen am 22.11.2024.