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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Zuschrifft.
Tr; bsal zuschickt/ daß ihm dieses Leben bitter gemacht werde/ daß er
lerne/ daß wir hier keine bleibende stätt haben/ sondern das zukünff-
tige suchen sollen Hebr. 13. Sonderlich ist das Creutz einem Theo-
logo nutz. Ein vornehmer weltberühmter Theologus sagte eins-
mals in einer Gasterey zu Marpurg/ als er zu Straßburg studirt/
hab er einen guten Freund gehabt/ welcher zu einem vornehmen
Dienst im Predig-Ampt sey beruffen worden/ da sey er zu ihm
kommen gantz betrübt/ und hab ihm geklagt/ daß er zu dem vorneh-
men Ampte beruffen werde/ und das sey sein höchstes Anliegen/
daß er nie kein Creutz gehabt habe/ er werde all da Leut antreffen/
die in Creutz und Trübsal stecken/ welche er trösten solle. Allein er
wisse nicht wie einem Creutzträger/ einem betrübten Menschen zu
Muth sey? Dann er hab nie kein Creutz gehabt. Er sey gesund/ und
so lang er in seines Vaters Hauß gewesen/ hab er gnug gehabt. So
lang er auff Universitäten gewesen sey/ hab ihm sein Vater Geld
genug geschickt. Er wisse von keinem Creutz. Wie er dann die
Leute/ die mit Creutz und Trübsal überschüttet seyen/ trösten solle?
Jch war damals ein junger Mensch/ und ließ mir auch keine Sorg
über das Knie/ vielweniger an das Hertz gehen/ und als dieses in
einer vornehmen Gasterey erzehlt wurde/ schwieg ich stille/ schüttelte
den Kopff/ und dachte bey mir selbst: Der Cärles zu Straß-
burg ist ein Narr gewesen.
Allein ich hab bißher mehr als
hundertmal dran gedacht/ daß der Cärles kein Narr gewesen sey.
Dann was ist ein Theologus ohne Erfahrung? Was wäre es/
wann ein Schulmeister/ der keinen todten Mann im Feld gesehen
alsetwa am Galgen/ aber in Büchern gelesen hätte/ wie Hanni-
bal
die Römer bey Cannas hab geschlagen/ mit solchem Bü-
cher-Verstand zu einem hohen Potentaten gehen/ und ihm Raht
geben wolte/ wie er seine Feinde wieder auß dem Lande treiben sol-
le? Man sagt daß einsmals ein junger Student in der Land-Char-
ten/ darinn gantz Europa repraesentirt wird/ hab angesehen die
Ost- und West-See/ und gesagt/ das seyen ja kleine Wässerlein/ war-
um die Leut solche grosse Narren seyn/ und begeben sich in so grosse
Gefahr Leib und Guts/ durch die Schiffart? Warum sie nicht
eine Brücke über die Ost See baueten/ so könteman zu Fuß hin-
über gehen? Das war ein kindischer Bücher-Verstand. Ein
erfahrner Kauffmann oder Schiffer redet viel anderst davon.
Jener vornehme Prediger sagt einsmals/ er hab das gröste Stück
seiner Theologischen Wissenschafft gelernt beym Galgen und in
der Bütteley/
unter leichtfertigen Schelmen/ Dieben/ Mör-
dern/ Strassenräubern/ Hexen und Zauberin/ und dergleichen
leichtfertigen Huren und Buben/ welche jetzt haben bey gesundem
Leib des Todes erwarten/ und geköpfft/ gehenckt/ verbrant oder ge-

rade-
J iij

Zuſchrifft.
Tr; bſal zuſchickt/ daß ihm dieſes Leben bitter gemacht werde/ daß er
lerne/ daß wir hier keine bleibende ſtaͤtt haben/ ſondern das zukuͤnff-
tige ſuchen ſollen Hebr. 13. Sonderlich iſt das Creutz einem Theo-
logo nutz. Ein vornehmer weltberuͤhmter Theologus ſagte eins-
mals in einer Gaſterey zu Marpuꝛg/ als er zu Straßburg ſtudirt/
hab er einen guten Freund gehabt/ welcher zu einem vornehmen
Dienſt im Predig-Ampt ſey beruffen worden/ da ſey er zu ihm
kommen gantz betruͤbt/ und hab ihm geklagt/ daß er zu dem vorneh-
men Ampte beruffen werde/ und das ſey ſein hoͤchſtes Anliegen/
daß er nie kein Creutz gehabt habe/ er werde all da Leut antreffen/
die in Creutz und Truͤbſal ſtecken/ welche er troͤſten ſolle. Allein er
wiſſe nicht wie einem Creutztraͤger/ einem betruͤbten Menſchen zu
Muth ſey? Dann er hab nie kein Creutz gehabt. Er ſey geſund/ und
ſo lang er in ſeines Vaters Hauß geweſen/ hab er gnug gehabt. So
lang er auff Univerſitaͤten geweſen ſey/ hab ihm ſein Vater Geld
genug geſchickt. Er wiſſe von keinem Creutz. Wie er dann die
Leute/ die mit Creutz und Truͤbſal uͤberſchuͤttet ſeyen/ troͤſten ſolle?
Jch war damals ein junger Menſch/ und ließ mir auch keine Sorg
uͤber das Knie/ vielweniger an das Hertz gehen/ und als dieſes in
einer vornehmen Gaſterey erzehlt wurde/ ſchwieg ich ſtille/ ſchuͤttelte
den Kopff/ und dachte bey mir ſelbſt: Der Cärles zu Straß-
burg iſt ein Narꝛ geweſen.
Allein ich hab bißher mehr als
hundertmal dran gedacht/ daß der Caͤrles kein Narꝛ geweſen ſey.
Dann was iſt ein Theologus ohne Erfahrung? Was waͤre es/
wann ein Schulmeiſter/ der keinen todten Mann im Feld geſehen
alsetwa am Galgen/ aber in Buͤchern geleſen haͤtte/ wie Hanni-
bal
die Roͤmer bey Cannas hab geſchlagen/ mit ſolchem Buͤ-
cher-Verſtand zu einem hohen Potentaten gehen/ und ihm Raht
geben wolte/ wie er ſeine Feinde wieder auß dem Lande treiben ſol-
le? Man ſagt daß einsmals ein junger Student in der Land-Char-
ten/ darinn gantz Europa repræſentirt wird/ hab angeſehen die
Oſt- und Weſt-See/ und geſagt/ das ſeyen ja kleine Waͤſſerlein/ war-
um die Leut ſolche groſſe Narꝛen ſeyn/ und begeben ſich in ſo groſſe
Gefahr Leib und Guts/ durch die Schiffart? Warum ſie nicht
eine Bruͤcke uͤber die Oſt See baueten/ ſo koͤnteman zu Fuß hin-
uͤber gehen? Das war ein kindiſcher Buͤcher-Verſtand. Ein
erfahrner Kauffmann oder Schiffer redet viel anderſt davon.
Jener vornehme Prediger ſagt einsmals/ er hab das groͤſte Stuͤck
ſeiner Theologiſchen Wiſſenſchafft gelernt beym Galgen und in
der Bütteley/
unter leichtfertigen Schelmen/ Dieben/ Moͤr-
dern/ Straſſenraͤubern/ Hexen und Zauberin/ und dergleichen
leichtfertigen Huren und Buben/ welche jetzt haben bey geſundem
Leib des Todes erwarten/ und gekoͤpfft/ gehenckt/ verbrant oder ge-

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J iij
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[133/0175] Zuſchrifft. Tr; bſal zuſchickt/ daß ihm dieſes Leben bitter gemacht werde/ daß er lerne/ daß wir hier keine bleibende ſtaͤtt haben/ ſondern das zukuͤnff- tige ſuchen ſollen Hebr. 13. Sonderlich iſt das Creutz einem Theo- logo nutz. Ein vornehmer weltberuͤhmter Theologus ſagte eins- mals in einer Gaſterey zu Marpuꝛg/ als er zu Straßburg ſtudirt/ hab er einen guten Freund gehabt/ welcher zu einem vornehmen Dienſt im Predig-Ampt ſey beruffen worden/ da ſey er zu ihm kommen gantz betruͤbt/ und hab ihm geklagt/ daß er zu dem vorneh- men Ampte beruffen werde/ und das ſey ſein hoͤchſtes Anliegen/ daß er nie kein Creutz gehabt habe/ er werde all da Leut antreffen/ die in Creutz und Truͤbſal ſtecken/ welche er troͤſten ſolle. Allein er wiſſe nicht wie einem Creutztraͤger/ einem betruͤbten Menſchen zu Muth ſey? Dann er hab nie kein Creutz gehabt. Er ſey geſund/ und ſo lang er in ſeines Vaters Hauß geweſen/ hab er gnug gehabt. So lang er auff Univerſitaͤten geweſen ſey/ hab ihm ſein Vater Geld genug geſchickt. Er wiſſe von keinem Creutz. Wie er dann die Leute/ die mit Creutz und Truͤbſal uͤberſchuͤttet ſeyen/ troͤſten ſolle? Jch war damals ein junger Menſch/ und ließ mir auch keine Sorg uͤber das Knie/ vielweniger an das Hertz gehen/ und als dieſes in einer vornehmen Gaſterey erzehlt wurde/ ſchwieg ich ſtille/ ſchuͤttelte den Kopff/ und dachte bey mir ſelbſt: Der Cärles zu Straß- burg iſt ein Narꝛ geweſen. Allein ich hab bißher mehr als hundertmal dran gedacht/ daß der Caͤrles kein Narꝛ geweſen ſey. Dann was iſt ein Theologus ohne Erfahrung? Was waͤre es/ wann ein Schulmeiſter/ der keinen todten Mann im Feld geſehen alsetwa am Galgen/ aber in Buͤchern geleſen haͤtte/ wie Hanni- bal die Roͤmer bey Cannas hab geſchlagen/ mit ſolchem Buͤ- cher-Verſtand zu einem hohen Potentaten gehen/ und ihm Raht geben wolte/ wie er ſeine Feinde wieder auß dem Lande treiben ſol- le? Man ſagt daß einsmals ein junger Student in der Land-Char- ten/ darinn gantz Europa repræſentirt wird/ hab angeſehen die Oſt- und Weſt-See/ und geſagt/ das ſeyen ja kleine Waͤſſerlein/ war- um die Leut ſolche groſſe Narꝛen ſeyn/ und begeben ſich in ſo groſſe Gefahr Leib und Guts/ durch die Schiffart? Warum ſie nicht eine Bruͤcke uͤber die Oſt See baueten/ ſo koͤnteman zu Fuß hin- uͤber gehen? Das war ein kindiſcher Buͤcher-Verſtand. Ein erfahrner Kauffmann oder Schiffer redet viel anderſt davon. Jener vornehme Prediger ſagt einsmals/ er hab das groͤſte Stuͤck ſeiner Theologiſchen Wiſſenſchafft gelernt beym Galgen und in der Bütteley/ unter leichtfertigen Schelmen/ Dieben/ Moͤr- dern/ Straſſenraͤubern/ Hexen und Zauberin/ und dergleichen leichtfertigen Huren und Buben/ welche jetzt haben bey geſundem Leib des Todes erwarten/ und gekoͤpfft/ gehenckt/ verbrant oder ge- rade- J iij

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/175>, abgerufen am 25.11.2024.