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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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zwischen Mann und Weib.
Wann demnach die zu straffen und anzufeinden die da lieben/ wie viel-
mehr seynd die zu tadeln/ die sich von Zorn und Eyfer erbittern und
einnehmen lassen. Es ist einmals ein grosser Herr mit seiner Gemahl
und Kindern durch seine Residentz-Stadt spatziret/ da sich dann eine
grosse Volckmenge versamlet/ ist ohnversehens einer hinzu getreten/
und deß Königs Tochter geküsset/ worüber sich die Königin sehr erey-
fert/ und bey ihrem Herrn Ansuchung gethan/ die Person wegen sol-
cher frevel That greiffen und abstraffen zu lassen/ darauff er dann läch-
lende geantwortet: Sollen wir die jenigen straffen die uns Liebe und
Zuneigung erweisen/ wie solten wir dann mit denen verfahren/ die uns
verfolgen und anfeinden. Nachmaln kan auch die Nothwendigkeit deß
Gefalls oder himlischen Schickung hinzu kommen/ unter welchen ein
Mensch geboren/ die dann nicht kan überwunden und gemieden wer-
den/ als von alten Klug-erfahrnen Leuten. Wann demnach deß Him-
mels Wille zwey Seelen miteinander durch ein ehelich Band ver-
knüpffet/ kan deß Menschen Wille solche nicht von einander reissen.
Wann die Kinder und insonderheit ein Sohn sonst der Tugendbahn
folget/ und in seiner Handthierung dahin trachtet einen ehr- und ruhm-
würdigen Namen zu erlangen/ und aber allein auß denen Ursachen
ihm von den seinigen zugesetzet wird/ daß sein Gemüth in Verwir-
rung gebracht/ und von der Tugend auf den Lasterweg verleitet wird/
haben sie keine Entschuldigung einzuwenden/ die ihnen das Schimpf-
mahl abwischen können/ und seynd mehr deßwegen zu beschuldigen
als die Kinder; dann weil sie der Jahre Grauheit zu reiffem Verstan-
de/ und die langwürige Zeit der Erfahrenheit zur Klugheit bracht/
solten sie sich mehr der menschlichen Zufälle und himlischen Schickun-
gen erinnern/ und ihrer Pflicht nicht vergessen/ welche sie verbindet
umb eines geringen Fehlers die Kinder von der Tugend zu Lastern/
und von der natürlichen Zuneigung zu bittern Haß und Feindschafft
zu reitzen/ zumaln wann die Kinder selbst bekennen und erkennen/ daß
sie das Gesetze der Natur hierin überschritten/ in dem sie den Eltern
ihre gebührliche Ehr entwand/ dieweil sie auß der wider ihrem vollen
Consens in der frembde geschlossene Ehestifftung einen Widerwillen
gefasset/ nachdem es ein allgemein durchgehender Gebrechen der Men-
schen ist/ daß sie irren und fehlen/ hingegen aber zu bekennen und erken-
nen/ daß einer den Jrrthumb begangen/ solches ist allein ein Zeichen
eines hohen und verständigen Gemüths. Dann wer den Fehler be-
kent/ der verpflichtet sich solchen auß dem Gedächtnus der Menschen
durch eine seiner profession gemässe Verrichtung und ruhmwürdige
That abzuleschen/ dann der jenige so solchen begangen zu haben ab-
leugnet/ der gibt dardurch zu verstehn/ daß er noch grössere zu verüben
gedencke/ und ist in Warheit eine wichtige und merckliche Sache/ daß

ein
L

zwiſchen Mann und Weib.
Wann demnach die zu ſtraffen und anzufeinden die da lieben/ wie viel-
mehr ſeynd die zu tadeln/ die ſich von Zorn und Eyfer erbittern und
einnehmen laſſen. Es iſt einmals ein groſſer Herꝛ mit ſeiner Gemahl
und Kindern durch ſeine Reſidentz-Stadt ſpatziret/ da ſich dann eine
groſſe Volckmenge verſamlet/ iſt ohnverſehens einer hinzu getreten/
und deß Koͤnigs Tochter gekuͤſſet/ woruͤber ſich die Koͤnigin ſehr erey-
fert/ und bey ihrem Herꝛn Anſuchung gethan/ die Perſon wegen ſol-
cher frevel That greiffen und abſtraffen zu laſſen/ darauff er dann laͤch-
lende geantwortet: Sollen wir die jenigen ſtraffen die uns Liebe und
Zuneigung erweiſen/ wie ſolten wir dañ mit denen verfahren/ die uns
verfolgen und anfeinden. Nachmaln kan auch die Nothwendigkeit deß
Gefalls oder himliſchen Schickung hinzu kommen/ unter welchen ein
Menſch geboren/ die dann nicht kan uͤberwunden und gemieden wer-
den/ als von alten Klug-erfahrnen Leuten. Wann demnach deß Him-
mels Wille zwey Seelen miteinander durch ein ehelich Band ver-
knuͤpffet/ kan deß Menſchen Wille ſolche nicht von einander reiſſen.
Wann die Kinder und inſonderheit ein Sohn ſonſt der Tugendbahn
folget/ und in ſeiner Handthierung dahin trachtet einẽ ehr- und ruhm-
wuͤrdigen Namen zu erlangen/ und aber allein auß denen Urſachen
ihm von den ſeinigen zugeſetzet wird/ daß ſein Gemuͤth in Verwir-
rung gebracht/ und von der Tugend auf den Laſterweg verleitet wird/
haben ſie keine Entſchuldigung einzuwenden/ die ihnen das Schimpf-
mahl abwiſchen koͤnnen/ und ſeynd mehr deßwegen zu beſchuldigen
als die Kinder; dann weil ſie der Jahre Grauheit zu reiffem Verſtan-
de/ und die langwuͤrige Zeit der Erfahrenheit zur Klugheit bracht/
ſolten ſie ſich mehr der menſchlichen Zufaͤlle und himliſchen Schickun-
gen erinnern/ und ihrer Pflicht nicht vergeſſen/ welche ſie verbindet
umb eines geringen Fehlers die Kinder von der Tugend zu Laſtern/
und von der natuͤrlichen Zuneigung zu bittern Haß und Feindſchafft
zu reitzen/ zumaln wann die Kinder ſelbſt bekennen und erkennen/ daß
ſie das Geſetze der Natur hierin uͤberſchritten/ in dem ſie den Eltern
ihre gebuͤhrliche Ehr entwand/ dieweil ſie auß der wider ihrem vollen
Conſens in der frembde geſchloſſene Eheſtifftung einen Widerwillen
gefaſſet/ nachdem es ein allgemein durchgehender Gebrechen der Men-
ſchen iſt/ daß ſie irꝛen und fehlen/ hingegen aber zu bekennen und erken-
nen/ daß einer den Jrꝛthumb begangen/ ſolches iſt allein ein Zeichen
eines hohen und verſtaͤndigen Gemuͤths. Dann wer den Fehler be-
kent/ der verpflichtet ſich ſolchen auß dem Gedaͤchtnus der Menſchen
durch eine ſeiner profeſſion gemaͤſſe Verꝛichtung und ruhmwuͤrdige
That abzuleſchen/ dann der jenige ſo ſolchen begangen zu haben ab-
leugnet/ der gibt dardurch zu verſtehn/ daß er noch groͤſſere zu veruͤbẽ
gedencke/ und iſt in Warheit eine wichtige und merckliche Sache/ daß

ein
L
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[161/1195] zwiſchen Mann und Weib. Wann demnach die zu ſtraffen und anzufeinden die da lieben/ wie viel- mehr ſeynd die zu tadeln/ die ſich von Zorn und Eyfer erbittern und einnehmen laſſen. Es iſt einmals ein groſſer Herꝛ mit ſeiner Gemahl und Kindern durch ſeine Reſidentz-Stadt ſpatziret/ da ſich dann eine groſſe Volckmenge verſamlet/ iſt ohnverſehens einer hinzu getreten/ und deß Koͤnigs Tochter gekuͤſſet/ woruͤber ſich die Koͤnigin ſehr erey- fert/ und bey ihrem Herꝛn Anſuchung gethan/ die Perſon wegen ſol- cher frevel That greiffen und abſtraffen zu laſſen/ darauff er dann laͤch- lende geantwortet: Sollen wir die jenigen ſtraffen die uns Liebe und Zuneigung erweiſen/ wie ſolten wir dañ mit denen verfahren/ die uns verfolgen und anfeinden. Nachmaln kan auch die Nothwendigkeit deß Gefalls oder himliſchen Schickung hinzu kommen/ unter welchen ein Menſch geboren/ die dann nicht kan uͤberwunden und gemieden wer- den/ als von alten Klug-erfahrnen Leuten. Wann demnach deß Him- mels Wille zwey Seelen miteinander durch ein ehelich Band ver- knuͤpffet/ kan deß Menſchen Wille ſolche nicht von einander reiſſen. Wann die Kinder und inſonderheit ein Sohn ſonſt der Tugendbahn folget/ und in ſeiner Handthierung dahin trachtet einẽ ehr- und ruhm- wuͤrdigen Namen zu erlangen/ und aber allein auß denen Urſachen ihm von den ſeinigen zugeſetzet wird/ daß ſein Gemuͤth in Verwir- rung gebracht/ und von der Tugend auf den Laſterweg verleitet wird/ haben ſie keine Entſchuldigung einzuwenden/ die ihnen das Schimpf- mahl abwiſchen koͤnnen/ und ſeynd mehr deßwegen zu beſchuldigen als die Kinder; dann weil ſie der Jahre Grauheit zu reiffem Verſtan- de/ und die langwuͤrige Zeit der Erfahrenheit zur Klugheit bracht/ ſolten ſie ſich mehr der menſchlichen Zufaͤlle und himliſchen Schickun- gen erinnern/ und ihrer Pflicht nicht vergeſſen/ welche ſie verbindet umb eines geringen Fehlers die Kinder von der Tugend zu Laſtern/ und von der natuͤrlichen Zuneigung zu bittern Haß und Feindſchafft zu reitzen/ zumaln wann die Kinder ſelbſt bekennen und erkennen/ daß ſie das Geſetze der Natur hierin uͤberſchritten/ in dem ſie den Eltern ihre gebuͤhrliche Ehr entwand/ dieweil ſie auß der wider ihrem vollen Conſens in der frembde geſchloſſene Eheſtifftung einen Widerwillen gefaſſet/ nachdem es ein allgemein durchgehender Gebrechen der Men- ſchen iſt/ daß ſie irꝛen und fehlen/ hingegen aber zu bekennen und erken- nen/ daß einer den Jrꝛthumb begangen/ ſolches iſt allein ein Zeichen eines hohen und verſtaͤndigen Gemuͤths. Dann wer den Fehler be- kent/ der verpflichtet ſich ſolchen auß dem Gedaͤchtnus der Menſchen durch eine ſeiner profeſſion gemaͤſſe Verꝛichtung und ruhmwuͤrdige That abzuleſchen/ dann der jenige ſo ſolchen begangen zu haben ab- leugnet/ der gibt dardurch zu verſtehn/ daß er noch groͤſſere zu veruͤbẽ gedencke/ und iſt in Warheit eine wichtige und merckliche Sache/ daß ein L

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/1195>, abgerufen am 23.11.2024.