Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

Bild:
<< vorherige Seite
Unvorgreiffliches Bedencken


DEr angenehme Lentz war schon eingetretten.
Die liebliche Violen thaten ihr Angesicht auff. Die
gantze Welt stund in voller Rose. Der Guguck be-
gunte wider zu schreyen. Und die gelehrte Nachti-
gallen liessen sich überall hören: Als ich Filenus an
vergangener Leipziger Oster-Messe in einen vorneh-
men Buchladen kam/ mich darinnen umb etliche Bücher zu befra-
gen. Als ich aber in demselben etwas umbgehe/ kommen auch da
hinein zwey vornehme/ und in Leipzig wolbekante Studiosi, welche
ich vor dißmal/ und durch Buchstabenwechsel/ Gromio und Lagasso
nennen will. Diese/ weil sie mich/ und ich sie wider/ nicht kennete/
movirten einen und den andern discurs sonderlich aber dieselbigen/
welche ihnen damals gleichsam unter die Hände lieffen. Lagasso aber
bekommet ungefähr in dem herumbsuchen der Bücher M. Schmids
Discurs de Reputatione Academica in die Hände. Und fänget zu
Gromio, dem mit ihm gekommenden Studioso also an: Mons. Gro-
mio,
allhier sihet er den Discurs, von welchem unser Professer an
dem Tische gestern erwehnet hat. Gromio fragte hier alsbald den
Buchführer/ was dieses Discurs Preiß wäre? und er kauffte sich
solchen/ bittende dabey Lagasso: Ob er sich nicht wolte belieben las-
sen/ ein Halbstündgen in dem Buchladen nider zu sitzen/ und den
Discurs helffen durchlesen/ welches ihme Lagasso auch nicht abge-
schlagen. Jch hatte nun zwar in N. N. diesen Discurs schon durch-
gelesen/ daß ich also hier diesen noch einmal nicht dörffen anhören;
Gleichwol aber/ daß ich auch von diesen Studenten vernemmen
möchte/ was sie davon hielten/ machte ich mir so lang in dem Buch-
laden zu thun und zu lesen. Weil aber die Zeit kurtz/ und es kaum
eine Stunde vor Tische war/ giengen sie M. Schmids Discurs cur-
sorie,
biß etwan auff den letzten Bogen durch/ als aber Lagasso mit-
ten in dem lesen war/ fiel ihm Gromio in die Rede/ und sprach:

Gromio. Mein Herr Lagasso, er hat hier so lange Zeit studiret/
und kennet sehr viel Studiosos, kan er sich denn nicht entsinnen/ ob
ihm dieser Faber (denn so nenneten ihn diese Studiosi,) hier nicht
auch bekant gewesen sey. Was war es dann vor ein Kerle? Derglei-
chen Subjecta Philosophantia, und schwätzhafftige Paralogismi, las-
sen sich ja sonsten gerne immer vorne vorsehen.
Lagasso. Ja ich habe ihn wol gekant/ und darumb verwundert
mich
Unvorgreiffliches Bedencken


DEr angenehme Lentz war ſchon eingetretten.
Die liebliche Violen thaten ihr Angeſicht auff. Die
gantze Welt ſtund in voller Roſe. Der Guguck be-
gunte wider zu ſchreyen. Und die gelehrte Nachti-
gallen lieſſen ſich uͤberall hoͤren: Als ich Filenus an
vergangener Leipziger Oſter-Meſſe in einen vorneh-
men Buchladen kam/ mich darinnen umb etliche Buͤcher zu befra-
gen. Als ich aber in demſelben etwas umbgehe/ kommen auch da
hinein zwey vornehme/ und in Leipzig wolbekante Studioſi, welche
ich vor dißmal/ und durch Buchſtabenwechſel/ Gromio und Lagaſſo
nennen will. Dieſe/ weil ſie mich/ und ich ſie wider/ nicht kennete/
movirten einen und den andern diſcurs ſonderlich aber dieſelbigen/
welche ihnen damals gleichſam unter die Haͤnde lieffen. Lagaſſo aber
bekommet ungefaͤhr in dem herumbſuchen der Buͤcher M. Schmids
Diſcurs de Reputatione Academica in die Haͤnde. Und faͤnget zu
Gromio, dem mit ihm gekommenden Studioſo alſo an: Monſ. Gro-
mio,
allhier ſihet er den Diſcurs, von welchem unſer Profeſſer an
dem Tiſche geſtern erwehnet hat. Gromio fragte hier alsbald den
Buchfuͤhrer/ was dieſes Diſcurs Preiß waͤre? und er kauffte ſich
ſolchen/ bittende dabey Lagaſſo: Ob er ſich nicht wolte belieben laſ-
ſen/ ein Halbſtuͤndgen in dem Buchladen nider zu ſitzen/ und den
Diſcurs helffen durchleſen/ welches ihme Lagaſſo auch nicht abge-
ſchlagen. Jch hatte nun zwar in N. N. dieſen Diſcurs ſchon durch-
geleſen/ daß ich alſo hier dieſen noch einmal nicht doͤrffen anhoͤren;
Gleichwol aber/ daß ich auch von dieſen Studenten vernemmen
moͤchte/ was ſie davon hielten/ machte ich mir ſo lang in dem Buch-
laden zu thun und zu leſen. Weil aber die Zeit kurtz/ und es kaum
eine Stunde vor Tiſche war/ giengen ſie M. Schmids Diſcurs cur-
ſoriè,
biß etwan auff den letzten Bogen durch/ als aber Lagaſſo mit-
ten in dem leſen war/ fiel ihm Gromio in die Rede/ und ſprach:

Gromio. Mein Herr Lagaſſo, er hat hier ſo lange Zeit ſtudiret/
und kennet ſehr viel Studioſos, kan er ſich denn nicht entſinnen/ ob
ihm dieſer Faber (denn ſo nenneten ihn dieſe Studioſi,) hier nicht
auch bekant geweſen ſey. Was war es dann vor ein Kerle? Derglei-
chen Subjecta Philoſophantia, und ſchwaͤtzhafftige Paralogiſmi, laſ-
ſen ſich ja ſonſten gerne immer vorne vorſehen.
Lagaſſo. Ja ich habe ihn wol gekant/ und darumb verwundert
mich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <floatingText>
          <body>
            <div n="1">
              <pb facs="#f1040" n="6"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Unvorgreiffliches Bedencken</hi> </fw><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <div n="2">
                <p><hi rendition="#in">D</hi><hi rendition="#fr">Er angenehme Lentz war &#x017F;chon eingetretten.</hi><lb/>
Die liebliche Violen thaten ihr Ange&#x017F;icht auff. Die<lb/>
gantze Welt &#x017F;tund in voller Ro&#x017F;e. Der Guguck be-<lb/>
gunte wider zu &#x017F;chreyen. Und die gelehrte Nachti-<lb/>
gallen lie&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich u&#x0364;berall ho&#x0364;ren: Als ich <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Filenus</hi></hi> an<lb/>
vergangener Leipziger O&#x017F;ter-Me&#x017F;&#x017F;e in einen vorneh-<lb/>
men Buchladen kam/ mich darinnen umb etliche Bu&#x0364;cher zu befra-<lb/>
gen. Als ich aber in dem&#x017F;elben etwas umbgehe/ kommen auch da<lb/>
hinein zwey vornehme/ und in Leipzig wolbekante <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Studio&#x017F;i,</hi></hi> welche<lb/>
ich vor dißmal/ und durch Buch&#x017F;tabenwech&#x017F;el/ <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Gromio</hi></hi> und <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Laga&#x017F;&#x017F;o</hi></hi><lb/>
nennen will. Die&#x017F;e/ weil &#x017F;ie mich/ und ich &#x017F;ie wider/ nicht kennete/<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">movi</hi></hi>rten einen und den andern <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">di&#x017F;curs</hi></hi> &#x017F;onderlich aber die&#x017F;elbigen/<lb/>
welche ihnen damals gleich&#x017F;am unter die Ha&#x0364;nde lieffen. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Laga&#x017F;&#x017F;o</hi></hi> aber<lb/>
bekommet ungefa&#x0364;hr in dem herumb&#x017F;uchen der Bu&#x0364;cher <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">M.</hi></hi> Schmids<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Di&#x017F;curs de Reputatione Academica</hi></hi> in die Ha&#x0364;nde. Und fa&#x0364;nget zu<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Gromio,</hi></hi> dem mit ihm gekommenden <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Studio&#x017F;o</hi></hi> al&#x017F;o an: <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Mon&#x017F;. Gro-<lb/>
mio,</hi></hi> allhier &#x017F;ihet er den <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Di&#x017F;curs,</hi></hi> von welchem un&#x017F;er <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Profe&#x017F;&#x017F;er</hi></hi> an<lb/>
dem Ti&#x017F;che ge&#x017F;tern erwehnet hat. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Gromio</hi></hi> fragte hier alsbald den<lb/>
Buchfu&#x0364;hrer/ was die&#x017F;es <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Di&#x017F;curs</hi></hi> Preiß wa&#x0364;re? und er kauffte &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;olchen/ bittende dabey <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Laga&#x017F;&#x017F;o:</hi></hi> Ob er &#x017F;ich nicht wolte belieben la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en/ ein Halb&#x017F;tu&#x0364;ndgen in dem Buchladen nider zu &#x017F;itzen/ und den<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Di&#x017F;curs</hi></hi> helffen durchle&#x017F;en/ welches ihme <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Laga&#x017F;&#x017F;o</hi></hi> auch nicht abge-<lb/>
&#x017F;chlagen. Jch hatte nun zwar in N. N. die&#x017F;en <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Di&#x017F;curs</hi></hi> &#x017F;chon durch-<lb/>
gele&#x017F;en/ daß ich al&#x017F;o hier die&#x017F;en noch einmal nicht do&#x0364;rffen anho&#x0364;ren;<lb/>
Gleichwol aber/ daß ich auch von die&#x017F;en Studenten vernemmen<lb/>
mo&#x0364;chte/ was &#x017F;ie davon hielten/ machte ich mir &#x017F;o lang in dem Buch-<lb/>
laden zu thun und zu le&#x017F;en. Weil aber die Zeit kurtz/ und es kaum<lb/>
eine Stunde vor Ti&#x017F;che war/ giengen &#x017F;ie <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">M.</hi></hi> Schmids <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Di&#x017F;curs cur-<lb/>
&#x017F;oriè,</hi></hi> biß etwan auff den letzten Bogen durch/ als aber <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Laga&#x017F;&#x017F;o</hi></hi> mit-<lb/>
ten in dem le&#x017F;en war/ fiel ihm <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Gromio</hi></hi> in die Rede/ und &#x017F;prach:</p><lb/>
                <sp>
                  <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Gromio.</hi> </hi> </speaker>
                  <p>Mein Herr <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Laga&#x017F;&#x017F;o,</hi></hi> er hat hier &#x017F;o lange Zeit <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">&#x017F;tudi</hi></hi>ret/<lb/>
und kennet &#x017F;ehr viel <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Studio&#x017F;os,</hi></hi> kan er &#x017F;ich denn nicht ent&#x017F;innen/ ob<lb/>
ihm die&#x017F;er <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Faber</hi></hi> (denn &#x017F;o nenneten ihn die&#x017F;e <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Studio&#x017F;i,</hi></hi>) hier nicht<lb/>
auch bekant gewe&#x017F;en &#x017F;ey. Was war es dann vor ein Kerle? Derglei-<lb/>
chen <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Subjecta Philo&#x017F;ophantia,</hi></hi> und &#x017F;chwa&#x0364;tzhafftige <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Paralogi&#x017F;mi,</hi></hi> la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en &#x017F;ich ja &#x017F;on&#x017F;ten gerne immer vorne vor&#x017F;ehen.</p>
                </sp><lb/>
                <sp>
                  <speaker> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Laga&#x017F;&#x017F;o.</hi> </hi> </speaker>
                  <p>Ja ich habe ihn wol gekant/ und darumb verwundert<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mich</fw><lb/></p>
                </sp>
              </div>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[6/1040] Unvorgreiffliches Bedencken DEr angenehme Lentz war ſchon eingetretten. Die liebliche Violen thaten ihr Angeſicht auff. Die gantze Welt ſtund in voller Roſe. Der Guguck be- gunte wider zu ſchreyen. Und die gelehrte Nachti- gallen lieſſen ſich uͤberall hoͤren: Als ich Filenus an vergangener Leipziger Oſter-Meſſe in einen vorneh- men Buchladen kam/ mich darinnen umb etliche Buͤcher zu befra- gen. Als ich aber in demſelben etwas umbgehe/ kommen auch da hinein zwey vornehme/ und in Leipzig wolbekante Studioſi, welche ich vor dißmal/ und durch Buchſtabenwechſel/ Gromio und Lagaſſo nennen will. Dieſe/ weil ſie mich/ und ich ſie wider/ nicht kennete/ movirten einen und den andern diſcurs ſonderlich aber dieſelbigen/ welche ihnen damals gleichſam unter die Haͤnde lieffen. Lagaſſo aber bekommet ungefaͤhr in dem herumbſuchen der Buͤcher M. Schmids Diſcurs de Reputatione Academica in die Haͤnde. Und faͤnget zu Gromio, dem mit ihm gekommenden Studioſo alſo an: Monſ. Gro- mio, allhier ſihet er den Diſcurs, von welchem unſer Profeſſer an dem Tiſche geſtern erwehnet hat. Gromio fragte hier alsbald den Buchfuͤhrer/ was dieſes Diſcurs Preiß waͤre? und er kauffte ſich ſolchen/ bittende dabey Lagaſſo: Ob er ſich nicht wolte belieben laſ- ſen/ ein Halbſtuͤndgen in dem Buchladen nider zu ſitzen/ und den Diſcurs helffen durchleſen/ welches ihme Lagaſſo auch nicht abge- ſchlagen. Jch hatte nun zwar in N. N. dieſen Diſcurs ſchon durch- geleſen/ daß ich alſo hier dieſen noch einmal nicht doͤrffen anhoͤren; Gleichwol aber/ daß ich auch von dieſen Studenten vernemmen moͤchte/ was ſie davon hielten/ machte ich mir ſo lang in dem Buch- laden zu thun und zu leſen. Weil aber die Zeit kurtz/ und es kaum eine Stunde vor Tiſche war/ giengen ſie M. Schmids Diſcurs cur- ſoriè, biß etwan auff den letzten Bogen durch/ als aber Lagaſſo mit- ten in dem leſen war/ fiel ihm Gromio in die Rede/ und ſprach: Gromio. Mein Herr Lagaſſo, er hat hier ſo lange Zeit ſtudiret/ und kennet ſehr viel Studioſos, kan er ſich denn nicht entſinnen/ ob ihm dieſer Faber (denn ſo nenneten ihn dieſe Studioſi,) hier nicht auch bekant geweſen ſey. Was war es dann vor ein Kerle? Derglei- chen Subjecta Philoſophantia, und ſchwaͤtzhafftige Paralogiſmi, laſ- ſen ſich ja ſonſten gerne immer vorne vorſehen. Lagaſſo. Ja ich habe ihn wol gekant/ und darumb verwundert mich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/1040
Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/1040>, abgerufen am 22.11.2024.