Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].Lustiger und anmuthiger Discurs. viel von eigner Erfahrung/ viel von Besuchung frembder Natio-nen und Ländern/ und derer Sitten und Gebräuchen: welche Dinge viele der blossen Betrachtung und Schulwissenschafft zuschreiben. Aber dich Jacobe Cujaci wil ich erinnert und vermahnet haben/ daß du/ wann du die Stimmen samlest nicht vergessest deß unverschäm- ten Beginnens. Er hat auch so wol der alten als neuen Jurispru- dentz Geheimnüsse entdecket/ die doch wol und stattlich erkläret/ und sihestu nicht wie gantze Blätter hin und wider von Registern und Vorzeichnissen der Gesetzen angefüllet sind? Dieses wenige habe ich gesehen/ observiret und auch erinnert. Jhr nun so ihr wollet/ könnet das übrige wol besehen und beleuchten/ und was mit solcher Mißge- burt zu thun/ wollet ihr eure Gemüthsmeynunge frey und ohnge- scheuet herauß sagen? die meisten giengen dahin/ daß es zu verwerffen und zu verdammen/ und war keiner der sich sonderlich darwider gese- tzet hätte/ ausser der Daniel Heinß/ der gienge auß Liebe und affe- ction der Partheyen von dieser Meynung abe und zurücke. Dann er erinnerte sich noch in frischem Angedencken/ derer ihme von Schop- pio auffgerückten Hochmuths/ und dieses triebe und verleitete ihn mit Gewalt zu einer andern absonderlichen Meynunge. Als aber der meiste Theil der Stimmenden zugelassen/ hat die Beschimpffung auß Haß und Neid verursachet/ daß die Stimmen mehr unterschieden/ als widrig und gegeneinander gewesen. Der Erasmus hat ernstlich dafür gehalten/ dieses Buch sey nicht schluß
Luſtiger und anmuthiger Diſcurs. viel von eigner Erfahrung/ viel von Beſuchung frembder Natio-nen und Laͤndern/ und derer Sitten und Gebraͤuchen: welche Dinge viele der bloſſen Betrachtung und Schulwiſſenſchafft zuſchreiben. Aber dich Jacobe Cujaci wil ich erinnert und vermahnet haben/ daß du/ wann du die Stimmen ſamleſt nicht vergeſſeſt deß unverſchaͤm- ten Beginnens. Er hat auch ſo wol der alten als neuen Jurispru- dentz Geheimnuͤſſe entdecket/ die doch wol und ſtattlich erklaͤret/ und ſiheſtu nicht wie gantze Blaͤtter hin und wider von Regiſtern und Vorzeichniſſen der Geſetzen angefuͤllet ſind? Dieſes wenige habe ich geſehen/ obſerviret und auch erinnert. Jhr nun ſo ihr wollet/ koͤnnet das uͤbrige wol beſehen und beleuchten/ und was mit ſolcher Mißge- burt zu thun/ wollet ihr eure Gemuͤthsmeynunge frey und ohnge- ſcheuet herauß ſagen? die meiſten giengen dahin/ daß es zu verwerffen und zu verdammen/ und war keiner der ſich ſonderlich darwider geſe- tzet haͤtte/ auſſer der Daniel Heinß/ der gienge auß Liebe und affe- ction der Partheyen von dieſer Meynung abe und zuruͤcke. Dann er erinnerte ſich noch in friſchem Angedencken/ derer ihme von Schop- pio auffgeruͤckten Hochmuths/ und dieſes triebe und verleitete ihn mit Gewalt zu einer andern abſonderlichen Meynunge. Als aber der meiſte Theil der Stimmenden zugelaſſen/ hat die Beſchimpffung auß Haß und Neid verurſachet/ daß die Stimmen mehr unterſchieden/ als widrig und gegeneinander geweſen. Der Eraſmus hat ernſtlich dafuͤr gehalten/ dieſes Buch ſey nicht ſchluß
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Luſtiger und anmuthiger Diſcurs.
viel von eigner Erfahrung/ viel von Beſuchung frembder Natio-
nen und Laͤndern/ und derer Sitten und Gebraͤuchen: welche Dinge
viele der bloſſen Betrachtung und Schulwiſſenſchafft zuſchreiben.
Aber dich Jacobe Cujaci wil ich erinnert und vermahnet haben/ daß
du/ wann du die Stimmen ſamleſt nicht vergeſſeſt deß unverſchaͤm-
ten Beginnens. Er hat auch ſo wol der alten als neuen Jurispru-
dentz Geheimnuͤſſe entdecket/ die doch wol und ſtattlich erklaͤret/ und
ſiheſtu nicht wie gantze Blaͤtter hin und wider von Regiſtern und
Vorzeichniſſen der Geſetzen angefuͤllet ſind? Dieſes wenige habe ich
geſehen/ obſerviret und auch erinnert. Jhr nun ſo ihr wollet/ koͤnnet
das uͤbrige wol beſehen und beleuchten/ und was mit ſolcher Mißge-
burt zu thun/ wollet ihr eure Gemuͤthsmeynunge frey und ohnge-
ſcheuet herauß ſagen? die meiſten giengen dahin/ daß es zu verwerffen
und zu verdammen/ und war keiner der ſich ſonderlich darwider geſe-
tzet haͤtte/ auſſer der Daniel Heinß/ der gienge auß Liebe und affe-
ction der Partheyen von dieſer Meynung abe und zuruͤcke. Dann
er erinnerte ſich noch in friſchem Angedencken/ derer ihme von Schop-
pio auffgeruͤckten Hochmuths/ und dieſes triebe und verleitete ihn
mit Gewalt zu einer andern abſonderlichen Meynunge. Als aber der
meiſte Theil der Stimmenden zugelaſſen/ hat die Beſchimpffung auß
Haß und Neid verurſachet/ daß die Stimmen mehr unterſchieden/
als widrig und gegeneinander geweſen.
Der Eraſmus hat ernſtlich dafuͤr gehalten/ dieſes Buch ſey nicht
zu gedulden mit Schimpff der gantzen Welt; welches kaum ein we-
nig von der Barbarey geſaͤubert und gereiniget worden/ und ſolte
nunmehr widerumb beſudelt und beſchmitzet werden/ durch die neue
und groſſe Begierde der Buͤcher-Schreiber: Deme gaben Beyfall
die Scaligeri, Muretus, Turnebus, Lipſius, Grüterus, Helias
Putſchius, den man neulich mit in den Rath genommen/ begehrete
dieſes fuͤr ſich ſelbſten: Es weren die Teutſchen zu ſchelten und zu
ſtraffen/ als die da Wolthaten nicht erkenneten: Er haͤtte ihnen mehr
dann dreyſſig Grammaticos wider gegeben und verbeſſert/ nur da-
mit ſie reden lerneten: ſo finde man dennoch ſo viele ſtammlende/ und
gleichſam halbſtumme Geſellen/ die da nicht drey oder vier Zeilen oh-
ne ſtamlen reden und zuwege bringen koͤnnen. Das beklagten nicht
weniger auch eben andere Leute die dazumal lebeten/ gar ſehr. Von
dem Buch wurde alſo ſtatuiret, geſchloſſen und geurtheilt. Man
ſolte entweder es beybehalten/ oder begraben/ daß es kein
ſterblicher Menſch zu ſehen bekomme. Darmit es ſeinem
Gifft und Untugend weit und breit außbreitete/ und die-
ſer Schluß ſolte von allen ſteiff und feſte gehalten wer-
den/ daß niemanden ſeiner gedencken ſolte. Dieſer Rath-
ſchluß
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