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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Regenten-Spiegel.
Ein Secretarius der auß einer Supplication dem Herrn referiren sol/
kan deß Supplicanten formalia verba referiren, und kan in favorem Ad-
versarii,
in der pronunciation, oder mit den minen und Geberden den
Herrn verführen/ daß er die Sache anders auffnimbt als sie ist. Jch
habe einsmals einen Hoffschrantzen gekant/ welcher seinen Herrn/ der
sonst weiß und vernünfftig genug war/ auff Rothwelsch vexiren konte/
wann er etwas bey ihm mündlich anbringen wolte/ so erzehlt er ihm
erstlich ein hauffen Dinges/ damit er den Herrn lustig machte/ wann
er nun Abschied nahm/ dem Herrn die Hand geküsset/ und die Thür in
der Hand hatte/ stellete er sich als ob er noch etwas vergessen hätte/
und proponirte das principal. Werck/ umb welches willen er zu dem
Herrn kommen war/ und der Herr/ welcher zuvor lauter Schertz mit
ihm getrieben/ und alle seine Reden mit Lachen angehöret hatte/ pflag
gemeiniglich diesen seinen letzten Vortrag/ darin offt ehrliche Leute
belogen und betrogen wurden/ zu approbiren. Wann er etwas schrifft-
lich bey seinem Herrn suchen wolte/ so machte er ihm erstlich einen gros-
sen Firlefantz/ de egregio quodam NIHILO, und schrieb etwas/ das sei-
nem Herrn zu vernehmen angenehm war/ es mochte wahr seyn oder
nicht. Endlich machte er ein post scriptum, und proponirte seine Princi-
pal-Sache/ und umb der zuvor geschriebenen anmutigen Lügen wil-
len/ erlangt er gemeiniglich was er begehrte. Mundus vult decipi, das
ist/ Grosse Herrn wollen höflich betrogen seyn. Weil nun offtmals die
gottlose Hofschrantzen/ mit ihrem referiren einen frommen Herrn be-
triegen/ und einem armen Mann Audientz abschneiden. Als hat der
Hochweise Hessische Held/ Philips der Großmütige/ in seinem Fürst-
lichen Testament für gut angesehen/ daß seine Herrn Söhne unter-
weilens auff die Jagd ziehen/ und sich dabey erlustigen. Dann dadurch
kan/ in Abwesenheit der Schreiber und Doctor/ ein armer Bauer oder
ander Unterthan/ offt Gelegenheit gewinnen/ seinem Herrn seine Sa-
che und sein Anligen selbst fürzutragen. Und wer ein weiser Herr ist/
der wird es nicht machen wie jener geitzige Graff/ welcher zu Erspa-
rung der Unkosten/ keinen Rath hielte/ sondern alle Sachen selbst an-
hörete/ als nun zwey seiner Bauern einen Streit hatten/ supplicirte
der eine an seinen Herrn/ und legte in die Supplication einen Gold-
gülden. Da antwortete der Graff: Du hast recht. Komm künfftigen
Mitwochen/ ich wil deinen Widerpart citiren lassen/ und dem Schel-
men schon sagen was ihm zu sagen ist. Als der Widerpart das ver-
nommen/ macht er auch eine Supplication an den Grafen/ und legte
einen Ducaten darein. Als sie am Mitwochen zusammen kamen/ wolte
der Graf weder deß Goldgülden oder deß Ducaten entrathen/ son-
dern schüttelte den Kopff/ und sagte: Jhr Schelme/ ihr habt alle bey-

de recht.
B v

Regenten-Spiegel.
Ein Secretarius der auß einer Supplication dem Herꝛn referiren ſol/
kan deß Supplicanten formalia verba referiren, und kan in favorem Ad-
verſarii,
in der pronunciation, oder mit den minen und Geberden den
Herꝛn verfuͤhren/ daß er die Sache anders auffnimbt als ſie iſt. Jch
habe einsmals einen Hoffſchrantzen gekant/ welcher ſeinen Herꝛn/ der
ſonſt weiß und vernuͤnfftig genug war/ auff Rothwelſch vexiren konte/
wann er etwas bey ihm muͤndlich anbringen wolte/ ſo erzehlt er ihm
erſtlich ein hauffen Dinges/ damit er den Herꝛn luſtig machte/ wann
er nun Abſchied nahm/ dem Herꝛn die Hand gekuͤſſet/ und die Thuͤr in
der Hand hatte/ ſtellete er ſich als ob er noch etwas vergeſſen haͤtte/
und proponirte das principal. Werck/ umb welches willen er zu dem
Herꝛn kommen war/ und der Herꝛ/ welcher zuvor lauter Schertz mit
ihm getrieben/ und alle ſeine Reden mit Lachen angehoͤret hatte/ pflag
gemeiniglich dieſen ſeinen letzten Vortrag/ darin offt ehrliche Leute
belogen und betrogen wurden/ zu approbiren. Wann er etwas ſchrifft-
lich bey ſeinem Herꝛn ſuchen wolte/ ſo machte er ihm erſtlich einen groſ-
ſen Firlefantz/ de egregio quodam NIHILO, und ſchrieb etwas/ das ſei-
nem Herꝛn zu vernehmen angenehm war/ es mochte wahr ſeyn oder
nicht. Endlich machte er ein poſt ſcriptum, und proponirte ſeine Princi-
pal-Sache/ und umb der zuvor geſchriebenen anmutigen Luͤgen wil-
len/ erlangt er gemeiniglich was er begehrte. Mundus vult decipi, das
iſt/ Groſſe Herꝛn wollen hoͤflich betrogen ſeyn. Weil nun offtmals die
gottloſe Hofſchrantzen/ mit ihrem referiren einen frommen Herꝛn be-
triegen/ und einem armen Mann Audientz abſchneiden. Als hat der
Hochweiſe Heſſiſche Held/ Philips der Großmuͤtige/ in ſeinem Fuͤrſt-
lichen Teſtament fuͤr gut angeſehen/ daß ſeine Herꝛn Soͤhne unter-
weilens auff die Jagd ziehen/ und ſich dabey erluſtigen. Dann dadurch
kan/ in Abweſenheit der Schreiber und Doctor/ ein armer Bauer oder
ander Unterthan/ offt Gelegenheit gewinnen/ ſeinem Herꝛn ſeine Sa-
che und ſein Anligen ſelbſt fuͤrzutragen. Und wer ein weiſer Herꝛ iſt/
der wird es nicht machen wie jener geitzige Graff/ welcher zu Erſpa-
rung der Unkoſten/ keinen Rath hielte/ ſondern alle Sachen ſelbſt an-
hoͤrete/ als nun zwey ſeiner Bauern einen Streit hatten/ ſupplicirte
der eine an ſeinen Herꝛn/ und legte in die Supplication einen Gold-
guͤlden. Da antwortete der Graff: Du haſt recht. Komm kuͤnfftigen
Mitwochen/ ich wil deinen Widerpart citiren laſſen/ und dem Schel-
men ſchon ſagen was ihm zu ſagen iſt. Als der Widerpart das ver-
nommen/ macht er auch eine Supplication an den Grafen/ und legte
einen Ducaten darein. Als ſie am Mitwochen zuſammen kamen/ wolte
der Graf weder deß Goldguͤlden oder deß Ducaten entrathen/ ſon-
dern ſchuͤttelte den Kopff/ und ſagte: Jhr Schelme/ ihr habt alle bey-

de recht.
B v
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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/67>, abgerufen am 26.11.2024.