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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Regenten-Spiegel.
--- Cassandrae dedit Augur Apollo
Esse bonam Vatem, sed non credenda profari.

Dagegen wird von dem Rath der Grichischen Stadt Athen geschrie-
ben/ daß sie offt unwitzige und unbesonnene Anschläge gehabt haben.
Aber ihre Göttin Minerva habe dieselbe stäts glücklich regieret/ und
zu ersprießlichem Ende gebracht. Solcher tollen unwitzigen Ding/
gehen offt in geheimen Cantzeleyen viel für/ davon ein Regiment müste
übern Hauffen fallen/ wann Gott das Böse nicht zum guten lenckte.
Gottes Weißheit und der Menschen Thorheit/ regieren die Welt.

Zum fünfften hat ein Regent vonnöthen gute Räth und Diener.
Die werden auch von Gott beschehrt/ Syr. sagt Cap. 10. Es stehet in
Gottes Händen/ daß es einem Regenten gerathe/ derselbe gibt ihm ei-
nen löblichen Cantzler. Der einige Reichs Cantzler in Schweden/ Herr
Graf Axel Oxenstirn/ hat dem Königreich Schweden mehr genützt/
als eine gantze Armee. Was der König und andere Cavallier thäten
mit dem Schwerdt/ das thät er bey Schweden/ und bey Franckreich
der Cardinal Richelieu/ mit der Feder. Und wann das Schwerdt und
die Feder zugleich/ mit tapffern und weisen Händen geführet werden/
so geschehen grosse Ding. Jch zweiffel dran/ ob den ersten Römischen
Monarchen den Iulium Caesarem, das Schwerdt grösser gemacht habe
als die Feder? Hochgedachter Herr Reichs Cantzler hätte einen guten
Zeiger in eine Uhr geben/ dann seine Anschläg kont man nicht mercken/
biß sie schlugen. Er war im Rathen wie ein Schneck/ und in Thaten
wie ein Vogel in der Lufft/ oder wie ein Pfeil vom Bogen. Wann ich
betrachte/ wie Königin Christina ihm einen Pfeil und Bogen in sein
Gräfliches Wappen gegeben/ erinnere ich mich was David von Jo-
nathan sagt: Der Bogen Jonathan hat nie gefehlet. Und ferner sagt
David von Saul und Jonathan/ daß sie seyn gewesen leichter dann
die Adler/ und stärcker dann die Löwen/ 2. Sam. 1. Jch halte das für
der Schweden grösseste Weißheit/ daß sie ihre Consilia geheim halten/
und es machen wie die Wildschützen/ da Knall und Fall ein Ding ist.
An andern Höfen sagt man offt bey der Tafel was geschehen solle. Da
müssen es die Pagen und Laqueyen anhören. Verschweigt es aber der
Herr bey der Tafel/ so sagt es der Rath seiner Frauen/ inter oscula &
amplexus,
die Frau sagt es der Magd/ und also weiß es der Magd
Courtisan, und von dem Courtisan erfähret es die gantze Welt. Auff
Universitäten hält man die Professores, welche die Jugend lehren die
Kunst zu reden. Es were gut/ wann auch Professores gehalten würden/
welche lehrten die Kunst zu schweigen. Nam nulli tacuisse nocet, nocet
esse locutum. Res magnae ab eo peragi nequeunt, cui tacere poena est.
Man
sagt/ daß hiebevor in Griechenland zu einem frembden Legato kom-
men seyn etliche Philosophi/ deren jeder seine Weißheit zu ostentiren,

seinen
B iij
Regenten-Spiegel.
‒‒‒ Caſſandræ dedit Augur Apollo
Eſſe bonam Vatem, ſed non credenda profari.

Dagegen wird von dem Rath der Grichiſchen Stadt Athen geſchrie-
ben/ daß ſie offt unwitzige und unbeſonnene Anſchlaͤge gehabt haben.
Aber ihre Goͤttin Minerva habe dieſelbe ſtaͤts gluͤcklich regieret/ und
zu erſprießlichem Ende gebracht. Solcher tollen unwitzigen Ding/
gehen offt in geheimen Cantzeleyen viel fuͤr/ davon ein Regiment muͤſte
uͤbern Hauffen fallen/ wann Gott das Boͤſe nicht zum guten lenckte.
Gottes Weißheit und der Menſchen Thorheit/ regieren die Welt.

Zum fuͤnfften hat ein Regent vonnoͤthen gute Raͤth und Diener.
Die werden auch von Gott beſchehrt/ Syr. ſagt Cap. 10. Es ſtehet in
Gottes Haͤnden/ daß es einem Regenten gerathe/ derſelbe gibt ihm ei-
nen loͤblichen Cantzler. Der einige Reichs Cantzler in Schweden/ Herꝛ
Graf Axel Oxenſtirn/ hat dem Koͤnigreich Schweden mehr genuͤtzt/
als eine gantze Armee. Was der Koͤnig und andere Cavallier thaͤten
mit dem Schwerdt/ das thaͤt er bey Schweden/ und bey Franckreich
der Cardinal Richelieu/ mit der Feder. Und wann das Schwerdt und
die Feder zugleich/ mit tapffern und weiſen Haͤnden gefuͤhret werden/
ſo geſchehen groſſe Ding. Jch zweiffel dran/ ob den erſten Roͤmiſchen
Monarchen den Iulium Cæſarem, das Schwerdt groͤſſer gemacht habe
als die Feder? Hochgedachter Herꝛ Reichs Cantzler haͤtte einen guten
Zeiger in eine Uhr geben/ dann ſeine Anſchlaͤg kont man nicht mercken/
biß ſie ſchlugen. Er war im Rathen wie ein Schneck/ und in Thaten
wie ein Vogel in der Lufft/ oder wie ein Pfeil vom Bogen. Wann ich
betrachte/ wie Koͤnigin Chriſtina ihm einen Pfeil und Bogen in ſein
Graͤfliches Wappen gegeben/ erinnere ich mich was David von Jo-
nathan ſagt: Der Bogen Jonathan hat nie gefehlet. Und ferner ſagt
David von Saul und Jonathan/ daß ſie ſeyn geweſen leichter dann
die Adler/ und ſtaͤrcker dann die Loͤwen/ 2. Sam. 1. Jch halte das fuͤr
der Schweden groͤſſeſte Weißheit/ daß ſie ihre Conſilia geheim halten/
und es machen wie die Wildſchuͤtzen/ da Knall und Fall ein Ding iſt.
An andern Hoͤfen ſagt man offt bey der Tafel was geſchehen ſolle. Da
muͤſſen es die Pagen und Laqueyen anhoͤren. Verſchweigt es aber der
Herꝛ bey der Tafel/ ſo ſagt es der Rath ſeiner Frauen/ inter oſcula &
amplexus,
die Frau ſagt es der Magd/ und alſo weiß es der Magd
Courtiſan, und von dem Courtiſan erfaͤhret es die gantze Welt. Auff
Univerſitaͤten haͤlt man die Profeſſores, welche die Jugend lehren die
Kunſt zu reden. Es were gut/ wann auch Profeſſores gehalten wuͤrden/
welche lehrten die Kunſt zu ſchweigen. Nam nulli tacuiſſe nocet, nocet
eſſe locutum. Res magnæ ab eo peragi nequeunt, cui tacere pœna eſt.
Man
ſagt/ daß hiebevor in Griechenland zu einem frembden Legato kom-
men ſeyn etliche Philoſophi/ deren jeder ſeine Weißheit zu oſtentiren,

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[21/0063] Regenten-Spiegel. ‒‒‒ Caſſandræ dedit Augur Apollo Eſſe bonam Vatem, ſed non credenda profari. Dagegen wird von dem Rath der Grichiſchen Stadt Athen geſchrie- ben/ daß ſie offt unwitzige und unbeſonnene Anſchlaͤge gehabt haben. Aber ihre Goͤttin Minerva habe dieſelbe ſtaͤts gluͤcklich regieret/ und zu erſprießlichem Ende gebracht. Solcher tollen unwitzigen Ding/ gehen offt in geheimen Cantzeleyen viel fuͤr/ davon ein Regiment muͤſte uͤbern Hauffen fallen/ wann Gott das Boͤſe nicht zum guten lenckte. Gottes Weißheit und der Menſchen Thorheit/ regieren die Welt. Zum fuͤnfften hat ein Regent vonnoͤthen gute Raͤth und Diener. Die werden auch von Gott beſchehrt/ Syr. ſagt Cap. 10. Es ſtehet in Gottes Haͤnden/ daß es einem Regenten gerathe/ derſelbe gibt ihm ei- nen loͤblichen Cantzler. Der einige Reichs Cantzler in Schweden/ Herꝛ Graf Axel Oxenſtirn/ hat dem Koͤnigreich Schweden mehr genuͤtzt/ als eine gantze Armee. Was der Koͤnig und andere Cavallier thaͤten mit dem Schwerdt/ das thaͤt er bey Schweden/ und bey Franckreich der Cardinal Richelieu/ mit der Feder. Und wann das Schwerdt und die Feder zugleich/ mit tapffern und weiſen Haͤnden gefuͤhret werden/ ſo geſchehen groſſe Ding. Jch zweiffel dran/ ob den erſten Roͤmiſchen Monarchen den Iulium Cæſarem, das Schwerdt groͤſſer gemacht habe als die Feder? Hochgedachter Herꝛ Reichs Cantzler haͤtte einen guten Zeiger in eine Uhr geben/ dann ſeine Anſchlaͤg kont man nicht mercken/ biß ſie ſchlugen. Er war im Rathen wie ein Schneck/ und in Thaten wie ein Vogel in der Lufft/ oder wie ein Pfeil vom Bogen. Wann ich betrachte/ wie Koͤnigin Chriſtina ihm einen Pfeil und Bogen in ſein Graͤfliches Wappen gegeben/ erinnere ich mich was David von Jo- nathan ſagt: Der Bogen Jonathan hat nie gefehlet. Und ferner ſagt David von Saul und Jonathan/ daß ſie ſeyn geweſen leichter dann die Adler/ und ſtaͤrcker dann die Loͤwen/ 2. Sam. 1. Jch halte das fuͤr der Schweden groͤſſeſte Weißheit/ daß ſie ihre Conſilia geheim halten/ und es machen wie die Wildſchuͤtzen/ da Knall und Fall ein Ding iſt. An andern Hoͤfen ſagt man offt bey der Tafel was geſchehen ſolle. Da muͤſſen es die Pagen und Laqueyen anhoͤren. Verſchweigt es aber der Herꝛ bey der Tafel/ ſo ſagt es der Rath ſeiner Frauen/ inter oſcula & amplexus, die Frau ſagt es der Magd/ und alſo weiß es der Magd Courtiſan, und von dem Courtiſan erfaͤhret es die gantze Welt. Auff Univerſitaͤten haͤlt man die Profeſſores, welche die Jugend lehren die Kunſt zu reden. Es were gut/ wann auch Profeſſores gehalten wuͤrden/ welche lehrten die Kunſt zu ſchweigen. Nam nulli tacuiſſe nocet, nocet eſſe locutum. Res magnæ ab eo peragi nequeunt, cui tacere pœna eſt. Man ſagt/ daß hiebevor in Griechenland zu einem frembden Legato kom- men ſeyn etliche Philoſophi/ deren jeder ſeine Weißheit zu oſtentiren, ſeinen B iij

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/63>, abgerufen am 27.11.2024.