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Schulze, Wilhelm: Gedächtnisrede auf Heinrich Zimmer. Berlin, 1911.

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Gedächtnisrede auf Heinrich Zimmer. 11


richts, in der ungestümen Leidenschaftlichkeit des ihn verzehrenden Ar-
beitsdranges, aber auch in der geselligen Fröhlichkeit und frischen Ur-
sprünglichkeit seines lebhaften Wesens, die schon die Kommilitonen der
Studentenzeit an ihm zu rühmen wußten. Das Wilhelm Scherer ge-
widmete Buch 'Über altirische Betonung und Verskunst' hab ich Anfang
1884, als Teilnehmer einer in der Wohnung gehaltenen Vorlesung über
irische Grammatik, entstehen sehen, in sechswöchiger, buchstäblich un-
unterbrochener Arbeit, die die Nacht zum Tage machte. Es bedeutete
für ihn die Befreiung von einem Problem, das ihn schon lange verfolgt
hatte (Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung 24, 542. Beiträge zur
Kunde der indogermanischen Sprachen 3, 327. Glossae Hibernicae LV.
Keltische Studien 1, 122. Deutsche Literaturzeitung 1881, 924. Güterbock,
Bemerkungen über die lateinischen Lehnwörter im Irischen 1882, 3. 10), für
die Wissenschaft aber nicht mehr und nicht weniger als die Grundlegung
eines wirklichen Verständnisses aller irischen Sprachgeschichte. Daß un-
abhängig von Zimmer auch Thurneysen die Erkenntnis der Akzent-
gesetze aufgegangen ist, die die Gestaltung des proteusartig verwandlungs-
fähigen irischen Verbums beherrschen, mindert den Ruhm der Entdeckung
für keinen von beiden: immer wird sie unter die glänzendsten Erfolge
gezählt werden, die der sprachgeschichtlichen Forschung des 19. Jahr-
hunderts gelungen sind. Wie durch die Kraft eines Zauberwortes löst sie
tausend Rätsel (gibt freilich, wie jeder wichtige Erkenntnisfortschritt, auch
neue Rätsel auf), wandelt das Chaos in Ordnung und zwingt die beunruhi-
gende Willkür der Erscheinungen unter die Herrschaft eines hinter den
Dingen sichtbar werdenden Gesetzes.
Während der ersten Jahre dominiert noch in Zimmers keltologischen
Arbeiten das grammatisch-lexikographische Interesse, da er, wie sich's ge-
bührt, von exaktem, grammatisch gesichertem Wortverständnis zu den höheren
Aufgaben der literarischen und historischen Forschung vorwärtsschreitet. In
langer Reihe zieren seine Aufsätze, die nicht immer abschließend, aber immer
voll entscheidender Anregungen, fast alle Seiten des Sprachlebens berühren
-- Etymologie und Wortgeschichte, Namenkunde und Wortbildung, Formen-
lehre und Syntax, Geschichte der Laute und ihrer graphischen Bezeichnung,
mundartliche Variation und schriftsprachliche Fixierung ---, die Bände der
Kuhnschen Zeitschrift (24--36, Keltische Studien 1--17, aus den Jahren
1877--1899), später auch der Zeitschrift für Celtische Philologie (1--3,


Gedächtnisrede auf Heinrich Zimmer. 11


richts, in der ungestümen Leidenschaftlichkeit des ihn verzehrenden Ar-
beitsdranges, aber auch in der geselligen Fröhlichkeit und frischen Ur-
sprünglichkeit seines lebhaften Wesens, die schon die Kommilitonen der
Studentenzeit an ihm zu rühmen wußten. Das Wilhelm Scherer ge-
widmete Buch ‘Über altirische Betonung und Verskunst’ hab ich Anfang
1884, als Teilnehmer einer in der Wohnung gehaltenen Vorlesung über
irische Grammatik, entstehen sehen, in sechswöchiger, buchstäblich un-
unterbrochener Arbeit, die die Nacht zum Tage machte. Es bedeutete
für ihn die Befreiung von einem Problem, das ihn schon lange verfolgt
hatte (Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung 24, 542. Beiträge zur
Kunde der indogermanischen Sprachen 3, 327. Glossae Hibernicae LV.
Keltische Studien 1, 122. Deutsche Literaturzeitung 1881, 924. Güterbock,
Bemerkungen über die lateinischen Lehnwörter im Irischen 1882, 3. 10), für
die Wissenschaft aber nicht mehr und nicht weniger als die Grundlegung
eines wirklichen Verständnisses aller irischen Sprachgeschichte. Daß un-
abhängig von Zimmer auch Thurneysen die Erkenntnis der Akzent-
gesetze aufgegangen ist, die die Gestaltung des proteusartig verwandlungs-
fähigen irischen Verbums beherrschen, mindert den Ruhm der Entdeckung
für keinen von beiden: immer wird sie unter die glänzendsten Erfolge
gezählt werden, die der sprachgeschichtlichen Forschung des 19. Jahr-
hunderts gelungen sind. Wie durch die Kraft eines Zauberwortes löst sie
tausend Rätsel (gibt freilich, wie jeder wichtige Erkenntnisfortschritt, auch
neue Rätsel auf), wandelt das Chaos in Ordnung und zwingt die beunruhi-
gende Willkür der Erscheinungen unter die Herrschaft eines hinter den
Dingen sichtbar werdenden Gesetzes.
Während der ersten Jahre dominiert noch in Zimmers keltologischen
Arbeiten das grammatisch-lexikographische Interesse, da er, wie sich’s ge-
bührt, von exaktem, grammatisch gesichertem Wortverständnis zu den höheren
Aufgaben der literarischen und historischen Forschung vorwärtsschreitet. In
langer Reihe zieren seine Aufsätze, die nicht immer abschließend, aber immer
voll entscheidender Anregungen, fast alle Seiten des Sprachlebens berühren
— Etymologie und Wortgeschichte, Namenkunde und Wortbildung, Formen-
lehre und Syntax, Geschichte der Laute und ihrer graphischen Bezeichnung,
mundartliche Variation und schriftsprachliche Fixierung -—, die Bände der
Kuhnschen Zeitschrift (24—36, Keltische Studien 1—17, aus den Jahren
1877—1899), später auch der Zeitschrift für Celtische Philologie (1—3,

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[13/0013] Gedächtnisrede auf Heinrich Zimmer. 11 richts, in der ungestümen Leidenschaftlichkeit des ihn verzehrenden Ar- beitsdranges, aber auch in der geselligen Fröhlichkeit und frischen Ur- sprünglichkeit seines lebhaften Wesens, die schon die Kommilitonen der Studentenzeit an ihm zu rühmen wußten. Das Wilhelm Scherer ge- widmete Buch ‘Über altirische Betonung und Verskunst’ hab ich Anfang 1884, als Teilnehmer einer in der Wohnung gehaltenen Vorlesung über irische Grammatik, entstehen sehen, in sechswöchiger, buchstäblich un- unterbrochener Arbeit, die die Nacht zum Tage machte. Es bedeutete für ihn die Befreiung von einem Problem, das ihn schon lange verfolgt hatte (Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung 24, 542. Beiträge zur Kunde der indogermanischen Sprachen 3, 327. Glossae Hibernicae LV. Keltische Studien 1, 122. Deutsche Literaturzeitung 1881, 924. Güterbock, Bemerkungen über die lateinischen Lehnwörter im Irischen 1882, 3. 10), für die Wissenschaft aber nicht mehr und nicht weniger als die Grundlegung eines wirklichen Verständnisses aller irischen Sprachgeschichte. Daß un- abhängig von Zimmer auch Thurneysen die Erkenntnis der Akzent- gesetze aufgegangen ist, die die Gestaltung des proteusartig verwandlungs- fähigen irischen Verbums beherrschen, mindert den Ruhm der Entdeckung für keinen von beiden: immer wird sie unter die glänzendsten Erfolge gezählt werden, die der sprachgeschichtlichen Forschung des 19. Jahr- hunderts gelungen sind. Wie durch die Kraft eines Zauberwortes löst sie tausend Rätsel (gibt freilich, wie jeder wichtige Erkenntnisfortschritt, auch neue Rätsel auf), wandelt das Chaos in Ordnung und zwingt die beunruhi- gende Willkür der Erscheinungen unter die Herrschaft eines hinter den Dingen sichtbar werdenden Gesetzes. Während der ersten Jahre dominiert noch in Zimmers keltologischen Arbeiten das grammatisch-lexikographische Interesse, da er, wie sich’s ge- bührt, von exaktem, grammatisch gesichertem Wortverständnis zu den höheren Aufgaben der literarischen und historischen Forschung vorwärtsschreitet. In langer Reihe zieren seine Aufsätze, die nicht immer abschließend, aber immer voll entscheidender Anregungen, fast alle Seiten des Sprachlebens berühren — Etymologie und Wortgeschichte, Namenkunde und Wortbildung, Formen- lehre und Syntax, Geschichte der Laute und ihrer graphischen Bezeichnung, mundartliche Variation und schriftsprachliche Fixierung -—, die Bände der Kuhnschen Zeitschrift (24—36, Keltische Studien 1—17, aus den Jahren 1877—1899), später auch der Zeitschrift für Celtische Philologie (1—3,

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Zitationshilfe: Schulze, Wilhelm: Gedächtnisrede auf Heinrich Zimmer. Berlin, 1911, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulze_zimmer_1911/13>, abgerufen am 25.11.2024.