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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795.

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müssen diese wackere Menschen seyn, wenn sie,
bey dieser unverhältnißmäßigen Anzahl von
Gotteshäusern, und mithin von fest- und fey-
ertägigen Zerstreuungen, noch das thun kön-
nen, was sie thun.

Gegen Abend bekam ich Sillian zu Gesicht,
und mit diesem Flecken das Ziel meiner Reise
für diesen Tag. Eine Viertelstunde vorher
kam ich noch vor Hainfels, einem alten,
weitläuftigen Schlosse vorbey, das noch be-
wohnt wird und zwar von einem Landpfleger.
In dem Posthause fand ich die gutmüthigsten
Menschen, die mir während meiner ganzen
Reise von Riga aus bis hieher vorgekommen
waren, und wie sie vielleicht nur noch diese
Gegend von Tyrol erzeugen kann. Das ganze
Haus war in Bewegung, mir zu dienen, und
Postmeister und Postmeisterin entfernten sich
kaum einen Augenblick von mir, bloß um zu
sehen, daß es mir an nichts fehle. Den an-
dern Morgen bezahlte ich für ein Abendessen
von vier Schüsseln, für eine Flasche rothen

muͤſſen dieſe wackere Menſchen ſeyn, wenn ſie,
bey dieſer unverhaͤltnißmaͤßigen Anzahl von
Gotteshaͤuſern, und mithin von feſt- und fey-
ertaͤgigen Zerſtreuungen, noch das thun koͤn-
nen, was ſie thun.

Gegen Abend bekam ich Sillian zu Geſicht,
und mit dieſem Flecken das Ziel meiner Reiſe
fuͤr dieſen Tag. Eine Viertelſtunde vorher
kam ich noch vor Hainfels, einem alten,
weitlaͤuftigen Schloſſe vorbey, das noch be-
wohnt wird und zwar von einem Landpfleger.
In dem Poſthauſe fand ich die gutmuͤthigſten
Menſchen, die mir waͤhrend meiner ganzen
Reiſe von Riga aus bis hieher vorgekommen
waren, und wie ſie vielleicht nur noch dieſe
Gegend von Tyrol erzeugen kann. Das ganze
Haus war in Bewegung, mir zu dienen, und
Poſtmeiſter und Poſtmeiſterin entfernten ſich
kaum einen Augenblick von mir, bloß um zu
ſehen, daß es mir an nichts fehle. Den an-
dern Morgen bezahlte ich fuͤr ein Abendeſſen
von vier Schuͤſſeln, fuͤr eine Flaſche rothen

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[285/0557] muͤſſen dieſe wackere Menſchen ſeyn, wenn ſie, bey dieſer unverhaͤltnißmaͤßigen Anzahl von Gotteshaͤuſern, und mithin von feſt- und fey- ertaͤgigen Zerſtreuungen, noch das thun koͤn- nen, was ſie thun. Gegen Abend bekam ich Sillian zu Geſicht, und mit dieſem Flecken das Ziel meiner Reiſe fuͤr dieſen Tag. Eine Viertelſtunde vorher kam ich noch vor Hainfels, einem alten, weitlaͤuftigen Schloſſe vorbey, das noch be- wohnt wird und zwar von einem Landpfleger. In dem Poſthauſe fand ich die gutmuͤthigſten Menſchen, die mir waͤhrend meiner ganzen Reiſe von Riga aus bis hieher vorgekommen waren, und wie ſie vielleicht nur noch dieſe Gegend von Tyrol erzeugen kann. Das ganze Haus war in Bewegung, mir zu dienen, und Poſtmeiſter und Poſtmeiſterin entfernten ſich kaum einen Augenblick von mir, bloß um zu ſehen, daß es mir an nichts fehle. Den an- dern Morgen bezahlte ich fuͤr ein Abendeſſen von vier Schuͤſſeln, fuͤr eine Flaſche rothen

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/557>, abgerufen am 03.05.2024.