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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795.

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Städtchen vor Alters beträchtlicher war. In-
wendig ist es eng, unsauber und still. Die
Häuser sind zwar von Stein, aber unansehn-
lich, mit kleinen klosterartigen Fenstern, und
abscheulich vernachläßigten schwarzen Schindel-
dächern versehen.

Von Lienz aus fuhr ich gerade zwischen die
vorhin erwähnten rauhen Alpen hinein, und
fand die Drau abermals mir entgegenkommend.
Zur Rechten sind die Berge niedriger, größe-
stentheils angebauet und hier und da mit gan-
zen Reihen von Bauerhäusern besetzt, während
man auf der linken Seite nichts, als Stein-
ströme und herabgeschossene, ungeheure Kalk-
wacken, erblickt, die den Strom eindämmen
zu wollen scheinen. Der Weg, der durch diese
doppelte Burgreihe führt, ist ganz eben und
fest wie eine Diele. Er läuft an dem linken
Ufer der Drau oft sehr nahe hin, kein Ge-
länder schließt ihn ein, und er drohet stellen-
weise, in den Strom hinabzuschießen, wäh-
rend dieser sich an den Felsenstücken, die in

Staͤdtchen vor Alters betraͤchtlicher war. In-
wendig iſt es eng, unſauber und ſtill. Die
Haͤuſer ſind zwar von Stein, aber unanſehn-
lich, mit kleinen kloſterartigen Fenſtern, und
abſcheulich vernachlaͤßigten ſchwarzen Schindel-
daͤchern verſehen.

Von Lienz aus fuhr ich gerade zwiſchen die
vorhin erwaͤhnten rauhen Alpen hinein, und
fand die Drau abermals mir entgegenkommend.
Zur Rechten ſind die Berge niedriger, groͤße-
ſtentheils angebauet und hier und da mit gan-
zen Reihen von Bauerhaͤuſern beſetzt, waͤhrend
man auf der linken Seite nichts, als Stein-
ſtroͤme und herabgeſchoſſene, ungeheure Kalk-
wacken, erblickt, die den Strom eindaͤmmen
zu wollen ſcheinen. Der Weg, der durch dieſe
doppelte Burgreihe fuͤhrt, iſt ganz eben und
feſt wie eine Diele. Er laͤuft an dem linken
Ufer der Drau oft ſehr nahe hin, kein Ge-
laͤnder ſchließt ihn ein, und er drohet ſtellen-
weiſe, in den Strom hinabzuſchießen, waͤh-
rend dieſer ſich an den Felſenſtuͤcken, die in

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[282/0554] Staͤdtchen vor Alters betraͤchtlicher war. In- wendig iſt es eng, unſauber und ſtill. Die Haͤuſer ſind zwar von Stein, aber unanſehn- lich, mit kleinen kloſterartigen Fenſtern, und abſcheulich vernachlaͤßigten ſchwarzen Schindel- daͤchern verſehen. Von Lienz aus fuhr ich gerade zwiſchen die vorhin erwaͤhnten rauhen Alpen hinein, und fand die Drau abermals mir entgegenkommend. Zur Rechten ſind die Berge niedriger, groͤße- ſtentheils angebauet und hier und da mit gan- zen Reihen von Bauerhaͤuſern beſetzt, waͤhrend man auf der linken Seite nichts, als Stein- ſtroͤme und herabgeſchoſſene, ungeheure Kalk- wacken, erblickt, die den Strom eindaͤmmen zu wollen ſcheinen. Der Weg, der durch dieſe doppelte Burgreihe fuͤhrt, iſt ganz eben und feſt wie eine Diele. Er laͤuft an dem linken Ufer der Drau oft ſehr nahe hin, kein Ge- laͤnder ſchließt ihn ein, und er drohet ſtellen- weiſe, in den Strom hinabzuſchießen, waͤh- rend dieſer ſich an den Felſenſtuͤcken, die in

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/554>, abgerufen am 03.05.2024.