Gleich an Bärenstein stößt das kaiserliche Gebiet, und das Böhmische und Sächsische sind hier nur durch ein kleines Wässerchen, der Pöhl- oder Gränzbach genannt, von einander getrennt. Der erste Böhmische Ort ist Weipert; hier ist auf einmal alles anders. Eines neuern Reisenden Bemerkung über ka- tholische Physiognomieen hat Wider- spruch gelitten, aber ich finde sie nicht ganz ohne Grund. Ein gewisses ernsthaftes, finste- res Ansehen, ein niedergeschlagenes, nicht ehr- furchtvolles, sondern devotes Auge: dies ist wohl das Katholische, was man auf den Gesichtern der Menschen hier herum, besonders aber der Mädchen und Weiber, bemerkt. Es ist wohl nur gleichsam religiöse Handwerks-Physiogno- mie, deren Züge sich durch das viele Kirchen- gehen, durch das Aeußere der Mönche und Prie- ster und durch das Anschauen der Heiligen- Bilder zusammen finden und den Gesichtern aufdrücken.
Gleich an Baͤrenſtein ſtoͤßt das kaiſerliche Gebiet, und das Boͤhmiſche und Saͤchſiſche ſind hier nur durch ein kleines Waͤſſerchen, der Poͤhl- oder Graͤnzbach genannt, von einander getrennt. Der erſte Boͤhmiſche Ort iſt Weipert; hier iſt auf einmal alles anders. Eines neuern Reiſenden Bemerkung uͤber ka- tholiſche Phyſiognomieen hat Wider- ſpruch gelitten, aber ich finde ſie nicht ganz ohne Grund. Ein gewiſſes ernſthaftes, finſte- res Anſehen, ein niedergeſchlagenes, nicht ehr- furchtvolles, ſondern devotes Auge: dies iſt wohl das Katholiſche, was man auf den Geſichtern der Menſchen hier herum, beſonders aber der Maͤdchen und Weiber, bemerkt. Es iſt wohl nur gleichſam religioͤſe Handwerks-Phyſiogno- mie, deren Zuͤge ſich durch das viele Kirchen- gehen, durch das Aeußere der Moͤnche und Prie- ſter und durch das Anſchauen der Heiligen- Bilder zuſammen finden und den Geſichtern aufdruͤcken.
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[46/0054]
Gleich an Baͤrenſtein ſtoͤßt das kaiſerliche
Gebiet, und das Boͤhmiſche und Saͤchſiſche
ſind hier nur durch ein kleines Waͤſſerchen,
der Poͤhl- oder Graͤnzbach genannt, von
einander getrennt. Der erſte Boͤhmiſche Ort
iſt Weipert; hier iſt auf einmal alles anders.
Eines neuern Reiſenden Bemerkung uͤber ka-
tholiſche Phyſiognomieen hat Wider-
ſpruch gelitten, aber ich finde ſie nicht ganz
ohne Grund. Ein gewiſſes ernſthaftes, finſte-
res Anſehen, ein niedergeſchlagenes, nicht ehr-
furchtvolles, ſondern devotes Auge: dies iſt
wohl das Katholiſche, was man auf den Geſichtern
der Menſchen hier herum, beſonders aber der
Maͤdchen und Weiber, bemerkt. Es iſt wohl
nur gleichſam religioͤſe Handwerks-Phyſiogno-
mie, deren Zuͤge ſich durch das viele Kirchen-
gehen, durch das Aeußere der Moͤnche und Prie-
ſter und durch das Anſchauen der Heiligen-
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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/54>, abgerufen am 23.11.2024.
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