Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

erscheinen Leute aus den bessern Klassen immer
erst nach zehn Uhr, und bleiben bis nach
Mitternacht dort. Sie kommen deßhalb so
spät, weil dann der Zug der feilen Mädchen
und ihrer unermüdlichen Nachsetzer schon vor-
über ist.

Diese haben ihren Lärmplatz ebenfalls hier,
zerstreuen sich aber, sobald die Schließstunde
der bürgerlichen Häuser, die zehnte, geschlagen
hat. Die Hausmeister lassen sodann keinen
Fremden mehr herein, denn wenn sie auch
übrigens das zweydeutige Gewerbe ihrer Haus-
bewohnerinnen wohl kennen, so wagen sie doch
selten dasselbe um diese Zeit zu begünstigen,
aus Furcht von dem Wirthe weggejagt zu
werden. Wissen aber die Wirthe selbst darum,
wie es in einigen seit lange dazu eingerichteten
Häusern auch hier der Fall ist, so hat der
Hausmeister kein zu strenges Gewissen, und
läßt zu jeder Zeit und Stunde herein und
heraus, weil sodann die gesammte Einwohner-
schaft nicht zu sehr geschont zu werden braucht.

erſcheinen Leute aus den beſſern Klaſſen immer
erſt nach zehn Uhr, und bleiben bis nach
Mitternacht dort. Sie kommen deßhalb ſo
ſpaͤt, weil dann der Zug der feilen Maͤdchen
und ihrer unermuͤdlichen Nachſetzer ſchon vor-
uͤber iſt.

Dieſe haben ihren Laͤrmplatz ebenfalls hier,
zerſtreuen ſich aber, ſobald die Schließſtunde
der buͤrgerlichen Haͤuſer, die zehnte, geſchlagen
hat. Die Hausmeiſter laſſen ſodann keinen
Fremden mehr herein, denn wenn ſie auch
uͤbrigens das zweydeutige Gewerbe ihrer Haus-
bewohnerinnen wohl kennen, ſo wagen ſie doch
ſelten daſſelbe um dieſe Zeit zu beguͤnſtigen,
aus Furcht von dem Wirthe weggejagt zu
werden. Wiſſen aber die Wirthe ſelbſt darum,
wie es in einigen ſeit lange dazu eingerichteten
Haͤuſern auch hier der Fall iſt, ſo hat der
Hausmeiſter kein zu ſtrenges Gewiſſen, und
laͤßt zu jeder Zeit und Stunde herein und
heraus, weil ſodann die geſammte Einwohner-
ſchaft nicht zu ſehr geſchont zu werden braucht.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <floatingText>
          <body>
            <div n="1">
              <p><pb facs="#f0500" n="228"/>
er&#x017F;cheinen Leute aus den be&#x017F;&#x017F;ern Kla&#x017F;&#x017F;en immer<lb/>
er&#x017F;t nach zehn Uhr, und bleiben bis nach<lb/>
Mitternacht dort. Sie kommen deßhalb &#x017F;o<lb/>
&#x017F;pa&#x0364;t, weil dann der Zug der feilen Ma&#x0364;dchen<lb/>
und ihrer unermu&#x0364;dlichen Nach&#x017F;etzer &#x017F;chon vor-<lb/>
u&#x0364;ber i&#x017F;t.</p><lb/>
              <p>Die&#x017F;e haben ihren La&#x0364;rmplatz ebenfalls hier,<lb/>
zer&#x017F;treuen &#x017F;ich aber, &#x017F;obald die Schließ&#x017F;tunde<lb/>
der bu&#x0364;rgerlichen Ha&#x0364;u&#x017F;er, die zehnte, ge&#x017F;chlagen<lb/>
hat. Die Hausmei&#x017F;ter la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;odann keinen<lb/>
Fremden mehr herein, denn wenn &#x017F;ie auch<lb/>
u&#x0364;brigens das zweydeutige Gewerbe ihrer Haus-<lb/>
bewohnerinnen wohl kennen, &#x017F;o wagen &#x017F;ie doch<lb/>
&#x017F;elten da&#x017F;&#x017F;elbe um die&#x017F;e Zeit zu begu&#x0364;n&#x017F;tigen,<lb/>
aus Furcht von dem Wirthe weggejagt zu<lb/>
werden. Wi&#x017F;&#x017F;en aber die Wirthe &#x017F;elb&#x017F;t darum,<lb/>
wie es in einigen &#x017F;eit lange dazu eingerichteten<lb/>
Ha&#x0364;u&#x017F;ern auch hier der Fall i&#x017F;t, &#x017F;o hat der<lb/>
Hausmei&#x017F;ter kein zu &#x017F;trenges Gewi&#x017F;&#x017F;en, und<lb/>
la&#x0364;ßt zu jeder Zeit und Stunde herein und<lb/>
heraus, weil &#x017F;odann die ge&#x017F;ammte Einwohner-<lb/>
&#x017F;chaft nicht zu &#x017F;ehr ge&#x017F;chont zu werden braucht.<lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[228/0500] erſcheinen Leute aus den beſſern Klaſſen immer erſt nach zehn Uhr, und bleiben bis nach Mitternacht dort. Sie kommen deßhalb ſo ſpaͤt, weil dann der Zug der feilen Maͤdchen und ihrer unermuͤdlichen Nachſetzer ſchon vor- uͤber iſt. Dieſe haben ihren Laͤrmplatz ebenfalls hier, zerſtreuen ſich aber, ſobald die Schließſtunde der buͤrgerlichen Haͤuſer, die zehnte, geſchlagen hat. Die Hausmeiſter laſſen ſodann keinen Fremden mehr herein, denn wenn ſie auch uͤbrigens das zweydeutige Gewerbe ihrer Haus- bewohnerinnen wohl kennen, ſo wagen ſie doch ſelten daſſelbe um dieſe Zeit zu beguͤnſtigen, aus Furcht von dem Wirthe weggejagt zu werden. Wiſſen aber die Wirthe ſelbſt darum, wie es in einigen ſeit lange dazu eingerichteten Haͤuſern auch hier der Fall iſt, ſo hat der Hausmeiſter kein zu ſtrenges Gewiſſen, und laͤßt zu jeder Zeit und Stunde herein und heraus, weil ſodann die geſammte Einwohner- ſchaft nicht zu ſehr geſchont zu werden braucht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/500
Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/500>, abgerufen am 21.05.2024.